Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_110.001 p3b_110.004 p3b_110.009 p3b_110.011 p3b_110.014 p3b_110.016 p3b_110.023 p3b_110.025 p3b_110.030 p3b_110.033 p3b_110.036 p3b_110.038 p3b_110.042 p3b_110.001 p3b_110.004 p3b_110.009 p3b_110.011 p3b_110.014 p3b_110.016 p3b_110.023 p3b_110.025 p3b_110.030 p3b_110.033 p3b_110.036 p3b_110.038 p3b_110.042 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0136" n="110"/><lb n="p3b_110.001"/> Reimgeschlechts eine angenehme, wellenartige Bewegung ergeben. Hierzu <lb n="p3b_110.002"/> kommt das freundliche, charakteristisch abschließende Reimpaar, welches <lb n="p3b_110.003"/> den Satz und den Sinn schließt und die Moral giebt.</p> <p><lb n="p3b_110.004"/> 4. Da die Einfügung männlicher Reime die Gliederung der Oktaven <lb n="p3b_110.005"/> in zweizeilige, aus Vorder- und Nachsatz bestehende Perioden <lb n="p3b_110.006"/> erleichtert, so empfiehlt sich für unsere Sprache die Abwechselung von <lb n="p3b_110.007"/> weiblichen und männlichen Reimen, so zwar, daß die Markierung des <lb n="p3b_110.008"/> abschließenden Nachsatzes (die 2., 4. und 6. Zeile) männlich ist.</p> <p><lb n="p3b_110.009"/> 5. Der männliche Schluß bei den Nachsätzen der 3 ersten Perioden <lb n="p3b_110.010"/> verleiht unserer deutschen Oktave ein charakteristisches Gepräge.</p> <p><lb n="p3b_110.011"/> 6. Aus ästhetischen Gründen der Symmetrie und des Wohllauts <lb n="p3b_110.012"/> raten wir dem Lernenden die Beibehaltung der traditionellen Reimfolge <lb n="p3b_110.013"/> <hi rendition="#aq">a b a b a b c c</hi>.</p> <p><lb n="p3b_110.014"/> 7. Sorgfältig ist die inhaltliche Verbindung der 5. Zeile mit der <lb n="p3b_110.015"/> 4. herzustellen, damit die Strophe nicht wie 2 Vierzeilen erscheine.</p> <p><lb n="p3b_110.016"/> 8. Die Zeilenlängen Schillerscher und Wielandscher Oktaven sind <lb n="p3b_110.017"/> wegen ihrer Willkürlichkeit zu tadeln. Wohl aber ist die ausnahmsweise <lb n="p3b_110.018"/> Einfügung von Alexandrinern zulässig, da ja hyperkatalektische <lb n="p3b_110.019"/> Quinare unter Hinzurechnung der Pausen den Alexandrinern gleichwertig <lb n="p3b_110.020"/> sind. Eigentliche Oktaven im engeren Schulsinne sind dies <lb n="p3b_110.021"/> freilich trotz ihrer 8 Zeilen ebensowenig, als z. B. die französischen <lb n="p3b_110.022"/> <hi rendition="#aq">Huitains</hi>, wohl aber sind es Stanzen.</p> <p><lb n="p3b_110.023"/> 9. Den Wohlklang fördert es, wenn am Schluß je des 2. Taktes <lb n="p3b_110.024"/> eines jeden Verses eine Diärese gesetzt wird.</p> <p><lb n="p3b_110.025"/> 10. Ebenso ist es von Bedeutung, auf der 10. Silbe den Wortaccent <lb n="p3b_110.026"/> mit dem rhythmischen zusammenfallen zu lassen. Somit dürfen <lb n="p3b_110.027"/> beispielsweise Satztakte wie „Verheimlichungen“, „Heimlichkeiten“, <lb n="p3b_110.028"/> „herrliche“ &c. nicht den Vers schließen, was ja auch schon gegen die <lb n="p3b_110.029"/> Gleichheit der Silbenquantität des Reims verstoßen würde.</p> <p><lb n="p3b_110.030"/> 11. Viele gleichartige <hi rendition="#g">einsilbige</hi> Worte neben- und nach einander <lb n="p3b_110.031"/> müssen vermieden werden, da jedes von ihnen den Hochton <lb n="p3b_110.032"/> wie den Tiefton erhalten kann.</p> <p><lb n="p3b_110.033"/> 12. Zur Vermeidung der Eintönigkeit ist die ausnahmsweise Einfügung <lb n="p3b_110.034"/> von Anapästen gestattet. Allzuviele Anapäste würden den jambischen <lb n="p3b_110.035"/> Grundcharakter der Oktaven in Frage bringen.</p> <p><lb n="p3b_110.036"/> 13. Die von Rückert auch als lyrische Form verwertete Oktave <lb n="p3b_110.037"/> hat meist weibliche Reime.</p> <p><lb n="p3b_110.038"/> 14. Daß die Oktave auch für humoristischen Jnhalt geeignet <lb n="p3b_110.039"/> ist, beweisen die Oktaven von Graf v. Schack, die manche klägliche, <lb n="p3b_110.040"/> von prosodischen Jnkorrektheiten &c. wimmelnde Nachäffung gefunden <lb n="p3b_110.041"/> haben.</p> <p><lb n="p3b_110.042"/> 15. Die Oktave eignet sich insbesondere zu Prologen und zu <lb n="p3b_110.043"/> Epilogen, zu Festdichtungen, zu Widmungsgedichten, zu kulturhistorischen <lb n="p3b_110.044"/> Gedichten &c.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [110/0136]
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Reimgeschlechts eine angenehme, wellenartige Bewegung ergeben. Hierzu p3b_110.002
kommt das freundliche, charakteristisch abschließende Reimpaar, welches p3b_110.003
den Satz und den Sinn schließt und die Moral giebt.
