Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.p2b_214.001 Wo mein Kind sich zu holen gedenkt ihr kleines Bedürfnis, p2b_214.002
Kommen die Schnitzel allein, die euere Krämer uns bringen, p2b_214.003 Dessen, was ihr nicht mögt. Wie könnt' ich es besser denn machen, p2b_214.004 Als dazu dich zu brauchen (zu wenigem bist du zu brauchen, p2b_214.005 Sei's zu diesem mir nur!), durch dich dort gleich aus des Schönen p2b_214.006 Sammelverein zu bezieh'n das Gewählteste, ohne zu warten, p2b_214.007 Was auf dem Karren des Krämers der Gaul erst bringe des Zufalls. p2b_214.008 Wähle mit sinniger Hand, und denke, für wen und für welche! p2b_214.009 Wert sei's meiner Liebe für sie, wert deiner für mich auch. p2b_214.010 Aber das wär' unendlich, und hier gilt's Grenzen zu setzen. p2b_214.011 Also, wie breit und wie lang? So lang und so breit als genug ist, p2b_214.012 Nicht für ein Prunkgemach, ein fürstliches, sondern ein stilles p2b_214.013 Örtchen, wo er soll hangen, um keinerlei Ort zu beneiden. p2b_214.014 Also nur eben so lang, daß, wenn das Mädchen hineinschaut, p2b_214.015 Unter dem zierlichen Köpfchen der Hals auch noch und des Busens p2b_214.016 Oberste Ränder sich zeigen, die schwellenden, ohne daß drüber p2b_214.017 Über den Spiegel hinaus entrücket werde das Häubchen, p2b_214.018 Und desgleichen so breit nur wenigstens, daß ich zu höchster p2b_214.019 Not, wenn ich enge genug an die Schläf' ihr mich schmieg', in dem Glase p2b_214.020 Jhrem Gesicht zur Seite mein eigenes kann mit den dunkeln p2b_214.021 Locken sehn, wie die Wolke die schattende neben der Sonne. p2b_214.022 Suche nur recht was tüchtiges aus, und laß dich vom blöden p2b_214.023 Aug' einmal nicht berücken, du kannst ein andermal blind sein; p2b_214.024 Daß dir nicht etwa ein Flecken entgeh', und sei es ein kleiner, p2b_214.025 Der, nicht zufrieden im Glase zu stehn, auch auf das Gesicht sich p2b_214.026 Prägen will ihr, an der ich im Bild auch Flecken nicht dulde; p2b_214.027 Oder daß gar er mir sei von den tückischen einer, der Spiegel, p2b_214.028 Welche die gradesten Züge zu widriger Schiefe verzerren. p2b_214.029 Auch ein solcher nicht sei's, der, lebende Farben beneidend, p2b_214.030 Dämpft die Röte der Wangen zu totenähnlichem Bleigrau. p2b_214.031 Lieber auf feuchtem Grund, um die Wahl ein wenig zu dunkel, p2b_214.032 Mag er mein bräunliches Mädchen noch etwas bräuner mir malen. p2b_214.033 Wie nun von außen der Kern zu verzieren sei, oben und unten, p2b_214.034 Und an den Seiten umher, das steht, um deinen Geschmack auch p2b_214.035 Zeigen zu können, bei dir; nur wähle mir nichts zu modestes, p2b_214.036 Oder zu einfachedles, eh'r helle gefällige Farben. p2b_214.037 Götter der Lieb' auf dem Rahmen sind überflüssig; die Liebe, p2b_214.038 Die mir hinein soll schaun, sie kennt sie nicht, und sie bedarf's nicht. p2b_214.039 Eins nur bitt' ich zuletzt, du Lässiger, daß du mir diesmal p2b_214.040 Deine Gewohnheit änderst, und eilest, damit ich zur rechten p2b_214.041 Stunde das Liebesgeschenk aus