Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_242.001 4. Ja mit dir ging Priamus einst mit seinem p3b_242.002 p3b_242.005Golde dort am grimmen Atridenpaare, p3b_242.003 An Thessalia's Wachen, am Feindeslager p3b_242.004 Sicher vorüber. 5. Du entrückst zum Sitze der Sel'gen fromme p3b_242.006 Seelen, treibst mit goldenem Stab den leichten p3b_242.007 Schwarm daher, der oberen Götter Liebling, p3b_242.008 Liebling der untern. p3b_242.009 p3b_242.010 p3b_242.001 4. Ja mit dir ging Priamus einst mit seinem p3b_242.002 p3b_242.005Golde dort am grimmen Atridenpaare, p3b_242.003 An Thessalia's Wachen, am Feindeslager p3b_242.004 Sicher vorüber. 5. Du entrückst zum Sitze der Sel'gen fromme p3b_242.006 Seelen, treibst mit goldenem Stab den leichten p3b_242.007 Schwarm daher, der oberen Götter Liebling, p3b_242.008 Liebling der untern. p3b_242.009 p3b_242.010 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0268" n="242"/> <lb n="p3b_242.001"/> <p>4.</p> <lg> <l>Ja mit dir ging Priamus einst mit seinem</l> <lb n="p3b_242.002"/> <l>Golde dort am grimmen Atridenpaare,</l> <lb n="p3b_242.003"/> <l>An Thessalia's Wachen, am Feindeslager</l> <lb n="p3b_242.004"/> <l> <hi rendition="#et">Sicher vorüber.</hi> </l> </lg> <lb n="p3b_242.005"/> <p>5.</p> <lg> <l>Du entrückst zum Sitze der Sel'gen fromme</l> <lb n="p3b_242.006"/> <l>Seelen, treibst mit goldenem Stab den leichten</l> <lb n="p3b_242.007"/> <l>Schwarm daher, der oberen Götter Liebling,</l> <lb n="p3b_242.008"/> <l> <hi rendition="#et">Liebling der untern.</hi> </l> </lg> <p><lb n="p3b_242.009"/> Bemerkungen zur Übersetzung, und Methode der Prüfung.</p> <p><lb n="p3b_242.010"/> An der Voßschen Übersetzung wird man sofort verschiedene Härten bemerken. <lb n="p3b_242.011"/> „Wohlredend“ geht ja wohl an, allein das Wort ist kaum poetisch verwendbar, <lb n="p3b_242.012"/> ja, bei Homer hätten wir nichts gegen ein Participium Präsens. Daß <hi rendition="#aq">nepos</hi>, <lb n="p3b_242.013"/> Enkel, wie es Apollo in der That war, mit dem allgemeinen „Sproß“ wiedergegeben <lb n="p3b_242.014"/> ist, wollen wir nicht allzu sehr betonen. Kayser hat das Richtige und <lb n="p3b_242.015"/> dabei Wörtliche. „Aus rohem Unfug“ ist prosaisch, ja kaum edel schriftdeutsch. <lb n="p3b_242.016"/> Kayser hat „die Sitte, die rohe“; <hi rendition="#aq">recentum</hi> der frischen, frischgeborenen, oder <lb n="p3b_242.017"/> nach Sat. <hi rendition="#aq">I</hi>. 3, 99 ff. der eben aus der Erde hervorgewachsenen Menschen. <lb n="p3b_242.018"/> Beide Übersetzer haben „Urwelt“ dem Sinne nach richtig gewählt; es wird <lb n="p3b_242.019"/> wohl kaum wörtlich zu geben sein. Das Voßsche „Wortes Weisheit“ <lb n="p3b_242.020"/> scheint gesuchter Gleichklang, und ist im Grundtext nicht begründet. Kaysers <lb n="p3b_242.021"/> „weislich durch das Wort“ (eigentlich Stimme) ist wörtlich und nicht zu beanstanden. <lb n="p3b_242.022"/> „Anordner“ ist geschmacklos und nicht einmal wörtlich. „Krumm“ <lb n="p3b_242.023"/> kann nicht stehen bleiben; es weckt bei uns falsche Vorstellungen, wenn freilich <lb n="p3b_242.024"/> das entschieden bessere „gewölbt“ auch noch nicht allen Anforderungen genügt. <lb n="p3b_242.025"/> „Jn leisem Scherze verheimlichst.“ Das ist zu leise, wenn der Scherz zum <lb n="p3b_242.026"/> Rinderdiebstahl wird. Kayser hat „entwendet“; das ist sinnrichtig und giebt <lb n="p3b_242.027"/> <hi rendition="#aq">furtum</hi> begrifflich wieder. „Wofern“ bei Voß wäre zu billigen als drohender <lb n="p3b_242.028"/> Amtsstil, wenn die Sache <hi rendition="#aq">in oratio recta</hi> gegeben wäre; hier hat Kayser <lb n="p3b_242.029"/> die drohende Apostrophe, die sich in Lachen auflöst, fein wiedergegeben. „Durch <lb n="p3b_242.030"/> der Stimme Androhn“ soll das „An“ den Anfang der Drohung ausdrücken, die <lb n="p3b_242.031"/> aus Mangel an Vorrat nicht durchgeführt werden kann? Kayser übersetzt „drohend“. <lb n="p3b_242.032"/> <hi rendition="#aq">Dives</hi> giebt Voß mit „König“; nun ist allerdings „reich“ ein beliebtes <lb n="p3b_242.033"/> Prädikat der Könige; ob diese Substituierung aber angeht oder nötig ist, bezweifeln <lb n="p3b_242.034"/> wir. „Mit seinem Golde“ trifft den Sinn der Situation gemäß. Bei <lb n="p3b_242.035"/> Voß geht dies verloren, abgesehen von dem oben angedeuteten Bedenken. <lb n="p3b_242.036"/> „Deiner Obhut froh“ soll wohl poetisch sein; „froh“ legt etwas hinein, was <lb n="p3b_242.037"/> nicht da steht. Kayser übersetzt einfach „mit dir“, was vollständig genügt. <lb n="p3b_242.038"/> „Thessalerglut“ ist unverständlich; oder sollte Voß eine andere Auffassung der <lb n="p3b_242.039"/> Stelle haben? Kayser hat richtig „Wachen“, wenn auch <hi rendition="#aq">ignes</hi> bezeichnender, <lb n="p3b_242.040"/> plastischer, konkreter ist. Das „ging sicher vorüber“ ist für <hi rendition="#aq">fefellit</hi> vielleicht <lb n="p3b_242.041"/> nicht ganz malerisch genug. „Getäuscht“ ist wörtlich richtig. Den Sinn giebt <lb n="p3b_242.042"/> Kayser besser wieder. „Seelen, die fromm gewandelt“ ist Exegese und nicht <lb n="p3b_242.043"/> Übersetzung, zudem langweiliger Pastoralton. Die letzte Voßsche Strophe ist </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [242/0268]
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4.
