Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_256.001 [Beginn Spaltensatz] 3. Süßer Trost sind mir die Nelken p3b_256.002 p3b_256.009Für mein gar so frühes Grab, p3b_256.003 Denn der Einen Tag mir gab, p3b_256.004 Läßt auch sie nach zweien welken. p3b_256.005 So in Einem Garten blühend p3b_256.006 Kommen, gehn zusammen wir, p3b_256.007 Bläulich ich, sie purpurglühend; p3b_256.008 Lernt, ihr Blumen, lernt von mir. 4. Schön ist Blüte vom Jasmin; p3b_256.010 [Spaltenumbruch]
p3b_256.101Doch auch sie ist bald entschwunden, p3b_256.011 Denn kaum lebt sie so viel Stunden, p3b_256.012 Als am Stern ihr Strahlen blühn. Wenn der Ambra wüchs' als Pflanze, p3b_256.102 p3b_256.105Sicher blüht' er dann in ihr, p3b_256.103 Lebt' und stürb' in ihrem Glanze; p3b_256.104 Lernt, ihr Blumen, lernt von mir. 5. Nur der Goldlack nebenbei, p3b_256.106 [Ende Spaltensatz]
Grob von Blättern, grob von Düften, p3b_256.107 Hält sich länger in den Lüften, p3b_256.108 Denn er sieht den ganzen Mai. p3b_256.109 Doch als Tausendschön zu sterben, p3b_256.110 Trag' ich wahrlich mehr Begier, p3b_256.111 Denn als Lack Heil zu erwerben: p3b_256.112 Lernt, ihr Blumen, lernt von mir. p3b_256.113 p3b_256.114 p3b_256.124 p3b_256.129 p3b_256.131 p3b_256.134 p3b_256.136 p3b_256.140 p3b_256.001 [Beginn Spaltensatz] 3. Süßer Trost sind mir die Nelken p3b_256.002 p3b_256.009Für mein gar so frühes Grab, p3b_256.003 Denn der Einen Tag mir gab, p3b_256.004 Läßt auch sie nach zweien welken. p3b_256.005 So in Einem Garten blühend p3b_256.006 Kommen, gehn zusammen wir, p3b_256.007 Bläulich ich, sie purpurglühend; p3b_256.008 Lernt, ihr Blumen, lernt von mir. 4. Schön ist Blüte vom Jasmin; p3b_256.010 [Spaltenumbruch]
p3b_256.101Doch auch sie ist bald entschwunden, p3b_256.011 Denn kaum lebt sie so viel Stunden, p3b_256.012 Als am Stern ihr Strahlen blühn. Wenn der Ambra wüchs' als Pflanze, p3b_256.102 p3b_256.105Sicher blüht' er dann in ihr, p3b_256.103 Lebt' und stürb' in ihrem Glanze; p3b_256.104 Lernt, ihr Blumen, lernt von mir. 5. Nur der Goldlack nebenbei, p3b_256.106 [Ende Spaltensatz]
Grob von Blättern, grob von Düften, p3b_256.107 Hält sich länger in den Lüften, p3b_256.108 Denn er sieht den ganzen Mai. p3b_256.109 Doch als Tausendschön zu sterben, p3b_256.110 Trag' ich wahrlich mehr Begier, p3b_256.111 Denn als Lack Heil zu erwerben: p3b_256.112 Lernt, ihr Blumen, lernt von mir. p3b_256.113 p3b_256.114 p3b_256.124 p3b_256.129 p3b_256.131 p3b_256.134 p3b_256.136 p3b_256.140 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0282" n="256"/> <lb n="p3b_256.001"/> <cb type="start"/> <p>3.</p> <lg> <l>Süßer Trost sind mir die Nelken</l> <lb n="p3b_256.002"/> <l>Für mein gar so frühes Grab,</l> <lb n="p3b_256.003"/> <l>Denn der Einen Tag mir gab,</l> <lb n="p3b_256.004"/> <l>Läßt auch sie nach zweien welken.</l> <lb n="p3b_256.005"/> <l>So in Einem Garten blühend</l> <lb n="p3b_256.006"/> <l>Kommen, gehn zusammen wir,</l> <lb n="p3b_256.007"/> <l>Bläulich ich, sie purpurglühend;</l> <lb n="p3b_256.008"/> <l>Lernt, ihr Blumen, lernt von mir. </l> </lg> <lb n="p3b_256.009"/> <p>4.</p> <lg> <l>Schön ist Blüte vom Jasmin;</l> <lb n="p3b_256.010"/> <l>Doch auch sie ist bald entschwunden,</l> <lb n="p3b_256.011"/> <l>Denn kaum lebt sie so viel Stunden,</l> <lb n="p3b_256.012"/> <l>Als am Stern ihr Strahlen blühn.</l> </lg> <cb/> <lb n="p3b_256.101"/> <lg> <l>Wenn der Ambra wüchs' als Pflanze,</l> <lb n="p3b_256.102"/> <l>Sicher blüht' er dann in ihr,</l> <lb n="p3b_256.103"/> <l>Lebt' und stürb' in ihrem Glanze;</l> <lb n="p3b_256.104"/> <l>Lernt, ihr Blumen, lernt von mir. </l> </lg> <lb n="p3b_256.105"/> <p>5.