Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.p2b_293.001 p2b_293.009 p2b_293.013 Sechste Rune. p2b_293.015 Wäinämöinen alt und wahrhaft p2b_293.016 [Spaltenumbruch]
p2b_293.101Schickt sich an um aufzubrechen p2b_293.017 Nach dem Dorfe voller Kälte, p2b_293.018 Nach dem nimmerhellen Nordland. p2b_293.019 Nahm sein Roß, das strohhalmleichte, p2b_293.020 Dies sein erbsenstengelgleiches, p2b_293.021 Thut ihm an die goldnen Zügel, p2b_293.022 Legt ihm Riemen um voll Schönheit, p2b_293.023 Setzt sich selber auf den Rücken p2b_293.024 Vers 10. Und beginnt davonzureiten; p2b_293.025 Jaget hastig auf dem Wege p2b_293.026 Und durchmißt die Bahn geschwinde p2b_293.027 Mit dem Roß, dem strohhalmleichten, p2b_293.028 Mit dem erbsenstengelgleichen. p2b_293.029 Jagte durch Wäinöläs Fluren, p2b_293.030 Durch die Flächen Kalewalas, p2b_293.031 Ritt gar rasch mit seinem Rosse, p2b_293.032 Jmmer weiter von der Heimat, p2b_293.033 Kam schon an des Meeres Rücken, p2b_293.034 Vers 20. An die weitgedehnte Öde, p2b_293.035 Trocken blieb der Huf des Rosses, p2b_293.036 Unbefeuchtet seine Füße. p2b_293.037 Doch der junge Joukahainen, p2b_293.038 Dieser schwache Lappenjüngling, p2b_293.039 Hatte Groll seit langer Zeit her, p2b_293.040 War schon lange, lange neidisch p2b_293.041 Auf den alten Wäinämöinen, p2b_293.042 Auf den ew'gen Zaubersprecher. p2b_293.043 Macht zurecht den Feuerbogen, p2b_293.044 Vers 30. Schmückt die wunderschöne Wölbung, p2b_293.045 Bildet sie aus bestem Eisen, p2b_293.046 Gießt das Rückenstück aus Kupfer, p2b_293.047 Legt es aus mit gutem Golde, p2b_293.048 Läßt's an Silber auch nicht fehlen. p2b_293.049 Woher nimmt er wohl die Sehne, p2b_293.050 Woher mag den Strang er schaffen? Aus des Hüsi-Elenns Sehnen, p2b_293.102 [Ende Spaltensatz]
Aus des Lempo-Flachses Fäden. p2b_293.103 Fertig war des Bogens Krümmung, p2b_293.104 Vers 40. Fertig waren seine Enden, p2b_293.105 Schön von Anblick war der Bogen, p2b_293.106 Mußte wohl nicht wenig kosten; p2b_293.107 Auf dem Rücken stand ein Rößlein, p2b_293.108 An den Ecken lief ein Füllen, p2b_293.109 Auf der Wölbung schlief ein Bärlein, p2b_293.110 Und ein Hase an der Kerbe. p2b_293.111 Schnitzt' sich dann genug der Pfeile, p2b_293.112 Dreifach waren sie befiedert, p2b_293.113 Drechselte den Schaft aus Eisen, p2b_293.114 Vers 50. Macht' die Spitz' aus harz'gem Holze; p2b_293.115 War er mit dem Schnitzen fertig, p2b_293.116 So befiedert er die Pfeile p2b_293.117 Mit der Schwalbe schmalen Federn, p2b_293.118 Mit des Sperlings feinen Flügeln. p2b_293.119 Härtet dann die fert'gen Pfeile p2b_293.120 Und verleihet ihnen Schärfe p2b_293.121 Jn dem schwarzen Saft der Schlange, p2b_293.122 Jn dem Blute gift'ger Nattern. p2b_293.123 