p2b_456.001 Manche interessante Gesichtspunkte bietet, neben Siebenlists erschöpfender p2b_456.002 Ausführung, auch "Die moderne und antike Schicksalstragödie" von Eugen p2b_456.003 Heinrich Schmitt (Berlin 1874).
p2b_456.004
§ 163. Litteratur und Entwickelung der Tragödie. Der p2b_456.005 griechische Chor. Analysen der wichtigsten Tragödien p2b_456.006 aller Völker.
p2b_456.007 Da die klassischen Tragödien neben den englischen und spanischen p2b_456.008 einen nachweislichen Einfluß auf die Gestaltung unserer deutschen Tragödie p2b_456.009 ausübten und das Studium der hervorragendsten derselben, die p2b_456.010 in guten Übersetzungen vorhanden sind, gefordert werden muß, so mußten p2b_456.011 wir denselben die gebührende Beachtung widmen. Zum Verständnis p2b_456.012 des Schillerschen, auf Einführung des griechischen Chors gerichteten p2b_456.013 Bestrebens mußte dieser Chor kurz beleuchtet werden, wie auch das p2b_456.014 Wesentliche über das Äußere der griechischen Bühne einzufügen war.
p2b_456.015 a. Griechen. Die griechische Tragödie ist aus religiöser Gelegenheitspoesie p2b_456.016 entstanden: aus dem für die Dionysosfeste bestimmten Dithyrambus, wo p2b_456.017 ein Chor in Verkleidung, die Sänger in Bocksfellen, an Gestalt den Bacchus p2b_456.018 begleitenden Satyrn entsprechend, singend den Altar umtanzte. Schon frühzeitig p2b_456.019 legte der unter den griechischen Stämmen durch geistigen Adel sich auszeichnende p2b_456.020 Dorier die Satyrmaske ab; der dithyrambische Chor wurde würdiger; p2b_456.021 nur die Landbewohner behielten die Vermummung bei. Zuerst wurde der p2b_456.022 Chor durch nur einen Chorführer (exarkhos) geleitet, der sich nach und nach p2b_456.023 immer mehr vom Chor abschälte, die Thaten des Gottes erzählte, Mythen und p2b_456.024 Sagen heranzog, um sodann sogar die Landesheroen zu feiern.
p2b_456.025 Damit waren diese dramatischen Aufführungen an dem Punkte angelangt, p2b_456.026 wo aus ihnen die weltliche Tragödie geboren wurde. Dies geschah durch den p2b_456.027 Attiker Thespis (540 v. Chr.), der den Dithyrambus dialogisch umarbeitete p2b_456.028 und den Vorsänger zum Schauspieler erhob, insofern letzterer seinen Gesang p2b_456.029 in Wechselunterhaltung mit dem Chore durch Bewegungen und mimische Geberden p2b_456.030 begleitete. Die ernstere Seite der Dithyramben, welche zur Winterzeit die p2b_456.031 Leiden des Dionysos beklagten, ging in die Tragödie über. Durch Peisistratos p2b_456.032 (560-527 v. Chr.) Gunst wurde diese Art von Tragödie zum Hauptteil der p2b_456.033 Dionysosfeier erhoben, bei welcher ein Wettstreit agonistisch von verschiedenen p2b_456.034 Dichtern verschiedener Tragödien aufgeführt wurde.
p2b_456.035 Etwa 50 Jahre nach Thespis ließ der in seinen Werken so erhabene p2b_456.036 Äschylus dem Erzähler nicht mehr durch den Chor antworten, sondern durch p2b_456.037 einen Zwischenredner. Er brachte somit zwei Personen auf die Bühne, die p2b_456.038 sich in mimischer Rede unterhielten.
p2b_456.039 Nach Äschylus kam Sophokles, der Vollender der Tragödie und der p2b_456.040 Schöpfer erhabener weiblicher Charaktere; er führte die Tragödie in's Gebiet p2b_456.041 des Menschlich-Schönen, ließ die durch Äschylus in's Übernatürliche gehobenen p2b_456.042 Götter menschlicher erscheinen und hielt überhaupt Maß.
p2b_456.001 Manche interessante Gesichtspunkte bietet, neben Siebenlists erschöpfender p2b_456.002 Ausführung, auch „Die moderne und antike Schicksalstragödie“ von Eugen p2b_456.003 Heinrich Schmitt (Berlin 1874).
