Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.p2b_339.001 II. Nibelungen im Frack, von Anastasius Grün. Dieses p2b_339.002 p2b_339.005 p2b_339.013 S. 17. Mein Held ist traun, kein Riese, das könnt' uns schnell entzwein, p2b_339.015 p2b_339.018Dir möcht' ein Wicht mein Riese, dein Ries' ein Zwerg mir sein; p2b_339.016 Er ist nicht so groß, daß Mißgunst ihn noch verkleinern wollte, p2b_339.017 Er ist nicht so klein, daß Liebe aufblasen ihn und strecken sollte. S. 18. Sein Rößlein heißt Marotte, im Baß geht's statt im Paß, p2b_339.019 p2b_339.022Von seinem Schenkeldrucke stöhnt, schnaubt der Geigenbaß! p2b_339.020 Marotte, sei besungen wie deine Brüder im Stalle, p2b_339.021 Du springst viel höher, weiter, du bist gewaltiger als sie alle! S. 20. (Vgl. hierher die Probe Bd. I. S. 605.) p2b_339.023S. 41. Sie wandern fröhlich weiter. Der Herzog plötzlich spricht: p2b_339.024 "Mich dünkt, am Gotthardsteiche den Turm dort sah ich noch nicht!" p2b_339.025 ""Es thut mir, Sereniss'me, zu widersprechen leid, p2b_339.026 Kein Turm ist's, nur Windmühle! die Flügel rührt's ja beiderseit!'''' p2b_339.027 "Sei's Windmühl oder Kirchturm, Entsetzen ist's zu sehn! p2b_339.028 Denn seht, es regt sich, schreitet, auf uns scheint's los zu gehn!" p2b_339.029 Und immer näher wallt es, hat Arme, Beine, Kopf p2b_339.030 Und steht vor ihnen endlich, ein Goliath mit steifem Zopf. p2b_339.031 Nach Ellen ist's zu messen vom Scheitel bis zur Ferse, p2b_339.032 Langbeinig, wie hier im Liede die Nibelungenverse; p2b_339.033 Sein Atem dröhnt, als blähten der Orgel Bälge sich. p2b_339.034 Der Herzog ruft fast zitternd: "Wer bist du und von wannen? sprich!" p2b_339.035 ""O! kennt ihr nicht den Jonas vom Regiment der Langen? p2b_339.036 Jch komm' auf Meilenstiefeln von Potsdam hergegangen, p2b_339.037 Vom König, der den Riesen in Lieb' und Huld geneigt, p2b_339.038 Nur nicht dem einen jungen, dem Riesen, den er selbst gezeugt. p2b_339.039 p2b_339.043Wie Finkler im Gehege, wie auf der Beize Sperber, p2b_339.040 So locken Diplomaten, so packen uns die Werber; p2b_339.041 Wie Schlingen junge Füllen, so fangen uns Verträge, p2b_339.042 Daß nur der Tritt von Riesen den Staub am Haveldamm errege! &c. S. 42. Der Glanz hat seine Schatten. Seltsam hat sich's begeben, p2b_339.044
Der König kam uns mustern, als ich im Schenkhaus eben; p2b_339.045 Zufall, daß ich bisweilen kein musikalisch Ohr, p2b_339.046 Und mich der Trommel Wecker umsonst vom Schlafe rief empor. p2b_339.001 II. Nibelungen im Frack, von Anastasius Grün. Dieses p2b_339.002 p2b_339.005 p2b_339.013 S. 17. Mein Held ist traun, kein Riese, das könnt' uns schnell entzwein, p2b_339.015 p2b_339.018Dir möcht' ein Wicht mein Riese, dein Ries' ein Zwerg mir sein; p2b_339.016 Er ist nicht so groß, daß Mißgunst ihn noch verkleinern wollte, p2b_339.017 Er ist nicht so klein, daß Liebe aufblasen ihn und strecken sollte. S. 18. Sein Rößlein heißt Marotte, im Baß geht's statt im Paß, p2b_339.019 p2b_339.022Von seinem Schenkeldrucke stöhnt, schnaubt der Geigenbaß! p2b_339.020 Marotte, sei besungen wie deine Brüder im Stalle, p2b_339.021 Du springst viel höher, weiter, du bist gewaltiger als sie alle! S. 20. (Vgl. hierher die Probe Bd. I. S. 605.) p2b_339.023S. 41. Sie wandern fröhlich weiter. Der Herzog plötzlich spricht: p2b_339.024 „Mich dünkt, am Gotthardsteiche den Turm dort sah ich noch nicht!