Fertig hatte er die Pfeile, p2b_293.124 Vers 60. Wohl bespannet seinen Bogen, p2b_293.125 Wartete auf Wäinämöinen, p2b_293.126 Daß den Wogenfreund er fasse, p2b_293.127 Spähet morgens, spähet abends, p2b_293.128 Spähet selbst zur Mittagsstunde. p2b_293.129 Wartet lang' auf Wäinämöinen, p2b_293.130 Wartet lange, wird nicht müde, p2b_293.131 Sitzet fleißig an dem Fenster, p2b_293.132 Wachet an des Zaunes Ecke, p2b_293.133 Horchet an des Weges Ende, p2b_293.134 Vers 70. Spähet an dem Ackersaume, p2b_293.135 Auf dem Rücken hängt der Köcher, p2b_293.136 Jn dem Arm der schöne Bogen. p2b_293.001 p2b_293.009 p2b_293.013 Sechste Rune. p2b_293.015 Wäinämöinen alt und wahrhaft p2b_293.016 [Spaltenumbruch]
p2b_293.101Schickt sich an um aufzubrechen p2b_293.017 Nach dem Dorfe voller Kälte, p2b_293.018 Nach dem nimmerhellen Nordland. p2b_293.019 Nahm sein Roß, das strohhalmleichte, p2b_293.020 Dies sein erbsenstengelgleiches, p2b_293.021 Thut ihm an die goldnen Zügel, p2b_293.022 Legt ihm Riemen um voll Schönheit, p2b_293.023 Setzt sich selber auf den Rücken p2b_293.024 Vers 10. Und beginnt davonzureiten; p2b_293.025 Jaget hastig auf dem Wege p2b_293.026 Und durchmißt die Bahn geschwinde p2b_293.027 Mit dem Roß, dem strohhalmleichten, p2b_293.028 Mit dem erbsenstengelgleichen. p2b_293.029 Jagte durch Wäinöläs Fluren, p2b_293.030 Durch die Flächen Kalewâlas, p2b_293.031 Ritt gar rasch mit seinem Rosse, p2b_293.032 Jmmer weiter von der Heimat, p2b_293.033 Kam schon an des Meeres Rücken, p2b_293.034 Vers 20. An die weitgedehnte Öde, p2b_293.035 Trocken blieb der Huf des Rosses, p2b_293.036 Unbefeuchtet seine Füße. p2b_293.037 Doch der junge Joukahainen, p2b_293.038 Dieser schwache Lappenjüngling, p2b_293.039 Hatte Groll seit langer Zeit her, p2b_293.040 War schon lange, lange neidisch p2b_293.041 Auf den alten Wäinämöinen, p2b_293.042 Auf den ew'gen Zaubersprecher. p2b_293.043 Macht zurecht den Feuerbogen, p2b_293.044 Vers 30. Schmückt die wunderschöne Wölbung, p2b_293.045 Bildet sie aus bestem Eisen, p2b_293.046 Gießt das Rückenstück aus Kupfer, p2b_293.047 Legt es aus mit gutem Golde, p2b_293.048 Läßt's an Silber auch nicht fehlen. p2b_293.049 Woher nimmt er wohl die Sehne, p2b_293.050 Woher mag den Strang er schaffen? Aus des Hüsi-Elenns Sehnen, p2b_293.102 [Ende Spaltensatz]
Aus des Lempo-Flachses Fäden. p2b_293.103 Fertig war des Bogens Krümmung, p2b_293.104 Vers 40. Fertig waren seine Enden, p2b_293.105 Schön von Anblick war der Bogen, p2b_293.106 Mußte wohl nicht wenig kosten; p2b_293.107 Auf dem Rücken stand ein Rößlein, p2b_293.108 An den Ecken lief ein Füllen, p2b_293.109 Auf der Wölbung schlief ein Bärlein, p2b_293.110 Und ein Hase an der Kerbe. p2b_293.111 Schnitzt' sich