p2b_542.001 durch das Überwiegen des dramatischen Charakters, sowie durch die größere p2b_542.002 Bedeutung des Jnhalts, dessen Ausgang Sieg oder Untergang der einen oder p2b_542.003 andern Partei ist, wie im Drama.
p2b_542.004 2. Da die Musik im Oratorium der durch den Stoff verkörperten Jdee p2b_542.005 einen malerischen Ausdruck geben soll, so hat sie keine geringere Bedeutung, p2b_542.006 als ihr z. B. Wagner für die Oper stellt (vgl. § 189); ihr fällt die psychologische p2b_542.007 Motivierung, Charakteristik und die Darstellung der Stimmung zu, p2b_542.008 weshalb sie ausgedehnten Gebrauch vom Recitativ und von der Arie, vom p2b_542.009 Duett und Ensemble macht und den Chor als Lied, Kanon, Fuge verwertet, p2b_542.010 sowie durch die Jnstrumentalmusik alle möglichen, künstlerischen Mittel entfaltet. p2b_542.011 Trotzdem das Oratorium keine Bühnenaufführung ist, kann es mit Fug und p2b_542.012 Recht als ein geistliches Musikdrama bezeichnet werden.
p2b_542.013 3. Wie das Drama dem Epos und den lyrischen Gattungen nachfolgte, p2b_542.014 so bildet das Oratorium den Abschluß der kirchlichen Formen. Es hat sich p2b_542.015 aus den, in den Anfängen mit Gesängen (Volksliedern) verbundenen geistlichen p2b_542.016 Schauspielen des 13. Jahrhunderts entwickelt, welche von Pilgern und andern p2b_542.017 Darstellern auf Straßen, Kirchhöfen und in den Betsälen der Kirchen (den sog. p2b_542.018 Oratorien) aufgeführt wurden. Seine eigentliche Entstehung oder kunstvollere p2b_542.019 Behandlung verdankt es - wie erwähnt - Philipp Neri in Rom, der p2b_542.020 dort 1558 die Congregazione dell' oratorio von Animuccia, Nanino, Palestrina p2b_542.021 &c. veranlaßte. Jn seiner, der Ausbildung der großen ernsten Oper p2b_542.022 fernstehenden Entstehungszeit vertrat es diese und diente im technischen Sinne p2b_542.023 zu ihrer Vorbereitung. Je ernster, würdevoller sein Jnhalt ist, desto enger steht p2b_542.024 es zur kirchlichen Kunst in Beziehung; je mehr aber in ihm auch weltliche p2b_542.025 Dinge neben religiösen ihre Vertretung finden, desto näher kommt es der Oper.
p2b_542.026 Seine Weiterbildung gab ihm in Deutschland Heinr. Schütz, der Begründer p2b_542.027 der Passion und der Oper (vgl. S. 517 und 535 d. Bds.), welcher p2b_542.028 die Arie und die instrumentale Begleitung hinzutreten ließ.
p2b_542.029 Zur Vollendung und Reife nach ideal=kirchlicher Seite wurde das Oratorium p2b_542.030 erst durch Händel gebracht, durch den in Verbindung mit Bach die p2b_542.031 Epoche der kirchlich protestantischen Tonkunst einen Abschluß erhielt. Händel, p2b_542.032 der erst gegen das Ende seines Lebens Oratorien schrieb, lehnte sich an die beweglichen p2b_542.033 Formen der ital. Oper und verlieh dem Oratorium durch alle Kunst seines p2b_542.034 gewaltigen Kontrapunkts und durch Einfügung seiner unvergleichlichen Chöre p2b_542.035 dramatische Kraft, Lebendigkeit und ergreifende Tiefe des musikalischen Ausdrucks. p2b_542.036 Sein Samson (1742), sein Judas Maccabäus (1746), sein Josua (1747) p2b_542.037 und vor allen sein Messias bedeuten die höchste Meisterschaft auf dem Gebiete p2b_542.038 des Oratoriums. (Er soll die Absicht gehabt haben, seine Oratorien in p2b_542.039 London auf der Bühne zur lebendigen Darstellung zu bringen, ja, er machte p2b_542.040 Versuche damit zunächst durch seine Esther, dem ersten Werke dieser Gattung.) p2b_542.041 S. Bach verstand es dazu, den protest. Choral im Oratorium noch für eine p2b_542.042 weihevolle gläubige Stimmung zu verwenden. Erreicht hat diese beiden Tonkünstler p2b_542.043 Keiner, obwohl Mendelssohn, Kiel, Meinardus und Fr. Lisztp2b_542.044 Ausgezeichnetes darin geleistet haben. Der letztere wollte das Oratorium (vgl.
p2b_542.001 durch das Überwiegen des dramatischen Charakters, sowie durch die größere p2b_542.002 Bedeutung des Jnhalts, dessen Ausgang Sieg oder Untergang der einen oder p2b_542.003 andern Partei ist, wie im Drama.