“ p2b_339.025 „„Es thut mir, Sereniss'me, zu widersprechen leid, p2b_339.026 Kein Turm ist's, nur Windmühle! die Flügel rührt's ja beiderseit!'''' p2b_339.027 „Sei's Windmühl oder Kirchturm, Entsetzen ist's zu sehn! p2b_339.028 Denn seht, es regt sich, schreitet, auf uns scheint's los zu gehn!“ p2b_339.029 Und immer näher wallt es, hat Arme, Beine, Kopf p2b_339.030 Und steht vor ihnen endlich, ein Goliath mit steifem Zopf. p2b_339.031 Nach Ellen ist's zu messen vom Scheitel bis zur Ferse, p2b_339.032 Langbeinig, wie hier im Liede die Nibelungenverse; p2b_339.033 Sein Atem dröhnt, als blähten der Orgel Bälge sich. p2b_339.034 Der Herzog ruft fast zitternd: „Wer bist du und von wannen? sprich!“ p2b_339.035 „„O! kennt ihr nicht den Jonas vom Regiment der Langen? p2b_339.036 Jch komm' auf Meilenstiefeln von Potsdam hergegangen, p2b_339.037 Vom König, der den Riesen in Lieb' und Huld geneigt, p2b_339.038 Nur nicht dem einen jungen, dem Riesen, den er selbst gezeugt. p2b_339.039 p2b_339.043Wie Finkler im Gehege, wie auf der Beize Sperber, p2b_339.040 So locken Diplomaten, so packen uns die Werber; p2b_339.041 Wie Schlingen junge Füllen, so fangen uns Verträge, p2b_339.042 Daß nur der Tritt von Riesen den Staub am Haveldamm errege! &c. S. 42. Der Glanz hat seine Schatten. Seltsam hat sich's begeben, p2b_339.044
Der König kam uns mustern, als ich im Schenkhaus eben; p2b_339.045 Zufall, daß ich bisweilen kein musikalisch Ohr, p2b_339.046 Und mich der Trommel Wecker umsonst vom Schlafe rief empor. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0361" n="339"/> </div> <div n="5"> <lb n="p2b_339.001"/> <head><hi rendition="#aq">II</hi>. <hi rendition="#g">Nibelungen im Frack, von Anastasius Grün.</hi></head> <p> Dieses <lb n="p2b_339.002"/> komische Epos hat den leidenschaftlich für die Baßgeige schwärmenden <lb n="p2b_339.003"/> Herzog Moritz (1688─1733 Administrator von Merseburg), zum <lb n="p2b_339.004"/> Helden.</p> <p><lb n="p2b_339.005"/> Seine Teile sind: Ein Stück Exposition, Jnvocation, nebst etlichen Episoden; <lb n="p2b_339.006"/> Von einer Feder, einem Schwerte und einer Axt, nebenbei etwas von <lb n="p2b_339.007"/> der Menschenhand; Jntermezzo als Arabeske; Wie der Merseburger Hofpoet <lb n="p2b_339.008"/> gesungen haben würde; Der Herzog bestellt sein Zeughaus und wirbt sein Heer; <lb n="p2b_339.009"/> Der Herzog meint die Harmonie zu finden; Der berühmte Chevalier von Pöllnitz <lb n="p2b_339.010"/> am Merseburger Hofe; Etwas von dem alten Riesen Einheer; Der Herzog <lb n="p2b_339.011"/> besiegt die Hydra der Revolution; Der Herzog bereist seine Staaten; Hier <lb n="p2b_339.012"/> wird Spielzeug verfertigt; Eine Vision; Die Saiten klingen aus.</p> <p><lb n="p2b_339.013"/><hi rendition="#g">Probe aus Nibelungen im Frack. (Ausg.</hi> 1877.)</p> <lb n="p2b_339.014"/> <p rendition="#left">S. 17.</p> <lg> <l> Mein Held ist traun, kein Riese, das könnt' uns schnell entzwein,</l> <lb n="p2b_339.015"/> <l>Dir möcht' ein Wicht mein Riese, dein Ries' ein Zwerg mir sein;</l> <lb n="p2b_339.016"/> <l>Er ist nicht so groß, daß Mißgunst ihn noch verkleinern wollte,</l> <lb n="p2b_339.017"/> <l>Er ist nicht so klein, daß Liebe aufblasen ihn und strecken sollte. </l> </lg> <lb n="p2b_339.018"/> <p rendition="#left">S. 18.