dann genug der Pfeile, p2b_293.112 Dreifach waren sie befiedert, p2b_293.113 Drechselte den Schaft aus Eisen, p2b_293.114 Vers 50. Macht' die Spitz' aus harz'gem Holze; p2b_293.115 War er mit dem Schnitzen fertig, p2b_293.116 So befiedert er die Pfeile p2b_293.117 Mit der Schwalbe schmalen Federn, p2b_293.118 Mit des Sperlings feinen Flügeln. p2b_293.119 Härtet dann die fert'gen Pfeile p2b_293.120 Und verleihet ihnen Schärfe p2b_293.121 Jn dem schwarzen Saft der Schlange, p2b_293.122 Jn dem Blute gift'ger Nattern. p2b_293.123 Fertig hatte er die Pfeile, p2b_293.124 Vers 60. Wohl bespannet seinen Bogen, p2b_293.125 Wartete auf Wäinämöinen, p2b_293.126 Daß den Wogenfreund er fasse, p2b_293.127 Spähet morgens, spähet abends, p2b_293.128 Spähet selbst zur Mittagsstunde. p2b_293.129 Wartet lang' auf Wäinämöinen, p2b_293.130 Wartet lange, wird nicht müde, p2b_293.131 Sitzet fleißig an dem Fenster, p2b_293.132 Wachet an des Zaunes Ecke, p2b_293.133 Horchet an des Weges Ende, p2b_293.134 Vers 70. Spähet an dem Ackersaume, p2b_293.135 Auf dem Rücken hängt der Köcher, p2b_293.136 Jn dem Arm der schöne Bogen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0315" n="293"/><lb n="p2b_293.001"/> zu haben. Aber er ist der Ansicht, daß z. B. die neu hinzugekommenen <lb n="p2b_293.002"/> 10,000 Verse der 2. Ausgabe nicht ebensoviel Verbesserungen seien, und daß <lb n="p2b_293.003"/> Lönnrot überhaupt nur dasjenige hätte aufnehmen sollen, was den Sampo <lb n="p2b_293.004"/> betreffe, wodurch dem Epos seine geschlossene Einheit gesichert geblieben wäre. <lb n="p2b_293.005"/> Für deren Mangel macht er Lönnrot verantwortlich, der die Erzählung von <lb n="p2b_293.006"/> den Sampokämpfen, die Abenteuer Ahti Lemminkainens und die tragischen <lb n="p2b_293.007"/> Schicksale Kullerwos als 3 große Stränge neben einander unverbunden herlaufen <lb n="p2b_293.008"/> lasse und dadurch die Einheit preisgegeben habe.</p> <p><lb n="p2b_293.009"/> Jedenfalls ist es berechtigt, die Kalew<hi rendition="#aq">â</hi>la auch als Schilderung jener <lb n="p2b_293.010"/> Kämpfe bedeutungsvoll zu nennen, welche bei Verdrängung der letzten Reste <lb n="p2b_293.011"/> der Urbevölkerung Finnlands durch die aus dem Süden eingewanderten tschudischen <lb n="p2b_293.012"/> Volksstämme sich ereigneten.</p> <p><lb n="p2b_293.013"/><hi rendition="#g">Probe aus Kalew<hi rendition="#aq">â</hi>la. (Übers. von</hi> A. <hi rendition="#g">Schiefner.</hi>)</p> <lb n="p2b_293.014"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Sechste Rune.</hi> </hi> <lb n="p2b_293.015"/> <cb type="start"/> <lg> <l>Wäinämöinen alt und wahrhaft</l> <lb n="p2b_293.016"/> <l> Schickt sich an um aufzubrechen</l> <lb n="p2b_293.017"/> <l> Nach dem Dorfe voller Kälte,</l> <lb n="p2b_293.018"/> <l> Nach dem nimmerhellen Nordland.