Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.p2b_023.001 Statt Ammenkinderfrau sei nun Erzieherin p2b_023.002 Die Muse dem Geschlecht zu höherm Lebenssinn. p2b_023.003 p2b_023.005Hinfort genügt nicht mehr anmutig Klingendes, p2b_023.004 Nur Himmelringendes, Geschickbezwingendes. (Rückerts W. d. Br. XIX. 6.) p2b_023.006 Mannhafte Poesie ist was ich hier, o Sohn, p2b_023.008 p2b_023.011Dir bringe, denn du hast die knabenhafte schon. p2b_023.009 Mannhafte Poesie, die Grundsatz und Gedanken p2b_023.010 Führt gegen Phantasie und Traumwerk in die Schranken. (W. d. Br. V. 1.) § 15. Der Didaktiker ein wahrer Dichter. p2b_023.013 p2b_023.018 p2b_023.031 p2b_023.001 Statt Ammenkinderfrau sei nun Erzieherin p2b_023.002 Die Muse dem Geschlecht zu höherm Lebenssinn. p2b_023.003 p2b_023.005Hinfort genügt nicht mehr anmutig Klingendes, p2b_023.004 Nur Himmelringendes, Geschickbezwingendes. (Rückerts W. d. Br. XIX. 6.) p2b_023.006 Mannhafte Poesie ist was ich hier, o Sohn, p2b_023.008 p2b_023.011Dir bringe, denn du hast die knabenhafte schon. p2b_023.009 Mannhafte Poesie, die Grundsatz und Gedanken p2b_023.010 Führt gegen Phantasie und Traumwerk in die Schranken. (W. d. Br. V. 1.) § 15. Der Didaktiker ein wahrer Dichter. p2b_023.013 p2b_023.018 p2b_023.031 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p> <pb facs="#f0045" n="23"/> <lb n="p2b_023.001"/> <lg> <l>Statt Ammenkinderfrau sei nun Erzieherin</l> <lb n="p2b_023.002"/> <l>Die Muse dem Geschlecht zu höherm Lebenssinn. </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_023.003"/> <l>Hinfort genügt nicht mehr anmutig Klingendes,</l> <lb n="p2b_023.004"/> <l>Nur Himmelringendes, Geschickbezwingendes.</l> </lg> <lb n="p2b_023.005"/> <hi rendition="#right">(Rückerts W. d. 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Bds. am Schluß.)</p> <p><lb n="p2b_023.018"/> Wie der Didaktiker im Stoffe einen Januskopf hat, der mit dem einen <lb n="p2b_023.019"/> Gesichte in das naheliegende, einzelne, kleine, deutsche Leben, mit dem andern <lb n="p2b_023.020"/> in weite fremdländische Zaubergärten schaut, so hat er auch in der Produktion <lb n="p2b_023.021"/> und in der Form seines dichterischen Geistes eine doppelte Gestalt. Die eine <lb n="p2b_023.022"/> ist ihm Quell rein lyrischer Ergüsse, die andere singt ihm in poetischem, vom <lb n="p2b_023.023"/> Gefühl geleiteten Schwunge philosophische Sätze und Weisheitssprüche. Beim <lb n="p2b_023.024"/> wahren Didaktiker bleibt, wie an Schiller und Rückert zu sehen ist, die <lb n="p2b_023.025"/> lebendige Vorstellung Hauptsache für die Dichtung. Wer könnte uns poetischer, <lb n="p2b_023.026"/> das Herz ergreifender mit den Worten der Weisheit erfreuen, als solche Dichter, <lb n="p2b_023.027"/> denen Natur, Leben und Menschenherz, ja, die ganze Welt das Buch war, <lb n="p2b_023.028"/> in dem sie forschten, die in goldenem Gefäß den tiefsten Jnhalt vermittelten? <lb n="p2b_023.029"/> Wo bei ihnen einmal das ästhetische Element weniger stark hervortrat, da war <lb n="p2b_023.030"/> es stets das ethische, das den Ersatz bildete und befriedigte.</p> <p><lb n="p2b_023.031"/> Der didaktische Dichter stellt sich als Ziel seiner didaktischen Poesie nicht <lb n="p2b_023.032"/> eben die Belehrung an sich, vielmehr die auf den Gedanken gegründete Erhebung, <lb n="p2b_023.033"/> Erquickung und eine nachdrückliche Erbauung der Phantasie hin. Jch <lb n="p2b_023.034"/> mache zum Überfluß noch auf Rückerts Gedicht: „Griechische Tageszeiten“ (Ges. <lb n="p2b_023.035"/> Ausg. <hi rendition="#aq">VII</hi>. 262) aufmerksam, welches, so lyrisch auch Ton und Sprache im <lb n="p2b_023.036"/> einzelnen sind, doch wegen seines Endzwecks und gedanklichen Zieles echt <lb n="p2b_023.037"/> didaktisch genannt werden muß. Der Didaktiker verkörpert eben seine Jdeen <lb n="p2b_023.038"/> dichterisch, ohne daß man ihnen die Gedankenschwere und Abstraktion anmerkt. <lb n="p2b_023.039"/> Dadurch erreicht er das Höchste, was man von der subjektiven Poesie verlangen <lb n="p2b_023.040"/> kann, dadurch sichert er sich im hervorragenden Sinn den Ehrennamen <lb n="p2b_023.041"/> ─ eines wahren <hi rendition="#g">Dichters.</hi></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [23/0045]
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Statt Ammenkinderfrau sei nun Erzieherin p2b_023.002
Die Muse dem Geschlecht zu höherm Lebenssinn.