</p> <lg> <l>Nur der Goldlack nebenbei,</l> <lb n="p3b_256.106"/> <l>Grob von Blättern, grob von Düften,</l> <lb n="p3b_256.107"/> <l>Hält sich länger in den Lüften,</l> <lb n="p3b_256.108"/> <l>Denn er sieht den ganzen Mai.</l> <lb n="p3b_256.109"/> <l>Doch als Tausendschön zu sterben,</l> <lb n="p3b_256.110"/> <l>Trag' ich wahrlich mehr Begier,</l> <lb n="p3b_256.111"/> <l>Denn als Lack Heil zu erwerben:</l> <lb n="p3b_256.112"/> <l>Lernt, ihr Blumen, lernt von mir.</l> </lg> <cb type="end"/> <p><lb n="p3b_256.113"/> Zur Beurteilung des Originalgedichts und der Übersetzung.</p> <p><lb n="p3b_256.114"/> 1. Dieses Gedicht ist eine Art Zadschal (Klanggedicht) oder Muwaschaha, <lb n="p3b_256.115"/> welche beide freundliche, sich gleichende, arabisch=spanische Volksliedformen wir <lb n="p3b_256.116"/> unseren Dichtern zur Einführung in die deutsche Litteratur sehr empfehlen <lb n="p3b_256.117"/> möchten. Das unterscheidende Kennzeichen ist, daß ein Reim oder ein Reimkomplex <lb n="p3b_256.118"/> in einer Einleitungsstrophe, welche man auch das Thema nennen <lb n="p3b_256.119"/> könnte, auftritt, dann von andern Reimen unterbrochen wird, aber am Ende <lb n="p3b_256.120"/> jeder Strophe wiederkehrt und den Schluß des Ganzen bildet; die Anordnung <lb n="p3b_256.121"/> im einzelnen und die Wahl des Metrums bleibt dem Belieben des Dichters <lb n="p3b_256.122"/> anheimgegeben. (Vgl. für Näheres v. Schack „Poesie und Kunst der Araber <lb n="p3b_256.123"/> in Spanien und Sicilien“ 1865. Bd. <hi rendition="#aq">II</hi>, S. 52 und 128 ff.)</p> <p><lb n="p3b_256.124"/> 2. Geibels Strophen weichen vom Original ab, dessen didaktische, die <lb n="p3b_256.125"/> Pointe des Ganzen enthaltende kurze Eingangsstrophe gekreuzte Reime hat, <lb n="p3b_256.126"/> während die übrigen Strophen Zehnzeilen sind mit dem Schema: <hi rendition="#aq">a b b a a c c b c b</hi>, <lb n="p3b_256.127"/> oder (falls nur die 1. Zeile der Einleitungsstrophe wiederholt wird) Siebenzeilen <lb n="p3b_256.128"/> mit dem Schema: <hi rendition="#aq">a b b a a c c</hi>.</p> <p><lb n="p3b_256.129"/> 3. Geibel giebt in der Einleitungsstrophe 2 Reimpaare; an Stelle der <lb n="p3b_256.130"/> Zehn= (oder Sieben=) Zeilen bietet er <hi rendition="#g">Achtzeilen.</hi></p> <p><lb n="p3b_256.131"/> 4. Bei den letzteren nimmt er vom Strophenschema des Originals die <lb n="p3b_256.132"/> erste Hälfte <hi rendition="#aq">a b b a</hi> und bildet die 2. Hälfte nach der kurzen Einleitungsstrophe <lb n="p3b_256.133"/> des Originalgedichts mit gekreuzten Reimen.</p> <p><lb n="p3b_256.134"/> 5. Wie das Original, wechselt auch die Übersetzung in den einzelnen <lb n="p3b_256.135"/> Strophen das Reimgeschlecht.</p> <p><lb n="p3b_256.136"/> 6. Um sein Maß (die Achtzeile) zu füllen, muß der Übersetzer häufig <lb n="p3b_256.137"/> den Stoff strecken. So ergeben ihm: in der 1. Strophe die 1. und 4. Zeile; <lb n="p3b_256.138"/> in der 4. und 5. Strophe je die 6. Zeile den Stoff zu je 2 Zeilen; in der <lb n="p3b_256.139"/> 3. Strophe umschreibt er die 5. Zeile sogar durch 3 Verse.</p> <p><lb n="p3b_256.140"/> 7. <hi rendition="#g">Zu Strophe</hi> 1 <hi rendition="#g">und</hi> 5 <hi rendition="#g">des Urbilds.</hi> <hi rendition="#aq">Maravilla</hi> bedeutet (in <lb n="p3b_256.141"/> der 1. Strophe) <hi rendition="#g">das Wunder.</hi> Es ist aber auch ein Blumenname mit verschiedenen <lb n="p3b_256.142"/> Bedeutungen. Jn der fünften Strophe scheint es „<hi rendition="#g">die peruanische </hi></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [256/0282]
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3.