</l> <lb n="p2b_293.019"/> <l>Nahm sein Roß, das strohhalmleichte,</l> <lb n="p2b_293.020"/> <l> Dies sein erbsenstengelgleiches,</l> <lb n="p2b_293.021"/> <l> Thut ihm an die goldnen Zügel,</l> <lb n="p2b_293.022"/> <l> Legt ihm Riemen um voll Schönheit,</l> <lb n="p2b_293.023"/> <l> Setzt sich selber auf den Rücken</l> <lb n="p2b_293.024"/> <l n="10."> Und beginnt davonzureiten;</l> <lb n="p2b_293.025"/> <l> Jaget hastig auf dem Wege</l> <lb n="p2b_293.026"/> <l> Und durchmißt die Bahn geschwinde</l> <lb n="p2b_293.027"/> <l> Mit dem Roß, dem strohhalmleichten,</l> <lb n="p2b_293.028"/> <l> Mit dem erbsenstengelgleichen.</l> <lb n="p2b_293.029"/> <l>Jagte durch Wäinöläs Fluren,</l> <lb n="p2b_293.030"/> <l> Durch die Flächen Kalew<hi rendition="#aq">â</hi>las,</l> <lb n="p2b_293.031"/> <l> Ritt gar rasch mit seinem Rosse,</l> <lb n="p2b_293.032"/> <l> Jmmer weiter von der Heimat,</l> <lb n="p2b_293.033"/> <l> Kam schon an des Meeres Rücken,</l> <lb n="p2b_293.034"/> <l n="20."> An die weitgedehnte Öde,</l> <lb n="p2b_293.035"/> <l> Trocken blieb der Huf des Rosses,</l> <lb n="p2b_293.036"/> <l> Unbefeuchtet seine Füße.</l> <lb n="p2b_293.037"/> <l>Doch der junge Joukahainen,</l> <lb n="p2b_293.038"/> <l> Dieser schwache Lappenjüngling,</l> <lb n="p2b_293.039"/> <l> Hatte Groll seit langer Zeit her,</l> <lb n="p2b_293.040"/> <l> War schon lange, lange neidisch</l> <lb n="p2b_293.041"/> <l> Auf den alten Wäinämöinen,</l> <lb n="p2b_293.042"/> <l> Auf den ew'gen Zaubersprecher.</l> <lb n="p2b_293.043"/> <l>Macht zurecht den Feuerbogen,</l> <lb n="p2b_293.044"/> <l n="30."> Schmückt die wunderschöne Wölbung,</l> <lb n="p2b_293.045"/> <l> Bildet sie aus bestem Eisen,</l> <lb n="p2b_293.046"/> <l> Gießt das Rückenstück aus Kupfer,</l> <lb n="p2b_293.047"/> <l> Legt es aus mit gutem Golde,</l> <lb n="p2b_293.048"/> <l> Läßt's an Silber auch nicht fehlen.</l> <lb n="p2b_293.049"/> <l>Woher nimmt er wohl die Sehne,</l> <lb n="p2b_293.050"/> <l> Woher mag den Strang er schaffen?</l> </lg> <cb/> <lb n="p2b_293.101"/> <lg> <l> Aus des Hüsi-Elenns Sehnen,</l> <lb n="p2b_293.102"/> <l> Aus des Lempo-Flachses Fäden.</l> <lb n="p2b_293.103"/> <l>Fertig war des Bogens Krümmung,</l> <lb n="p2b_293.104"/> <l n="40."> Fertig waren seine Enden,</l> <lb n="p2b_293.105"/> <l> Schön von Anblick war der Bogen,</l> <lb n="p2b_293.106"/> <l> Mußte wohl nicht wenig kosten;</l> <lb n="p2b_293.107"/> <l> Auf dem Rücken stand ein Rößlein,</l> <lb n="p2b_293.108"/> <l> An den Ecken lief ein Füllen,</l> <lb n="p2b_293.109"/> <l> Auf der Wölbung schlief ein Bärlein,</l> <lb n="p2b_293.110"/> <l> Und ein Hase an der Kerbe.