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Hinfort genügt nicht mehr anmutig Klingendes, p2b_023.004
Nur Himmelringendes, Geschickbezwingendes.
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Ferner: p2b_023.007
Mannhafte Poesie ist was ich hier, o Sohn, p2b_023.008
Dir bringe, denn du hast die knabenhafte schon. p2b_023.009
Mannhafte Poesie, die Grundsatz und Gedanken p2b_023.010
Führt gegen Phantasie und Traumwerk in die Schranken.
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§ 15. Der Didaktiker ein wahrer Dichter. p2b_023.013
Der Didaktiker, der es auf das höhere Erkenntnisvermögen abgesehen p2b_023.014
hat, bleibt Dichter, auch da, wo er noch so sehr als Philosoph p2b_023.015
oder Sittenlehrer auftritt, sofern ihm ─ wie bemerkt ─ der Gedanke p2b_023.016
im Gefühl aufgeht, und die schöne Form den schönen Jnhalt deckt. p2b_023.017
(Vgl. § 13 d. Bds. am Schluß.)
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Wie der Didaktiker im Stoffe einen Januskopf hat, der mit dem einen p2b_023.019
Gesichte in das naheliegende, einzelne, kleine, deutsche Leben, mit dem andern p2b_023.020
in weite fremdländische Zaubergärten schaut, so hat er auch in der Produktion p2b_023.021
und in der Form seines dichterischen Geistes eine doppelte Gestalt. Die eine p2b_023.022
ist ihm Quell rein lyrischer Ergüsse, die andere singt ihm in poetischem, vom p2b_023.023
Gefühl geleiteten Schwunge philosophische Sätze und Weisheitssprüche. Beim p2b_023.024
wahren Didaktiker bleibt, wie an Schiller und Rückert zu sehen ist, die p2b_023.025
lebendige Vorstellung Hauptsache für die Dichtung. Wer könnte uns poetischer, p2b_023.026
das Herz ergreifender mit den Worten der Weisheit erfreuen, als solche Dichter, p2b_023.027
denen Natur, Leben und Menschenherz, ja, die ganze Welt das Buch war, p2b_023.028
in dem sie forschten, die in goldenem Gefäß den tiefsten Jnhalt vermittelten? p2b_023.029
Wo bei ihnen einmal das ästhetische Element weniger stark hervortrat, da war p2b_023.030
es stets das ethische, das den Ersatz bildete und befriedigte.
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Der didaktische Dichter stellt sich als Ziel seiner didaktischen Poesie nicht p2b_023.032
eben die Belehrung an sich, vielmehr die auf den Gedanken gegründete Erhebung, p2b_023.033
Erquickung und eine nachdrückliche Erbauung der Phantasie hin. Jch p2b_023.034
mache zum Überfluß noch auf Rückerts Gedicht: „Griechische Tageszeiten“ (Ges. p2b_023.035
Ausg. VII. 262) aufmerksam, welches, so lyrisch auch Ton und Sprache im p2b_023.036
einzelnen sind, doch wegen seines Endzwecks und gedanklichen Zieles echt p2b_023.037
didaktisch genannt werden muß. Der Didaktiker verkörpert eben seine Jdeen p2b_023.038
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─ eines wahren Dichters.
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