</p> <lg> <l> Sein Rößlein heißt Marotte, im Baß geht's statt im Paß,</l> <lb n="p2b_339.019"/> <l>Von seinem Schenkeldrucke stöhnt, schnaubt der Geigenbaß!</l> <lb n="p2b_339.020"/> <l>Marotte, sei besungen wie deine Brüder im Stalle,</l> <lb n="p2b_339.021"/> <l>Du springst viel höher, weiter, du bist gewaltiger als sie alle! </l> </lg> <lb n="p2b_339.022"/> <p rendition="#left">S. 20.</p> <p>(Vgl. hierher die Probe Bd. <hi rendition="#aq">I</hi>. S. 605.)</p> <lb n="p2b_339.023"/> <p rendition="#left">S. 41.</p> <lg> <l> Sie wandern fröhlich weiter. Der Herzog plötzlich spricht:</l> <lb n="p2b_339.024"/> <l>„Mich dünkt, am Gotthardsteiche den Turm dort sah ich noch nicht!“</l> <lb n="p2b_339.025"/> <l>„„Es thut mir, Sereniss'me, zu widersprechen leid,</l> <lb n="p2b_339.026"/> <l>Kein Turm ist's, nur Windmühle! die Flügel rührt's ja beiderseit!'''' </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_339.027"/> <l> „Sei's Windmühl oder Kirchturm, Entsetzen ist's zu sehn!</l> <lb n="p2b_339.028"/> <l>Denn seht, es regt sich, schreitet, auf uns scheint's los zu gehn!“</l> <lb n="p2b_339.029"/> <l>Und immer näher wallt es, hat Arme, Beine, Kopf</l> <lb n="p2b_339.030"/> <l>Und steht vor ihnen endlich, ein Goliath mit steifem Zopf. </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_339.031"/> <l>Nach Ellen ist's zu messen vom Scheitel bis zur Ferse,</l> <lb n="p2b_339.032"/> <l>Langbeinig, wie hier im Liede die Nibelungenverse;</l> <lb n="p2b_339.033"/> <l>Sein Atem dröhnt, als blähten der Orgel Bälge sich.</l> <lb n="p2b_339.034"/> <l>Der Herzog ruft fast zitternd: „Wer bist du und von wannen? sprich!“ </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_339.035"/> <l> „„O! kennt ihr nicht den Jonas vom Regiment der Langen?</l> <lb n="p2b_339.036"/> <l>Jch komm' auf Meilenstiefeln von Potsdam hergegangen,</l> <lb n="p2b_339.037"/> <l>Vom König, der den Riesen in Lieb' und Huld geneigt,</l> <lb n="p2b_339.038"/> <l>Nur nicht dem einen jungen, dem Riesen, den er selbst gezeugt. </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_339.039"/> <l> Wie Finkler im Gehege, wie auf der Beize Sperber,</l> <lb n="p2b_339.040"/> <l>So locken Diplomaten, so packen uns die Werber;</l> <lb n="p2b_339.041"/> <l>Wie Schlingen junge Füllen, so fangen uns Verträge,</l> <lb n="p2b_339.042"/> <l>Daß nur der Tritt von Riesen den Staub am Haveldamm errege! &c. </l> </lg> <lb n="p2b_339.043"/> <p rendition="#left">S. 42.</p> <lg> <l> Der Glanz hat seine Schatten. Seltsam hat sich's begeben,</l> <lb n="p2b_339.044"/> <l>Der König kam uns mustern, als ich im Schenkhaus eben;</l> <lb n="p2b_339.045"/> <l>Zufall, daß ich bisweilen kein musikalisch Ohr,</l> <lb n="p2b_339.046"/> <l>Und mich der Trommel Wecker umsonst vom Schlafe rief empor.</l> </lg> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [339/0361]
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II. Nibelungen im Frack, von Anastasius Grün. Dieses p2b_339.002
komische Epos hat den leidenschaftlich für die Baßgeige schwärmenden p2b_339.003
Herzog Moritz (1688─1733 Administrator von Merseburg), zum p2b_339.004
Helden.
