p2b_022.001 didaktische Poesie die Stellung erobert, die sie jetzt einnimmt, und unter der p2b_022.002 ihr der letztgenannte Dichter in der Weisheit des Brahmanen ein unvergleichliches p2b_022.003 Denkmal gesetzt hat.
p2b_022.004 3. Jean Paul ahnte bereits mit prophetischem Geiste die Zukunft der p2b_022.005 didaktischen Poesie zu ihrer nur von Schiller (z. B. die Glocke), Rückert, und p2b_022.006 annähernd nur noch von wenigen erreichten Höhe, z. B. von Scheferp2b_022.007 (Laienbrevier), Agnes Franz (Der Christbaum, an Schillers Glocke erinnernd), p2b_022.008 Uz (Theodicee, eine didaktische Ode), Haller (vom Ursprung des Übels), p2b_022.009 Tiedge (Urania, ein Lehrgedicht über die Unsterblichkeit in 6 Gesängen, p2b_022.010 schön in Form und Gedanken, aber ermüdend und ohne Tiefe), Herderp2b_022.011 (Jch, Selbst), Gleim (Halladat, eine eigentümliche Art kurzer Lehrgedichte, p2b_022.012 aus seinen Studien des Koran entstanden), Hammer (Schau in dich und p2b_022.013 schau um dich, 1851, und Zu allen guten Stunden, 1854), ferner von den p2b_022.014 sog. philosophischen Lyrikern Mosen, Sallet, Titus Ulrich (Das hohe p2b_022.015 Lied, 1845), Jordan, Gottschall, Schloenbach, Prutz und Geibel.p2b_022.016 Jean Paul sagt: "Reflexionen oder Kenntnisse werden nicht an sich zur Lehre, p2b_022.017 sondern für das Herz zur Einheit der Empfindung gereicht, und als eine mit p2b_022.018 Blumenketten umwickelte Frucht dargeboten. Jn der Dichtkunst ist jeder Gedanke p2b_022.019 Nachbar eines Gefühls, und jede Hirnkammer stößt an eine Herzkammer." p2b_022.020 Wie mochte er sich freuen, diesen Gedanken in den Werken Schillers verkörpert p2b_022.021 gesehen zu haben (im Genius; An die Freude; Würde der Frauen; Die p2b_022.022 Glocke; Die Jdeale; Resignation; Macht des Gesangs; Das Jdeal und das p2b_022.023 Leben; u. s. w.). Wie mochte ihn die Wahrnehmung überrascht haben, daß p2b_022.024 Schiller auf dem Gebiete des Denkens Eroberungen auch für die Poesie zu p2b_022.025 machen verstand (z. B. im Gedicht: Die Künstler, welches als seine Ästhetik p2b_022.026 in der Poesie bezeichnet werden darf), was ja auch Goethe anerkennt (vgl. p2b_022.027 Schillers Briefwechsel mit Goethe, in dem er ihm schreibt: "Jhre Gedichte p2b_022.028 haben besondere Vorzüge; sie sind nun, wie ich sie vormals von Jhnen hoffte. p2b_022.029 Diese besondere Mischung von Anschaun und Abstraktion, die p2b_022.030 in Jhrer Natur ist, zeigt sich nun in vollkommenem Gleichgewicht, und alle p2b_022.031 übrigen poetischen Tugenden treten in schöner Ordnung hervor" &c.). Wie p2b_022.032 mochte er in der Glocke die erreichte Harmonie zwischen Jnhalt und Erscheinung, p2b_022.033 zwischen Jdee und Vorstellung erkennen. Bei Schiller fand er eine gewaltige p2b_022.034 Fülle der schönen Gedanken mit dichterischem Gefühl vermählt. Schiller, wie p2b_022.035 später besonders Rückert, wurde Repräsentant der zur Gedankenlyrik gewordenen p2b_022.036 Didaktik.
p2b_022.037 4. Die hohe Mission der Didaktik hat zuerst Rückert in folgenden p2b_022.038 Alexandrinern gezeichnet: p2b_022.039
Wo der Gedanke fehlt, die unverwandte Richtungp2b_022.040 Auf hochgestecktes Ziel, da ist ein Tand die Dichtung.
p2b_022.041 Das Phantasieenspiel der Kindermärchenliederp2b_022.042 Jst mit der Kindheit hin, und niemand bringt sie wieder.
