Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_152.001 Und wenn ich statt der heitern Rundgesänge p3b_152.002 p3b_152.007Dir in dein Fest nur Trauertöne menge, p3b_152.003 Wirst du mir dann, mein Freund, dies auch verzeihn? p3b_152.004 Sieh, Witz und Laune kann ich dir nicht bringen, p3b_152.005 Zwar hallt die Saite, und ich werde singen, p3b_152.006 Doch soll's ein Abschiedslied dem Freunde sein. Nicht vorwärts schau ich auf den Weg zum Ziele, p3b_152.008 p3b_152.013Den du dir wählst; mir bangt, daß zum Gewühle p3b_152.009 Der großen Welt du wendest deinen Lauf; p3b_152.010 Nein, mahnend dich an die entfloh'nen Stunden, p3b_152.011 Die mich auf immer an dein Herz gebunden, p3b_152.012 Deck ich der Vorzeit heil'gen Schleier auf. Und sieh, da stehn die freundlichen Gestalten! - p3b_152.014 p3b_152.019Sie nahen dir, nicht dich zurückzuhalten, p3b_152.015 Nur grüßen wollen sie dich noch einmal: p3b_152.016 Da stehn sie alle, die schon heimgegangen, p3b_152.017 Da steht des Herzens heißeres Verlangen, p3b_152.018 Da steht der Seele hohes Jdeal. Da stehn die Geister der vergangnen Tage, p3b_152.020 p3b_152.025Und alle wagten gern an dich die Frage: p3b_152.021 "Was treibt dich denn aus unsrer Mitte fort? p3b_152.022 Wie konnte denn dein Herz die Kühnheit fassen, p3b_152.023 So vieles Teure hier zurückzulassen, So möchte auch mein liebend Herz dich fragen, p3b_152.026 p3b_152.031Du aber sollst mir nicht die Antwort sagen, p3b_152.027 Nur lesen will ich sie in deinem Blick. p3b_152.028 Doch so im Bruder- und im Freundeskreise, p3b_152.029 Bei treuer Liebe und bei deutscher Weise, p3b_152.030 So kehrt dir dieser Tag doch nie zurück. Und einst vielleicht, des Glanz- und Kampfes müde, p3b_152.032 Suchst du am stillern Abend wieder Friede, p3b_152.033 Und hast du dann dir unsre Flur erwählt, p3b_152.034 Dann findest du dies Herz auch noch im Greise, p3b_152.035 Der still und fröhlich in der Seinen Kreise p3b_152.036 Den Kindeskindern noch von dir erzählt. p3b_152.037 p3b_152.038 p3b_152.041 p3b_152.001 Und wenn ich statt der heitern Rundgesänge p3b_152.002 p3b_152.007Dir in dein Fest nur Trauertöne menge, p3b_152.003 Wirst du mir dann, mein Freund, dies auch verzeihn? p3b_152.004 Sieh, Witz und Laune kann ich dir nicht bringen, p3b_152.005 Zwar hallt die Saite, und ich werde singen, p3b_152.006 Doch soll's ein Abschiedslied dem Freunde sein. Nicht vorwärts schau ich auf den Weg zum Ziele, p3b_152.008 p3b_152.013Den du dir wählst; mir bangt, daß zum Gewühle p3b_152.009 Der großen Welt du wendest deinen Lauf; p3b_152.010 Nein, mahnend dich an die entfloh'nen Stunden, p3b_152.011 Die mich auf immer an dein Herz gebunden, p3b_152.012 Deck ich der Vorzeit heil'gen Schleier auf. Und sieh, da stehn die freundlichen Gestalten! ─ p3b_152.014 p3b_152.019Sie nahen dir, nicht dich zurückzuhalten, p3b_152.015 Nur grüßen wollen sie dich noch einmal: p3b_152.016 Da stehn sie alle, die schon heimgegangen, p3b_152.017 Da steht des Herzens heißeres Verlangen, p3b_152.018 Da steht der Seele hohes Jdeal. Da stehn die Geister der vergangnen Tage, p3b_152.020 p3b_152.025Und alle wagten gern an dich die Frage: p3b_152.021 „Was treibt dich denn aus unsrer Mitte fort? p3b_152.022 Wie konnte denn dein Herz die Kühnheit fassen, p3b_152.023 So vieles Teure hier zurückzulassen, So möchte auch