p2b_542.004 2. Da die Musik im Oratorium der durch den Stoff verkörperten Jdee p2b_542.005 einen malerischen Ausdruck geben soll, so hat sie keine geringere Bedeutung, p2b_542.006 als ihr z. B. Wagner für die Oper stellt (vgl. § 189); ihr fällt die psychologische p2b_542.007 Motivierung, Charakteristik und die Darstellung der Stimmung zu, p2b_542.008 weshalb sie ausgedehnten Gebrauch vom Recitativ und von der Arie, vom p2b_542.009 Duett und Ensemble macht und den Chor als Lied, Kanon, Fuge verwertet, p2b_542.010 sowie durch die Jnstrumentalmusik alle möglichen, künstlerischen Mittel entfaltet. p2b_542.011 Trotzdem das Oratorium keine Bühnenaufführung ist, kann es mit Fug und p2b_542.012 Recht als ein geistliches Musikdrama bezeichnet werden.
p2b_542.013 3. Wie das Drama dem Epos und den lyrischen Gattungen nachfolgte, p2b_542.014 so bildet das Oratorium den Abschluß der kirchlichen Formen. Es hat sich p2b_542.015 aus den, in den Anfängen mit Gesängen (Volksliedern) verbundenen geistlichen p2b_542.016 Schauspielen des 13. Jahrhunderts entwickelt, welche von Pilgern und andern p2b_542.017 Darstellern auf Straßen, Kirchhöfen und in den Betsälen der Kirchen (den sog. p2b_542.018 Oratorien) aufgeführt wurden. Seine eigentliche Entstehung oder kunstvollere p2b_542.019 Behandlung verdankt es ─ wie erwähnt ─ Philipp Neri in Rom, der p2b_542.020 dort 1558 die Congregazione dell' oratorio von Animuccia, Nanino, Palestrina p2b_542.021 &c. veranlaßte. Jn seiner, der Ausbildung der großen ernsten Oper p2b_542.022 fernstehenden Entstehungszeit vertrat es diese und diente im technischen Sinne p2b_542.023 zu ihrer Vorbereitung. Je ernster, würdevoller sein Jnhalt ist, desto enger steht p2b_542.024 es zur kirchlichen Kunst in Beziehung; je mehr aber in ihm auch weltliche p2b_542.025 Dinge neben religiösen ihre Vertretung finden, desto näher kommt es der Oper.
p2b_542.026 Seine Weiterbildung gab ihm in Deutschland Heinr. Schütz, der Begründer p2b_542.027 der Passion und der Oper (vgl. S. 517 und 535 d. Bds.), welcher p2b_542.028 die Arie und die instrumentale Begleitung hinzutreten ließ.
p2b_542.029 Zur Vollendung und Reife nach ideal=kirchlicher Seite wurde das Oratorium p2b_542.030 erst durch Händel gebracht, durch den in Verbindung mit Bach die p2b_542.031 Epoche der kirchlich protestantischen Tonkunst einen Abschluß erhielt. Händel, p2b_542.032 der erst gegen das Ende seines Lebens Oratorien schrieb, lehnte sich an die beweglichen p2b_542.033 Formen der ital. Oper und verlieh dem Oratorium durch alle Kunst seines p2b_542.034 gewaltigen Kontrapunkts und durch Einfügung seiner unvergleichlichen Chöre p2b_542.035 dramatische Kraft, Lebendigkeit und ergreifende Tiefe des musikalischen Ausdrucks. p2b_542.036 Sein Samson (1742), sein Judas Maccabäus (1746), sein Josua (1747) p2b_542.037 und vor allen sein Messias bedeuten die höchste Meisterschaft auf dem Gebiete p2b_542.038 des Oratoriums. (Er soll die Absicht gehabt haben, seine Oratorien in p2b_542.039 London auf der Bühne zur lebendigen Darstellung zu bringen, ja, er machte p2b_542.040 Versuche damit zunächst durch seine Esther, dem ersten Werke dieser Gattung.) p2b_542.041 S. Bach verstand es dazu, den protest. Choral im Oratorium noch für eine p2b_542.042 weihevolle gläubige Stimmung zu verwenden. Erreicht hat diese beiden Tonkünstler p2b_542.043 Keiner, obwohl Mendelssohn, Kiel, Meinardus und Fr. Lisztp2b_542.044 Ausgezeichnetes darin geleistet haben. Der letztere wollte das Oratorium (vgl.
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Epoche der kirchlich protestantischen Tonkunst einen Abschluß erhielt. Händel, p2b_542.032
der erst gegen das Ende seines Lebens Oratorien schrieb, lehnte sich an die beweglichen p2b_542.033
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dramatische Kraft, Lebendigkeit und ergreifende Tiefe des musikalischen Ausdrucks. p2b_542.036
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 542. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/564>, abgerufen am 23.11.2024.
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