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§ 163. Litteratur und Entwickelung der Tragödie. Der p2b_456.005 griechische Chor. Analysen der wichtigsten Tragödien p2b_456.006 aller Völker.
p2b_456.007 Da die klassischen Tragödien neben den englischen und spanischen p2b_456.008 einen nachweislichen Einfluß auf die Gestaltung unserer deutschen Tragödie p2b_456.009 ausübten und das Studium der hervorragendsten derselben, die p2b_456.010 in guten Übersetzungen vorhanden sind, gefordert werden muß, so mußten p2b_456.011 wir denselben die gebührende Beachtung widmen. Zum Verständnis p2b_456.012 des Schillerschen, auf Einführung des griechischen Chors gerichteten p2b_456.013 Bestrebens mußte dieser Chor kurz beleuchtet werden, wie auch das p2b_456.014 Wesentliche über das Äußere der griechischen Bühne einzufügen war.
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p2b_456.025 Damit waren diese dramatischen Aufführungen an dem Punkte angelangt, p2b_456.026 wo aus ihnen die weltliche Tragödie geboren wurde. Dies geschah durch den p2b_456.027 Attiker Thespis (540 v. Chr.), der den Dithyrambus dialogisch umarbeitete p2b_456.028 und den Vorsänger zum Schauspieler erhob, insofern letzterer seinen Gesang p2b_456.029 in Wechselunterhaltung mit dem Chore durch Bewegungen und mimische Geberden p2b_456.030 begleitete. Die ernstere Seite der Dithyramben, welche zur Winterzeit die p2b_456.031 Leiden des Dionysos beklagten, ging in die Tragödie über. Durch Peisistratos p2b_456.032 (560─527 v. Chr.) Gunst wurde diese Art von Tragödie zum Hauptteil der p2b_456.033 Dionysosfeier erhoben, bei welcher ein Wettstreit agonistisch von verschiedenen p2b_456.034 Dichtern verschiedener Tragödien aufgeführt wurde.
p2b_456.035 Etwa 50 Jahre nach Thespis ließ der in seinen Werken so erhabene p2b_456.036 Äschylus dem Erzähler nicht mehr durch den Chor antworten, sondern durch p2b_456.037 einen Zwischenredner. Er brachte somit zwei Personen auf die Bühne, die p2b_456.038 sich in mimischer Rede unterhielten.
p2b_456.039 Nach Äschylus kam Sophokles, der Vollender der Tragödie und der p2b_456.040 Schöpfer erhabener weiblicher Charaktere; er führte die Tragödie in's Gebiet p2b_456.041 des Menschlich-Schönen, ließ die durch Äschylus in's Übernatürliche gehobenen p2b_456.042 Götter menschlicher erscheinen und hielt überhaupt Maß.
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Manche interessante Gesichtspunkte bietet, neben Siebenlists erschöpfender p2b_456.002
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Da die klassischen Tragödien neben den englischen und spanischen p2b_456.008
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Dichtern verschiedener Tragödien aufgeführt wurde.
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Etwa 50 Jahre nach Thespis ließ der in seinen Werken so erhabene p2b_456.036
Äschylus dem Erzähler nicht mehr durch den Chor antworten, sondern durch p2b_456.037
einen Zwischenredner. Er brachte somit zwei Personen auf die Bühne, die p2b_456.038
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Nach Äschylus kam Sophokles, der Vollender der Tragödie und der p2b_456.040
Schöpfer erhabener weiblicher Charaktere; er führte die Tragödie in's Gebiet p2b_456.041
des Menschlich-Schönen, ließ die durch Äschylus in's Übernatürliche gehobenen p2b_456.042
Götter menschlicher erscheinen und hielt überhaupt Maß.
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/478>, abgerufen am 23.11.2024.
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