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4. Da die Einfügung männlicher Reime die Gliederung der Oktaven p3b_110.005
in zweizeilige, aus Vorder- und Nachsatz bestehende Perioden p3b_110.006
erleichtert, so empfiehlt sich für unsere Sprache die Abwechselung von p3b_110.007
weiblichen und männlichen Reimen, so zwar, daß die Markierung des p3b_110.008
abschließenden Nachsatzes (die 2., 4. und 6. Zeile) männlich ist.
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5. Der männliche Schluß bei den Nachsätzen der 3 ersten Perioden p3b_110.010
verleiht unserer deutschen Oktave ein charakteristisches Gepräge.
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6. Aus ästhetischen Gründen der Symmetrie und des Wohllauts p3b_110.012
raten wir dem Lernenden die Beibehaltung der traditionellen Reimfolge p3b_110.013
a b a b a b c c.
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7. Sorgfältig ist die inhaltliche Verbindung der 5. Zeile mit der p3b_110.015
4. herzustellen, damit die Strophe nicht wie 2 Vierzeilen erscheine.
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8. Die Zeilenlängen Schillerscher und Wielandscher Oktaven sind p3b_110.017
wegen ihrer Willkürlichkeit zu tadeln. Wohl aber ist die ausnahmsweise p3b_110.018
Einfügung von Alexandrinern zulässig, da ja hyperkatalektische p3b_110.019
Quinare unter Hinzurechnung der Pausen den Alexandrinern gleichwertig p3b_110.020
sind. Eigentliche Oktaven im engeren Schulsinne sind dies p3b_110.021
freilich trotz ihrer 8 Zeilen ebensowenig, als z. B. die französischen p3b_110.022
Huitains, wohl aber sind es Stanzen.
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9. Den Wohlklang fördert es, wenn am Schluß je des 2. Taktes p3b_110.024
eines jeden Verses eine Diärese gesetzt wird.
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10. Ebenso ist es von Bedeutung, auf der 10. Silbe den Wortaccent p3b_110.026
mit dem rhythmischen zusammenfallen zu lassen. Somit dürfen p3b_110.027
beispielsweise Satztakte wie „Verheimlichungen“, „Heimlichkeiten“, p3b_110.028
„herrliche“ &c. nicht den Vers schließen, was ja auch schon gegen die p3b_110.029
Gleichheit der Silbenquantität des Reims verstoßen würde.
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11. Viele gleichartige einsilbige Worte neben- und nach einander p3b_110.031
müssen vermieden werden, da jedes von ihnen den Hochton p3b_110.032
wie den Tiefton erhalten kann.
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12. Zur Vermeidung der Eintönigkeit ist die ausnahmsweise Einfügung p3b_110.034
von Anapästen gestattet. Allzuviele Anapäste würden den jambischen p3b_110.035
Grundcharakter der Oktaven in Frage bringen.
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13. Die von Rückert auch als lyrische Form verwertete Oktave p3b_110.037
hat meist weibliche Reime.
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14. Daß die Oktave auch für humoristischen Jnhalt geeignet p3b_110.039
ist, beweisen die Oktaven von Graf v. Schack, die manche klägliche, p3b_110.040
von prosodischen Jnkorrektheiten &c. wimmelnde Nachäffung gefunden p3b_110.041
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Epilogen, zu Festdichtungen, zu Widmungsgedichten, zu kulturhistorischen p3b_110.044
Gedichten &c.
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