Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_024.001 p3b_024.002 p3b_024.004 p3b_024.009 p3b_024.011 p3b_024.015 p3b_024.023 p3b_024.029 Nach zehn Jahren. p3b_024.034 p3b_024.040 p3b_024.001 p3b_024.002 p3b_024.004 p3b_024.009 p3b_024.011 p3b_024.015 p3b_024.023 p3b_024.029 Nach zehn Jahren. p3b_024.034 p3b_024.040 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0050" n="24"/> <p><lb n="p3b_024.001"/> 2. Er stimmt zur Klage, zum Ton der Schwermut.</p> <p><lb n="p3b_024.002"/> 3. Es fehlt ihm ein klassisches Vorbild, weshalb wir aus den <lb n="p3b_024.003"/> Beispielen neuerer Dichter die Regeln abstrahieren müssen.</p> <p><lb n="p3b_024.004"/> 4. Sollte durch das Zusammenfallen von Diäresen mit syntaktischen <lb n="p3b_024.005"/> Pausen innerhalb des Verses der Verscharakter schwankend <lb n="p3b_024.006"/> werden, so muß von Zeit zu Zeit ein katalektischer Vers eingeschaltet <lb n="p3b_024.007"/> werden, welcher die Jncision markiert und der Vermischung des Verscharakters <lb n="p3b_024.008"/> vorbeugt.</p> <p><lb n="p3b_024.009"/> 5. Goethe mischt in der Braut von Korinth ─ des Wechsels <lb n="p3b_024.010"/> halber ─ kürzere Zeilen ein.</p> <p><lb n="p3b_024.011"/> 6. Durch Einfügung jambischer <hi rendition="#g">Satz</hi>takte sind Cäsuren anzubringen, <lb n="p3b_024.012"/> um auf diese Weise die allzuvielen Diäresen zu vermeiden, <lb n="p3b_024.013"/> welche der trochäische Charakter unserer Sprache nur allzusehr begünstigt.</p> <lb n="p3b_024.014"/> <p><lb n="p3b_024.015"/> 7. Die Nachahmer der serbischen Volkslieder haben nicht selten <lb n="p3b_024.016"/> Daktylen eingemischt, was anerkennend zu beachten ist. Jhre Quinare <lb n="p3b_024.017"/> nähern sich aufs glücklichste dem daktylischen Hexameter. Auch Platen <lb n="p3b_024.018"/> belebte die Monotonie in den Abassiden durch Daktylen. Einen Nachfolger <lb n="p3b_024.019"/> hat er erst heute gefunden. Tandem (Pseud. für Spitteler) <lb n="p3b_024.020"/> hat 1883 sein allegorisches Lehrgedicht „Extramundana“, das er als <lb n="p3b_024.021"/> kosmische Epik („individuelle Mythologie“) einführt, in diesem Versmaß <lb n="p3b_024.022"/> erscheinen lassen.</p> <p><lb n="p3b_024.023"/> 8. Manche gebrauchten den Vers zum Sonett, Jmmermann zum <lb n="p3b_024.024"/> Lustspiel („Auge der Liebe“); freilich hat es ihm niemand nachgemacht. <lb n="p3b_024.025"/> Bei Übergreifung der Satztakte in die Verstakte würde man den trochäischen <lb n="p3b_024.026"/> Quinar zum Bühnenvers gebrauchen können; niemand hat <lb n="p3b_024.027"/> den Mut und kaum Einer das Geschick, ihn an Stelle des üblichen <lb n="p3b_024.028"/> jambischen Quinars als Theatervers zu verwenden.</p> <p> <lb n="p3b_024.029"/> <hi rendition="#g">Aufgabe. Folgender Stoff soll in trochäische Quinare umgewandelt <lb n="p3b_024.030"/> werden. Das Material für je einen Vers ist durch <lb n="p3b_024.031"/> Taktstriche abgegrenzt. Doch sind Überschreitungen dieser Maße <lb n="p3b_024.032"/> gestattet.</hi> </p> <lb n="p3b_024.033"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Nach zehn Jahren.</hi> </hi> </p> <p><lb n="p3b_024.034"/><hi rendition="#g">Stoff.</hi> Nach langer Jrrfahrt trat ich ein │ ins Haus der Schwester. <lb n="p3b_024.035"/> Helles Jauchzen │ von unbekannten Kinderstimmen schallte mir entgegen. │ Und <lb n="p3b_024.036"/> im Gemach, in welches der Abend │ seine goldenen Strahlen durchs Weinlaub <lb n="p3b_024.037"/> hindurch warf, │ sah ich vergnügte Knaben spielen, │ sieben an der Zahl. <lb n="p3b_024.038"/> Sie │ tummelten sich im Schimmer │ froh umher; frisch wie die Rosen │ blühten <lb n="p3b_024.039"/> ihre Wangen. ─</p> <p><lb n="p3b_024.040"/> Sie waren alle noch nicht geboren, │ als ich auszog in die Welt, │ selbst <lb n="p3b_024.041"/> ihre Namen kannte ich nicht. │ Sie sahen mich mit ihren großen Augen │ verwundert <lb n="p3b_024.042"/> an, so daß ihr Spiel verstummte. │ Die Älteste nahte schüchtern │ und </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [24/0050]
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2. Er stimmt zur Klage, zum Ton der Schwermut.
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3. Es fehlt ihm ein klassisches Vorbild, weshalb wir aus den p3b_024.003
Beispielen neuerer Dichter die Regeln abstrahieren müssen.
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werden, so muß von Zeit zu Zeit ein katalektischer Vers eingeschaltet p3b_024.007
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6. Durch Einfügung jambischer Satztakte sind Cäsuren anzubringen, p3b_024.012
um auf diese Weise die allzuvielen Diäresen zu vermeiden, p3b_024.013
welche der trochäische Charakter unserer Sprache nur allzusehr begünstigt.
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Daktylen eingemischt, was anerkennend zu beachten ist. Jhre Quinare p3b_024.017
nähern sich aufs glücklichste dem daktylischen Hexameter. Auch Platen p3b_024.018
belebte die Monotonie in den Abassiden durch Daktylen. Einen Nachfolger p3b_024.019
hat er erst heute gefunden. Tandem (Pseud. für Spitteler) p3b_024.020
hat 1883 sein allegorisches Lehrgedicht „Extramundana“, das er als p3b_024.021
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8. Manche gebrauchten den Vers zum Sonett, Jmmermann zum p3b_024.024
Lustspiel („Auge der Liebe“); freilich hat es ihm niemand nachgemacht. p3b_024.025
Bei Übergreifung der Satztakte in die Verstakte würde man den trochäischen p3b_024.026
Quinar zum Bühnenvers gebrauchen können; niemand hat p3b_024.027
den Mut und kaum Einer das Geschick, ihn an Stelle des üblichen p3b_024.028
jambischen Quinars als Theatervers zu verwenden.
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Aufgabe. Folgender Stoff soll in trochäische Quinare umgewandelt p3b_024.030
werden. Das Material für je einen Vers ist durch p3b_024.031
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gestattet.
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Stoff. Nach langer Jrrfahrt trat ich ein │ ins Haus der Schwester. p3b_024.035
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hindurch warf, │ sah ich vergnügte Knaben spielen, │ sieben an der Zahl. p3b_024.038
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