</l> <lb n="p2b_293.111"/> <l>Schnitzt' sich dann genug der Pfeile,</l> <lb n="p2b_293.112"/> <l> Dreifach waren sie befiedert,</l> <lb n="p2b_293.113"/> <l> Drechselte den Schaft aus Eisen,</l> <lb n="p2b_293.114"/> <l n="50."> Macht' die Spitz' aus harz'gem Holze;</l> <lb n="p2b_293.115"/> <l> War er mit dem Schnitzen fertig,</l> <lb n="p2b_293.116"/> <l> So befiedert er die Pfeile</l> <lb n="p2b_293.117"/> <l> Mit der Schwalbe schmalen Federn,</l> <lb n="p2b_293.118"/> <l> Mit des Sperlings feinen Flügeln.</l> <lb n="p2b_293.119"/> <l>Härtet dann die fert'gen Pfeile</l> <lb n="p2b_293.120"/> <l> Und verleihet ihnen Schärfe</l> <lb n="p2b_293.121"/> <l> Jn dem schwarzen Saft der Schlange,</l> <lb n="p2b_293.122"/> <l> Jn dem Blute gift'ger Nattern.</l> <lb n="p2b_293.123"/> <l>Fertig hatte er die Pfeile,</l> <lb n="p2b_293.124"/> <l n="60."> Wohl bespannet seinen Bogen,</l> <lb n="p2b_293.125"/> <l> Wartete auf Wäinämöinen,</l> <lb n="p2b_293.126"/> <l> Daß den Wogenfreund er fasse,</l> <lb n="p2b_293.127"/> <l> Spähet morgens, spähet abends,</l> <lb n="p2b_293.128"/> <l> Spähet selbst zur Mittagsstunde.</l> <lb n="p2b_293.129"/> <l>Wartet lang' auf Wäinämöinen,</l> <lb n="p2b_293.130"/> <l> Wartet lange, wird nicht müde,</l> <lb n="p2b_293.131"/> <l> Sitzet fleißig an dem Fenster,</l> <lb n="p2b_293.132"/> <l> Wachet an des Zaunes Ecke,</l> <lb n="p2b_293.133"/> <l> Horchet an des Weges Ende,</l> <lb n="p2b_293.134"/> <l n="70."> Spähet an dem Ackersaume,</l> <lb n="p2b_293.135"/> <l> Auf dem Rücken hängt der Köcher,</l> <lb n="p2b_293.136"/> <l> Jn dem Arm der schöne Bogen.</l> </lg> <cb type="end"/> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [293/0315]
p2b_293.001
zu haben. Aber er ist der Ansicht, daß z. B. die neu hinzugekommenen p2b_293.002
10,000 Verse der 2. Ausgabe nicht ebensoviel Verbesserungen seien, und daß p2b_293.003
Lönnrot überhaupt nur dasjenige hätte aufnehmen sollen, was den Sampo p2b_293.004
betreffe, wodurch dem Epos seine geschlossene Einheit gesichert geblieben wäre. p2b_293.005
Für deren Mangel macht er Lönnrot verantwortlich, der die Erzählung von p2b_293.006
den Sampokämpfen, die Abenteuer Ahti Lemminkainens und die tragischen p2b_293.007
Schicksale Kullerwos als 3 große Stränge neben einander unverbunden herlaufen p2b_293.008
lasse und dadurch die Einheit preisgegeben habe.
p2b_293.009
Jedenfalls ist es berechtigt, die Kalewâla auch als Schilderung jener p2b_293.010
Kämpfe bedeutungsvoll zu nennen, welche bei Verdrängung der letzten Reste p2b_293.011
der Urbevölkerung Finnlands durch die aus dem Süden eingewanderten tschudischen p2b_293.012
Volksstämme sich ereigneten.
p2b_293.013
Probe aus Kalewâla. (Übers. von A. Schiefner.)