mein liebend Herz dich fragen, p3b_152.026 p3b_152.031Du aber sollst mir nicht die Antwort sagen, p3b_152.027 Nur lesen will ich sie in deinem Blick. p3b_152.028 Doch so im Bruder- und im Freundeskreise, p3b_152.029 Bei treuer Liebe und bei deutscher Weise, p3b_152.030 So kehrt dir dieser Tag doch nie zurück. Und einst vielleicht, des Glanz- und Kampfes müde, p3b_152.032 Suchst du am stillern Abend wieder Friede, p3b_152.033 Und hast du dann dir unsre Flur erwählt, p3b_152.034 Dann findest du dies Herz auch noch im Greise, p3b_152.035 Der still und fröhlich in der Seinen Kreise p3b_152.036 Den Kindeskindern noch von dir erzählt. p3b_152.037 p3b_152.038 p3b_152.041 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0178" n="152"/> <lb n="p3b_152.001"/> <lg> <l>Und wenn ich statt der heitern Rundgesänge</l> <lb n="p3b_152.002"/> <l>Dir in dein Fest nur Trauertöne menge,</l> <lb n="p3b_152.003"/> <l>Wirst du mir dann, mein Freund, dies auch verzeihn?</l> <lb n="p3b_152.004"/> <l>Sieh, Witz und Laune kann ich dir nicht bringen,</l> <lb n="p3b_152.005"/> <l>Zwar hallt die Saite, und ich werde singen,</l> <lb n="p3b_152.006"/> <l>Doch soll's ein Abschiedslied dem Freunde sein. </l> </lg> <lb n="p3b_152.007"/> <lg> <l>Nicht vorwärts schau ich auf den Weg zum Ziele,</l> <lb n="p3b_152.008"/> <l>Den du dir wählst; mir bangt, daß zum Gewühle</l> <lb n="p3b_152.009"/> <l>Der großen Welt du wendest deinen Lauf;</l> <lb n="p3b_152.010"/> <l>Nein, mahnend dich an die entfloh'nen Stunden,</l> <lb n="p3b_152.011"/> <l>Die mich auf immer an dein Herz gebunden,</l> <lb n="p3b_152.012"/> <l>Deck ich der Vorzeit heil'gen Schleier auf. </l> </lg> <lb n="p3b_152.013"/> <lg> <l>Und sieh, da stehn die freundlichen Gestalten! ─</l> <lb n="p3b_152.014"/> <l>Sie nahen dir, nicht dich zurückzuhalten,</l> <lb n="p3b_152.015"/> <l>Nur grüßen wollen sie dich noch einmal:</l> <lb n="p3b_152.016"/> <l>Da stehn sie alle, die schon heimgegangen,</l> <lb n="p3b_152.017"/> <l>Da steht des Herzens heißeres Verlangen,</l> <lb n="p3b_152.018"/> <l>Da steht der Seele hohes Jdeal. </l> </lg> <lb n="p3b_152.019"/> <lg> <l>Da stehn die Geister der vergangnen Tage,</l> <lb n="p3b_152.020"/> <l>Und alle wagten gern an dich die Frage:</l> <lb n="p3b_152.021"/> <l>„Was treibt dich denn aus unsrer Mitte fort?</l> <lb n="p3b_152.022"/> <l>Wie konnte denn dein Herz die Kühnheit fassen,</l> <lb n="p3b_152.023"/> <l>So vieles Teure hier zurückzulassen,</l> </lg> <lb n="p3b_152.025"/> <lg> <l>So möchte auch mein liebend Herz dich fragen,</l> <lb n="p3b_152.026"/> <l>Du aber sollst mir nicht die Antwort sagen,</l> <lb n="p3b_152.027"/> <l>Nur lesen will ich sie in deinem Blick.</l> <lb n="p3b_152.028"/> <l>Doch so im Bruder- und im Freundeskreise,</l> <lb n="p3b_152.029"/> <l>Bei treuer Liebe und bei deutscher Weise,</l> <lb n="p3b_152.030"/> <l>So kehrt dir dieser Tag doch nie zurück. </l> </lg> <lb n="p3b_152.031"/> <lg> <l>Und einst vielleicht, des Glanz- und Kampfes müde,</l> <lb n="p3b_152.032"/> <l>Suchst du am stillern Abend wieder Friede,</l> <lb n="p3b_152.033"/> <l>Und hast du dann dir unsre Flur erwählt,</l> <lb n="p3b_152.034"/> <l>Dann findest du dies Herz auch noch im Greise,</l> <lb n="p3b_152.035"/> <l>Der still und fröhlich in der Seinen Kreise</l> <lb n="p3b_152.036"/> <l>Den Kindeskindern noch von dir erzählt.