Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_175.001 Siebentes Hauptstück. p3b_175.002Die Praxis der Dialektpoesie. p3b_175.003 p3b_175.004(Winke, Gesichtspunkte, Handgriffe &c.) ------ § 70. Allgemeines und Geschichtliches zur Einführung. p3b_175.005 p3b_175.009 p3b_175.012 p3b_175.023 p3b_175.027 p3b_175.001 Siebentes Hauptstück. p3b_175.002Die Praxis der Dialektpoesie. p3b_175.003 p3b_175.004(Winke, Gesichtspunkte, Handgriffe &c.) ────── § 70. Allgemeines und Geschichtliches zur Einführung. p3b_175.005 p3b_175.009 p3b_175.012 p3b_175.023 p3b_175.027 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0201" n="E175"/> </div> </div> </div> <div n="1"> <lb n="p3b_175.001"/> <head> <hi rendition="#c">Siebentes Hauptstück.</hi> </head> <lb n="p3b_175.002"/> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Die Praxis der Dialektpoesie</hi>. <lb n="p3b_175.003"/> (Winke, Gesichtspunkte, Handgriffe &c.) ──────</hi> </head> <lb n="p3b_175.004"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#c">§ 70. Allgemeines und Geschichtliches zur Einführung.</hi> </head> <p><lb n="p3b_175.005"/> Sprache ist die <hi rendition="#g">gemeinsame</hi> Redeweise eines ganzen Volks, Dialekt die <lb n="p3b_175.006"/> <hi rendition="#g">natürliche</hi> Redeweise einzelner Volksstämme. Die Schriftsprache ist somit das <lb n="p3b_175.007"/> Organ für <hi rendition="#g">viele</hi> Volksstämme, die Dialektsprache für <hi rendition="#g">einen einzelnen</hi> <lb n="p3b_175.008"/> Volksstamm.</p> <p><lb n="p3b_175.009"/> Das natürliche Verhältnis ist dieses, daß sich nach und nach zwischen den <lb n="p3b_175.010"/> Volksstämmen eine gemeinsame Sprache ausbildete, die kein Gemenge war, sondern <lb n="p3b_175.011"/> welcher ein sich vordrängender Dialekt zu Grunde lag.</p> <p><lb n="p3b_175.012"/> Jn Deutschland wurde eine solche gemeinsame Sprache Bedürfnis mit dem <lb n="p3b_175.013"/> Auftreten des Rittertums und der fahrenden Sänger. Der Bayer wollte in <lb n="p3b_175.014"/> Thüringen verstanden sein, der Schwabe am Rhein und der Österreicher im <lb n="p3b_175.015"/> Norden &c. Es bildete sich daher mit der Zeit eine gemeinschaftliche Sängersprache <lb n="p3b_175.016"/> aus, welche durch das Verleihen von Handschriften seitens der Klöster <lb n="p3b_175.017"/> wesentlich gefördert wurde. Freilich vermochten die einzelnen Dichter ihre <lb n="p3b_175.018"/> dialektischen Eigenheiten nicht mit einemmale abzulegen, und man merkt es bei <lb n="p3b_175.019"/> interessevollem Vertiefen in früheste Handschriften gar bald, ob dieselben einen <lb n="p3b_175.020"/> Schwaben, einen Thüringer, oder einen Österreicher &c. zum Verfasser haben. <lb n="p3b_175.021"/> Die Dichter hatten die beste Absicht, Schriftsprache zu schreiben, aber sie wurden <lb n="p3b_175.022"/> durch ihren Dialekt zur unabsichtlichen Färbung veranlaßt.</p> <p><lb n="p3b_175.023"/> Als mit Beginn des 17. Jahrhunderts die neuhochdeutsche Sprache den <lb n="p3b_175.024"/> Sieg über das Niederdeutsche, wie über alle deutschen Dialekte vollendet hatte, <lb n="p3b_175.025"/> wurden diese Dialekte immer mehr verdrängt; die schöne Zeit der Dialektpoesie <lb n="p3b_175.026"/> war zu Grabe gegangen.</p> <p><lb n="p3b_175.027"/> Da machten Ende des vorigen Jahrhunderts einzelne universelle Köpfe auf <lb n="p3b_175.028"/> die Bedeutung der Dialektpoesie aufmerksam. Herder vor allen meinte, daß <lb n="p3b_175.029"/> die Poesie um so schöner sei, je weiter sie sich von der modernen Kultur entferne. <lb n="p3b_175.030"/> Er belegte seine Behauptungen durch Volkslieder, ─ und der alte </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [E175/0201]
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Siebentes Hauptstück. p3b_175.002
Die Praxis der Dialektpoesie. p3b_175.003
(Winke, Gesichtspunkte, Handgriffe &c.) ────── p3b_175.004
§ 70. Allgemeines und Geschichtliches zur Einführung. p3b_175.005
Sprache ist die gemeinsame Redeweise eines ganzen Volks, Dialekt die p3b_175.006
natürliche Redeweise einzelner Volksstämme. Die Schriftsprache ist somit das p3b_175.007
Organ für viele Volksstämme, die Dialektsprache für einen einzelnen p3b_175.008
Volksstamm.
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Das natürliche Verhältnis ist dieses, daß sich nach und nach zwischen den p3b_175.010
Volksstämmen eine gemeinsame Sprache ausbildete, die kein Gemenge war, sondern p3b_175.011
welcher ein sich vordrängender Dialekt zu Grunde lag.
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Jn Deutschland wurde eine solche gemeinsame Sprache Bedürfnis mit dem p3b_175.013
Auftreten des Rittertums und der fahrenden Sänger. Der Bayer wollte in p3b_175.014
Thüringen verstanden sein, der Schwabe am Rhein und der Österreicher im p3b_175.015
Norden &c. Es bildete sich daher mit der Zeit eine gemeinschaftliche Sängersprache p3b_175.016
aus, welche durch das Verleihen von Handschriften seitens der Klöster p3b_175.017
wesentlich gefördert wurde. Freilich vermochten die einzelnen Dichter ihre p3b_175.018
dialektischen Eigenheiten nicht mit einemmale abzulegen, und man merkt es bei p3b_175.019
interessevollem Vertiefen in früheste Handschriften gar bald, ob dieselben einen p3b_175.020
Schwaben, einen Thüringer, oder einen Österreicher &c. zum Verfasser haben. p3b_175.021
Die Dichter hatten die beste Absicht, Schriftsprache zu schreiben, aber sie wurden p3b_175.022
durch ihren Dialekt zur unabsichtlichen Färbung veranlaßt.
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Als mit Beginn des 17. Jahrhunderts die neuhochdeutsche Sprache den p3b_175.024
Sieg über das Niederdeutsche, wie über alle deutschen Dialekte vollendet hatte, p3b_175.025
wurden diese Dialekte immer mehr verdrängt; die schöne Zeit der Dialektpoesie p3b_175.026
war zu Grabe gegangen.
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Da machten Ende des vorigen Jahrhunderts einzelne universelle Köpfe auf p3b_175.028
die Bedeutung der Dialektpoesie aufmerksam. Herder vor allen meinte, daß p3b_175.029
die Poesie um so schöner sei, je weiter sie sich von der modernen Kultur entferne. p3b_175.030
Er belegte seine Behauptungen durch Volkslieder, ─ und der alte
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