Ja mit dir ging Priamus einst mit seinem p3b_242.002
Golde dort am grimmen Atridenpaare, p3b_242.003
An Thessalia's Wachen, am Feindeslager p3b_242.004
Sicher vorüber.
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5.
Du entrückst zum Sitze der Sel'gen fromme p3b_242.006
Seelen, treibst mit goldenem Stab den leichten p3b_242.007
Schwarm daher, der oberen Götter Liebling, p3b_242.008
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Bemerkungen zur Übersetzung, und Methode der Prüfung.
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An der Voßschen Übersetzung wird man sofort verschiedene Härten bemerken. p3b_242.011
„Wohlredend“ geht ja wohl an, allein das Wort ist kaum poetisch verwendbar, p3b_242.012
ja, bei Homer hätten wir nichts gegen ein Participium Präsens. Daß nepos, p3b_242.013
Enkel, wie es Apollo in der That war, mit dem allgemeinen „Sproß“ wiedergegeben p3b_242.014
ist, wollen wir nicht allzu sehr betonen. Kayser hat das Richtige und p3b_242.015
dabei Wörtliche. „Aus rohem Unfug“ ist prosaisch, ja kaum edel schriftdeutsch. p3b_242.016
Kayser hat „die Sitte, die rohe“; recentum der frischen, frischgeborenen, oder p3b_242.017
nach Sat. I. 3, 99 ff. der eben aus der Erde hervorgewachsenen Menschen. p3b_242.018
Beide Übersetzer haben „Urwelt“ dem Sinne nach richtig gewählt; es wird p3b_242.019
wohl kaum wörtlich zu geben sein. Das Voßsche „Wortes Weisheit“ p3b_242.020
scheint gesuchter Gleichklang, und ist im Grundtext nicht begründet. Kaysers p3b_242.021
„weislich durch das Wort“ (eigentlich Stimme) ist wörtlich und nicht zu beanstanden. p3b_242.022
„Anordner“ ist geschmacklos und nicht einmal wörtlich. „Krumm“ p3b_242.023
kann nicht stehen bleiben; es weckt bei uns falsche Vorstellungen, wenn freilich p3b_242.024
das entschieden bessere „gewölbt“ auch noch nicht allen Anforderungen genügt. p3b_242.025
„Jn leisem Scherze verheimlichst.“ Das ist zu leise, wenn der Scherz zum p3b_242.026
Rinderdiebstahl wird. Kayser hat „entwendet“; das ist sinnrichtig und giebt p3b_242.027
furtum begrifflich wieder. „Wofern“ bei Voß wäre zu billigen als drohender p3b_242.028
Amtsstil, wenn die Sache in oratio recta gegeben wäre; hier hat Kayser p3b_242.029
die drohende Apostrophe, die sich in Lachen auflöst, fein wiedergegeben. „Durch p3b_242.030
der Stimme Androhn“ soll das „An“ den Anfang der Drohung ausdrücken, die p3b_242.031
aus Mangel an Vorrat nicht durchgeführt werden kann? Kayser übersetzt „drohend“. p3b_242.032
Dives giebt Voß mit „König“; nun ist allerdings „reich“ ein beliebtes p3b_242.033
Prädikat der Könige; ob diese Substituierung aber angeht oder nötig ist, bezweifeln p3b_242.034
wir. „Mit seinem Golde“ trifft den Sinn der Situation gemäß. Bei p3b_242.035
Voß geht dies verloren, abgesehen von dem oben angedeuteten Bedenken. p3b_242.036
„Deiner Obhut froh“ soll wohl poetisch sein; „froh“ legt etwas hinein, was p3b_242.037
nicht da steht. Kayser übersetzt einfach „mit dir“, was vollständig genügt. p3b_242.038
„Thessalerglut“ ist unverständlich; oder sollte Voß eine andere Auffassung der p3b_242.039
Stelle haben? Kayser hat richtig „Wachen“, wenn auch ignes bezeichnender, p3b_242.040
plastischer, konkreter ist. Das „ging sicher vorüber“ ist für fefellit vielleicht p3b_242.041
nicht ganz malerisch genug. „Getäuscht“ ist wörtlich richtig. Den Sinn giebt p3b_242.042
Kayser besser wieder. „Seelen, die fromm gewandelt“ ist Exegese und nicht p3b_242.043
Übersetzung, zudem langweiliger Pastoralton. Die letzte Voßsche Strophe ist
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