p2b_022.001 didaktische Poesie die Stellung erobert, die sie jetzt einnimmt, und unter der p2b_022.002 ihr der letztgenannte Dichter in der Weisheit des Brahmanen ein unvergleichliches p2b_022.003 Denkmal gesetzt hat.
p2b_022.004 3. Jean Paul ahnte bereits mit prophetischem Geiste die Zukunft der p2b_022.005 didaktischen Poesie zu ihrer nur von Schiller (z. B. die Glocke), Rückert, und p2b_022.006 annähernd nur noch von wenigen erreichten Höhe, z. B. von Scheferp2b_022.007 (Laienbrevier), Agnes Franz (Der Christbaum, an Schillers Glocke erinnernd), p2b_022.008 Uz (Theodicee, eine didaktische Ode), Haller (vom Ursprung des Übels), p2b_022.009 Tiedge (Urania, ein Lehrgedicht über die Unsterblichkeit in 6 Gesängen, p2b_022.010 schön in Form und Gedanken, aber ermüdend und ohne Tiefe), Herderp2b_022.011 (Jch, Selbst), Gleim (Halladat, eine eigentümliche Art kurzer Lehrgedichte, p2b_022.012 aus seinen Studien des Koran entstanden), Hammer (Schau in dich und p2b_022.013 schau um dich, 1851, und Zu allen guten Stunden, 1854), ferner von den p2b_022.014 sog. philosophischen Lyrikern Mosen, Sallet, Titus Ulrich (Das hohe p2b_022.015 Lied, 1845), Jordan, Gottschall, Schloenbach, Prutz und Geibel.p2b_022.016 Jean Paul sagt: „Reflexionen oder Kenntnisse werden nicht an sich zur Lehre, p2b_022.017 sondern für das Herz zur Einheit der Empfindung gereicht, und als eine mit p2b_022.018 Blumenketten umwickelte Frucht dargeboten. Jn der Dichtkunst ist jeder Gedanke p2b_022.019 Nachbar eines Gefühls, und jede Hirnkammer stößt an eine Herzkammer.“ p2b_022.020 Wie mochte er sich freuen, diesen Gedanken in den Werken Schillers verkörpert p2b_022.021 gesehen zu haben (im Genius; An die Freude; Würde der Frauen; Die p2b_022.022 Glocke; Die Jdeale; Resignation; Macht des Gesangs; Das Jdeal und das p2b_022.023 Leben; u. s. w.). Wie mochte ihn die Wahrnehmung überrascht haben, daß p2b_022.024 Schiller auf dem Gebiete des Denkens Eroberungen auch für die Poesie zu p2b_022.025 machen verstand (z. B. im Gedicht: Die Künstler, welches als seine Ästhetik p2b_022.026 in der Poesie bezeichnet werden darf), was ja auch Goethe anerkennt (vgl. p2b_022.027 Schillers Briefwechsel mit Goethe, in dem er ihm schreibt: „Jhre Gedichte p2b_022.028 haben besondere Vorzüge; sie sind nun, wie ich sie vormals von Jhnen hoffte. p2b_022.029 Diese besondere Mischung von Anschaun und Abstraktion, die p2b_022.030 in Jhrer Natur ist, zeigt sich nun in vollkommenem Gleichgewicht, und alle p2b_022.031 übrigen poetischen Tugenden treten in schöner Ordnung hervor“ &c.). Wie p2b_022.032 mochte er in der Glocke die erreichte Harmonie zwischen Jnhalt und Erscheinung, p2b_022.033 zwischen Jdee und Vorstellung erkennen. Bei Schiller fand er eine gewaltige p2b_022.034 Fülle der schönen Gedanken mit dichterischem Gefühl vermählt. Schiller, wie p2b_022.035 später besonders Rückert, wurde Repräsentant der zur Gedankenlyrik gewordenen p2b_022.036 Didaktik.
p2b_022.037 4. Die hohe Mission der Didaktik hat zuerst Rückert in folgenden p2b_022.038 Alexandrinern gezeichnet: p2b_022.039
Wo der Gedanke fehlt, die unverwandte Richtungp2b_022.040 Auf hochgestecktes Ziel, da ist ein Tand die Dichtung.
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/44>, abgerufen am 23.11.2024.
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