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Seine Teile sind: Ein Stück Exposition, Jnvocation, nebst etlichen Episoden; p2b_339.006
Von einer Feder, einem Schwerte und einer Axt, nebenbei etwas von p2b_339.007
der Menschenhand; Jntermezzo als Arabeske; Wie der Merseburger Hofpoet p2b_339.008
gesungen haben würde; Der Herzog bestellt sein Zeughaus und wirbt sein Heer; p2b_339.009
Der Herzog meint die Harmonie zu finden; Der berühmte Chevalier von Pöllnitz p2b_339.010
am Merseburger Hofe; Etwas von dem alten Riesen Einheer; Der Herzog p2b_339.011
besiegt die Hydra der Revolution; Der Herzog bereist seine Staaten; Hier p2b_339.012
wird Spielzeug verfertigt; Eine Vision; Die Saiten klingen aus.
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Probe aus Nibelungen im Frack. (Ausg. 1877.)
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Mein Held ist traun, kein Riese, das könnt' uns schnell entzwein, p2b_339.015
Dir möcht' ein Wicht mein Riese, dein Ries' ein Zwerg mir sein; p2b_339.016
Er ist nicht so groß, daß Mißgunst ihn noch verkleinern wollte, p2b_339.017
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S. 18.
Sein Rößlein heißt Marotte, im Baß geht's statt im Paß, p2b_339.019
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(Vgl. hierher die Probe Bd. I. S. 605.)
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S. 41.
Sie wandern fröhlich weiter. Der Herzog plötzlich spricht: p2b_339.024
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„Sei's Windmühl oder Kirchturm, Entsetzen ist's zu sehn! p2b_339.028
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Und immer näher wallt es, hat Arme, Beine, Kopf p2b_339.030
Und steht vor ihnen endlich, ein Goliath mit steifem Zopf.
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Nach Ellen ist's zu messen vom Scheitel bis zur Ferse, p2b_339.032
Langbeinig, wie hier im Liede die Nibelungenverse; p2b_339.033
Sein Atem dröhnt, als blähten der Orgel Bälge sich. p2b_339.034
Der Herzog ruft fast zitternd: „Wer bist du und von wannen? sprich!“
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„„O! kennt ihr nicht den Jonas vom Regiment der Langen? p2b_339.036
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Nur nicht dem einen jungen, dem Riesen, den er selbst gezeugt.
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Wie Finkler im Gehege, wie auf der Beize Sperber, p2b_339.040
So locken Diplomaten, so packen uns die Werber; p2b_339.041
Wie Schlingen junge Füllen, so fangen uns Verträge, p2b_339.042
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Der Glanz hat seine Schatten. Seltsam hat sich's begeben, p2b_339.044
Der König kam uns mustern, als ich im Schenkhaus eben; p2b_339.045
Zufall, daß ich bisweilen kein musikalisch Ohr, p2b_339.046
Und mich der Trommel Wecker umsonst vom Schlafe rief empor.
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Zitationshilfe: | Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/361>, abgerufen am 16.07.2024. |