Süßer Trost sind mir die Nelken p3b_256.002
Für mein gar so frühes Grab, p3b_256.003
Denn der Einen Tag mir gab, p3b_256.004
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So in Einem Garten blühend p3b_256.006
Kommen, gehn zusammen wir, p3b_256.007
Bläulich ich, sie purpurglühend; p3b_256.008
Lernt, ihr Blumen, lernt von mir.
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4.
Schön ist Blüte vom Jasmin; p3b_256.010
Doch auch sie ist bald entschwunden, p3b_256.011
Denn kaum lebt sie so viel Stunden, p3b_256.012
Als am Stern ihr Strahlen blühn.
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Wenn der Ambra wüchs' als Pflanze, p3b_256.102
Sicher blüht' er dann in ihr, p3b_256.103
Lebt' und stürb' in ihrem Glanze; p3b_256.104
Lernt, ihr Blumen, lernt von mir.
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Nur der Goldlack nebenbei, p3b_256.106
Grob von Blättern, grob von Düften, p3b_256.107
Hält sich länger in den Lüften, p3b_256.108
Denn er sieht den ganzen Mai. p3b_256.109
Doch als Tausendschön zu sterben, p3b_256.110
Trag' ich wahrlich mehr Begier, p3b_256.111
Denn als Lack Heil zu erwerben: p3b_256.112
Lernt, ihr Blumen, lernt von mir.
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Zur Beurteilung des Originalgedichts und der Übersetzung.
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1. Dieses Gedicht ist eine Art Zadschal (Klanggedicht) oder Muwaschaha, p3b_256.115
welche beide freundliche, sich gleichende, arabisch=spanische Volksliedformen wir p3b_256.116
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möchten. Das unterscheidende Kennzeichen ist, daß ein Reim oder ein Reimkomplex p3b_256.118
in einer Einleitungsstrophe, welche man auch das Thema nennen p3b_256.119
könnte, auftritt, dann von andern Reimen unterbrochen wird, aber am Ende p3b_256.120
jeder Strophe wiederkehrt und den Schluß des Ganzen bildet; die Anordnung p3b_256.121
im einzelnen und die Wahl des Metrums bleibt dem Belieben des Dichters p3b_256.122
anheimgegeben. (Vgl. für Näheres v. Schack „Poesie und Kunst der Araber p3b_256.123
in Spanien und Sicilien“ 1865. Bd. II, S. 52 und 128 ff.)
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2. Geibels Strophen weichen vom Original ab, dessen didaktische, die p3b_256.125
Pointe des Ganzen enthaltende kurze Eingangsstrophe gekreuzte Reime hat, p3b_256.126
während die übrigen Strophen Zehnzeilen sind mit dem Schema: a b b a a c c b c b, p3b_256.127
oder (falls nur die 1. Zeile der Einleitungsstrophe wiederholt wird) Siebenzeilen p3b_256.128
mit dem Schema: a b b a a c c.
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3. Geibel giebt in der Einleitungsstrophe 2 Reimpaare; an Stelle der p3b_256.130
Zehn= (oder Sieben=) Zeilen bietet er Achtzeilen.
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4. Bei den letzteren nimmt er vom Strophenschema des Originals die p3b_256.132
erste Hälfte a b b a und bildet die 2. Hälfte nach der kurzen Einleitungsstrophe p3b_256.133
des Originalgedichts mit gekreuzten Reimen.
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5. Wie das Original, wechselt auch die Übersetzung in den einzelnen p3b_256.135
Strophen das Reimgeschlecht.
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6. Um sein Maß (die Achtzeile) zu füllen, muß der Übersetzer häufig p3b_256.137
den Stoff strecken. So ergeben ihm: in der 1. Strophe die 1. und 4. Zeile; p3b_256.138
in der 4. und 5. Strophe je die 6. Zeile den Stoff zu je 2 Zeilen; in der p3b_256.139
3. Strophe umschreibt er die 5. Zeile sogar durch 3 Verse.
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7. Zu Strophe 1 und 5 des Urbilds. Maravilla bedeutet (in p3b_256.141
der 1. Strophe) das Wunder. Es ist aber auch ein Blumenname mit verschiedenen p3b_256.142
Bedeutungen. Jn der fünften Strophe scheint es „die peruanische
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Zitationshilfe: | Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/282>, abgerufen am 16.02.2025. |