</l> </lg> <p><lb n="p3b_152.037"/><hi rendition="#g">Aufgabe</hi> 2. <hi rendition="#g">Widmungsgedicht zum Feste einer goldenen Hochzeit.</hi></p> <p><lb n="p3b_152.038"/> 1. <hi rendition="#g">Disposition.</hi> Das Gedicht soll folgende Gedanken ausführen: Schön <lb n="p3b_152.039"/> war euer Vermählungstag, schön war auch euer Silberfest, am schönsten ist <lb n="p3b_152.040"/> der goldne Hochzeitstag.</p> <p><lb n="p3b_152.041"/> 2. Diese Gedanken können also entwickelt werden:</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [152/0178]
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Und wenn ich statt der heitern Rundgesänge p3b_152.002
Dir in dein Fest nur Trauertöne menge, p3b_152.003
Wirst du mir dann, mein Freund, dies auch verzeihn? p3b_152.004
Sieh, Witz und Laune kann ich dir nicht bringen, p3b_152.005
Zwar hallt die Saite, und ich werde singen, p3b_152.006
Doch soll's ein Abschiedslied dem Freunde sein.
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Nicht vorwärts schau ich auf den Weg zum Ziele, p3b_152.008
Den du dir wählst; mir bangt, daß zum Gewühle p3b_152.009
Der großen Welt du wendest deinen Lauf; p3b_152.010
Nein, mahnend dich an die entfloh'nen Stunden, p3b_152.011
Die mich auf immer an dein Herz gebunden, p3b_152.012
Deck ich der Vorzeit heil'gen Schleier auf.
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Und sieh, da stehn die freundlichen Gestalten! ─ p3b_152.014
Sie nahen dir, nicht dich zurückzuhalten, p3b_152.015
Nur grüßen wollen sie dich noch einmal: p3b_152.016
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Da steht der Seele hohes Jdeal.
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Da stehn die Geister der vergangnen Tage, p3b_152.020
Und alle wagten gern an dich die Frage: p3b_152.021
„Was treibt dich denn aus unsrer Mitte fort? p3b_152.022
Wie konnte denn dein Herz die Kühnheit fassen, p3b_152.023
So vieles Teure hier zurückzulassen,
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So möchte auch mein liebend Herz dich fragen, p3b_152.026
Du aber sollst mir nicht die Antwort sagen, p3b_152.027
Nur lesen will ich sie in deinem Blick. p3b_152.028
Doch so im Bruder- und im Freundeskreise, p3b_152.029
Bei treuer Liebe und bei deutscher Weise, p3b_152.030
So kehrt dir dieser Tag doch nie zurück.
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Und einst vielleicht, des Glanz- und Kampfes müde, p3b_152.032
Suchst du am stillern Abend wieder Friede, p3b_152.033
Und hast du dann dir unsre Flur erwählt, p3b_152.034
Dann findest du dies Herz auch noch im Greise, p3b_152.035
Der still und fröhlich in der Seinen Kreise p3b_152.036
Den Kindeskindern noch von dir erzählt.
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Aufgabe 2. Widmungsgedicht zum Feste einer goldenen Hochzeit.
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1. Disposition. Das Gedicht soll folgende Gedanken ausführen: Schön p3b_152.039
war euer Vermählungstag, schön war auch euer Silberfest, am schönsten ist p3b_152.040
der goldne Hochzeitstag.
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2. Diese Gedanken können also entwickelt werden:
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Zitationshilfe: | Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/178>, abgerufen am 16.02.2025. |