p2b_293.014
Sechste Rune. p2b_293.015
Wäinämöinen alt und wahrhaft p2b_293.016
Schickt sich an um aufzubrechen p2b_293.017
Nach dem Dorfe voller Kälte, p2b_293.018
Nach dem nimmerhellen Nordland. p2b_293.019
Nahm sein Roß, das strohhalmleichte, p2b_293.020
Dies sein erbsenstengelgleiches, p2b_293.021
Thut ihm an die goldnen Zügel, p2b_293.022
Legt ihm Riemen um voll Schönheit, p2b_293.023
Setzt sich selber auf den Rücken p2b_293.024
Und beginnt davonzureiten; p2b_293.025
Jaget hastig auf dem Wege p2b_293.026
Und durchmißt die Bahn geschwinde p2b_293.027
Mit dem Roß, dem strohhalmleichten, p2b_293.028
Mit dem erbsenstengelgleichen. p2b_293.029
Jagte durch Wäinöläs Fluren, p2b_293.030
Durch die Flächen Kalewâlas, p2b_293.031
Ritt gar rasch mit seinem Rosse, p2b_293.032
Jmmer weiter von der Heimat, p2b_293.033
Kam schon an des Meeres Rücken, p2b_293.034
An die weitgedehnte Öde, p2b_293.035
Trocken blieb der Huf des Rosses, p2b_293.036
Unbefeuchtet seine Füße. p2b_293.037
Doch der junge Joukahainen, p2b_293.038
Dieser schwache Lappenjüngling, p2b_293.039
Hatte Groll seit langer Zeit her, p2b_293.040
War schon lange, lange neidisch p2b_293.041
Auf den alten Wäinämöinen, p2b_293.042
Auf den ew'gen Zaubersprecher. p2b_293.043
Macht zurecht den Feuerbogen, p2b_293.044
Schmückt die wunderschöne Wölbung, p2b_293.045
Bildet sie aus bestem Eisen, p2b_293.046
Gießt das Rückenstück aus Kupfer, p2b_293.047
Legt es aus mit gutem Golde, p2b_293.048
Läßt's an Silber auch nicht fehlen. p2b_293.049
Woher nimmt er wohl die Sehne, p2b_293.050
Woher mag den Strang er schaffen?
p2b_293.101
Aus des Hüsi-Elenns Sehnen, p2b_293.102
Aus des Lempo-Flachses Fäden. p2b_293.103
Fertig war des Bogens Krümmung, p2b_293.104
Fertig waren seine Enden, p2b_293.105
Schön von Anblick war der Bogen, p2b_293.106
Mußte wohl nicht wenig kosten; p2b_293.107
Auf dem Rücken stand ein Rößlein, p2b_293.108
An den Ecken lief ein Füllen, p2b_293.109
Auf der Wölbung schlief ein Bärlein, p2b_293.110
Und ein Hase an der Kerbe. p2b_293.111
Schnitzt' sich dann genug der Pfeile, p2b_293.112
Dreifach waren sie befiedert, p2b_293.113
Drechselte den Schaft aus Eisen, p2b_293.114
Macht' die Spitz' aus harz'gem Holze; p2b_293.115
War er mit dem Schnitzen fertig, p2b_293.116
So befiedert er die Pfeile p2b_293.117
Mit der Schwalbe schmalen Federn, p2b_293.118
Mit des Sperlings feinen Flügeln. p2b_293.119
Härtet dann die fert'gen Pfeile p2b_293.120
Und verleihet ihnen Schärfe p2b_293.121
Jn dem schwarzen Saft der Schlange, p2b_293.122
Jn dem Blute gift'ger Nattern. p2b_293.123
Fertig hatte er die Pfeile, p2b_293.124
Wohl bespannet seinen Bogen, p2b_293.125
Wartete auf Wäinämöinen, p2b_293.126
Daß den Wogenfreund er fasse, p2b_293.127
Spähet morgens, spähet abends, p2b_293.128
Spähet selbst zur Mittagsstunde. p2b_293.129
Wartet lang' auf Wäinämöinen, p2b_293.130
Wartet lange, wird nicht müde, p2b_293.131
Sitzet fleißig an dem Fenster, p2b_293.132
Wachet an des Zaunes Ecke, p2b_293.133
Horchet an des Weges Ende, p2b_293.134
Spähet an dem Ackersaume, p2b_293.135
Auf dem Rücken hängt der Köcher, p2b_293.136
Jn dem Arm der schöne Bogen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/315 |
Zitationshilfe: | Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/315>, abgerufen am 23.07.2024. |