Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.p2b_271.001 p2b_271.011 p2b_271.021 Der Wassermann (Herders Werke 16. Bd. S. 363). p2b_271.023 "O Mutter, guten Rat mir leiht, p2b_271.024 Wie soll ich bekommen das schöne Maid?" p2b_271.025 Sie baut ihm ein Pferd von Wasser klar, p2b_271.026 Und Zaum und Sattel von Sande gar. p2b_271.027 Sie kleidet ihn an zum Ritter fein, p2b_271.028 So ritt er Marienkirchhof hinein. p2b_271.029 Er band sein Pferd an die Kirchenthür. p2b_271.030 Er ging um die Kirch' dreimal und vier. p2b_271.031 Der Wassermann in die Kirch' ging ein, p2b_271.032 Sie kamen um ihn, groß und klein. p2b_271.033 Der Priester eben stand vorm Altar; p2b_271.034 "Was kommt für ein blanker Ritter dar?" p2b_271.035 Das schöne Mädchen lacht in sich: p2b_271.036 "O wär der blanke Ritter für mich!" p2b_271.037 Er trat über einen Stuhl und zwei: p2b_271.038 "O Mädchen, gieb mir Wort und Treu." p2b_271.039 Er trat über Stühle drei und vier: p2b_271.040 "O schönes Mädchen, zieh' mit mir." p2b_271.041
Das schöne Mädchen die Hand ihm reicht': p2b_271.042 "Hier hast meine Treu', ich folg' dir leicht." p2b_271.001 p2b_271.011 p2b_271.021 Der Wassermann (Herders Werke 16. Bd. S. 363). p2b_271.023 „O Mutter, guten Rat mir leiht, p2b_271.024 Wie soll ich bekommen das schöne Maid?“ p2b_271.025 Sie baut ihm ein Pferd von Wasser klar, p2b_271.026 Und Zaum und Sattel von Sande gar. p2b_271.027 Sie kleidet ihn an zum Ritter fein, p2b_271.028 So ritt er Marienkirchhof hinein. p2b_271.029 Er band sein Pferd an die Kirchenthür. p2b_271.030 Er ging um die Kirch' dreimal und vier. p2b_271.031 Der Wassermann in die Kirch' ging ein, p2b_271.032 Sie kamen um ihn, groß und klein. p2b_271.033 Der Priester eben stand vorm Altar; p2b_271.034 „Was kommt für ein blanker Ritter dar?“ p2b_271.035 Das schöne Mädchen lacht in sich: p2b_271.036 „O wär der blanke Ritter für mich!“ p2b_271.037 Er trat über einen Stuhl und zwei: p2b_271.038 „O Mädchen, gieb mir Wort und Treu.“ p2b_271.039 Er trat über Stühle drei und vier: p2b_271.040 „O schönes Mädchen, zieh' mit mir.“ p2b_271.041
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die Macht des Schicksals; ein vermeintes Unglück löst sich auf in Lust und p2b_271.002
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und Romanmacher, als Variation in der Komposition? Die Farben ─ ja auch p2b_271.004
die Formen ─ sind wie im Kaleidoskop schon vorhanden. Einst können freilich p2b_271.005
auch die Variationen erschöpft werden, aber diese Erörterung liegt außerhalb p2b_271.006
menschlicher Berechnung. Jemehr der Dichter darauf ausgeht, absonderliche Situationen p2b_271.007
zu erfinden, umsomehr entfernt er sich von der Natur der ursprünglichen p2b_271.008
Volkspoesie; pikante Situationen haben nur das Jnteresse der Neuheit. p2b_271.009
Die Volksballaden, welche über die Zeit den Sieg davon getragen haben, beruhen p2b_271.010
auf den allereinfachsten Verhältnissen.
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6. Selbstverständlich muß der Balladendichter der deutschen Gegenwart p2b_271.012
sangbare Verse und Strophen bilden, wodurch ein Versmaß wie das des Hexameters p2b_271.013
von selbst ausgeschlossen ist. Am häufigsten findet man Jamben, mit p2b_271.014
eingemischten, die Bewegung erleichternden Anapästen, ferner meist männliche p2b_271.015
Endreime, wie Binnenreime neben Alitteration und Annomination. Außerdem p2b_271.016
Tonmalerei zur Hervorbringung der großen Wirkung, was indes (vgl. die Bürgschaft p2b_271.017
v. Schiller) auch für die Romanze gilt, welche nicht selten trochäische p2b_271.018
Verse mit weiblichen Reimen hat. Jn der leichten dem Volksliede abgelauschten p2b_271.019
Anwendung metrischer, sprachlicher Kunstmittel der Ballade liegt das Geheimnis p2b_271.020
ihrer gewaltigen Wirkung (Beispiel: Lenore, von Bürger).
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Beispiele der Ballade:
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Der Wassermann (Herders Werke 16. Bd. S. 363).
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„O Mutter, guten Rat mir leiht, p2b_271.024
Wie soll ich bekommen das schöne Maid?“
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Sie baut ihm ein Pferd von Wasser klar, p2b_271.026
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Sie kleidet ihn an zum Ritter fein, p2b_271.028
So ritt er Marienkirchhof hinein.
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Sie kamen um ihn, groß und klein.
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Er trat über Stühle drei und vier: p2b_271.040
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Das schöne Mädchen die Hand ihm reicht': p2b_271.042
„Hier hast meine Treu', ich folg' dir leicht.“
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