deinen Händen empfange. p2b_214.042 Wenn ich den Boten dir send', und du sendest ihn leer mir zurücke, p2b_214.043 Und verderbst mir die Lust, die ich so schön mir geordnet! p2b_214.044 Denn schon hab' ich mich heimlich einmal zur Kammer geschlichen, p2b_214.045 Und in der Wand den Nagel befestiget, wo die Bescherung p2b_214.046 Hangen soll; am Vorabend des Markttags aber noch einmal p2b_214.047 Schleich' ich des Wegs, und bringe den heimlichen Markt in die Kammer. p2b_214.048 Ordnend alles geschickt und geschwind. Ei, daß du mir schöne p2b_214.049 Bänder nur auch nicht vergessest, daran der Spiegel soll hangen! p2b_214.050 Wenn sie dann kommt zur Ruhe zu gehn, und weiter nicht acht hat - p2b_214.051 Daß sie zum Schlafengehn mit keinem anderen Licht sich p2b_214.052 Leuchtet, als ihren Augen, ist eben zu meinem Betrug recht - p2b_214.053 Wenn sie dann morgens erwacht, und gleich mit dem ersten der Blicke p2b_214.054 Trifft auf das neue Gerät, ich wette, sie wähnet, sie träume. p2b_214.055 Wenn sie dann aber die Augen sich reibt, daß der Spiegel verschwinde, p2b_214.001 Wo mein Kind sich zu holen gedenkt ihr kleines Bedürfnis, p2b_214.002
Kommen die Schnitzel allein, die euere Krämer uns bringen, p2b_214.003 Dessen, was ihr nicht mögt. Wie könnt' ich es besser denn machen, p2b_214.004 Als dazu dich zu brauchen (zu wenigem bist du zu brauchen, p2b_214.005 Sei's zu diesem mir nur!), durch dich dort gleich aus des Schönen p2b_214.006 Sammelverein zu bezieh'n das Gewählteste, ohne zu warten, p2b_214.007 Was auf dem Karren des Krämers der Gaul erst bringe des Zufalls. p2b_214.008 Wähle mit sinniger Hand, und denke, für wen und für welche! p2b_214.009 Wert sei's meiner Liebe für sie, wert deiner für mich auch. p2b_214.010 Aber das wär' unendlich, und hier gilt's Grenzen zu setzen. p2b_214.011 Also, wie breit und wie lang? So lang und so breit als genug ist, p2b_214.012 Nicht für ein Prunkgemach, ein fürstliches, sondern ein stilles p2b_214.013 Örtchen, wo er soll hangen, um keinerlei Ort zu beneiden. p2b_214.014 Also nur eben so lang, daß, wenn das Mädchen hineinschaut, p2b_214.015 Unter dem zierlichen Köpfchen der Hals auch noch und des Busens p2b_214.016 Oberste Ränder sich zeigen, die schwellenden, ohne daß drüber p2b_214.017 Über den Spiegel hinaus entrücket werde das Häubchen, p2b_214.018 Und desgleichen so breit nur wenigstens, daß ich zu höchster p2b_214.019 Not, wenn ich enge genug an die Schläf' ihr mich schmieg', in dem Glase p2b_214.020 Jhrem Gesicht zur Seite mein eigenes kann mit den dunkeln p2b_214.021 Locken sehn, wie die Wolke die schattende neben der Sonne. p2b_214.022 Suche nur recht was tüchtiges aus, und laß dich vom blöden p2b_214.023 Aug' einmal nicht berücken, du kannst ein andermal blind sein; p2b_214.024 Daß dir nicht etwa ein Flecken entgeh', und sei es ein kleiner, p2b_214.025 Der, nicht zufrieden im Glase zu stehn, auch auf das Gesicht sich p2b_214.026 Prägen will ihr, an der ich im Bild auch Flecken nicht dulde; p2b_214.027 Oder daß gar er mir sei von den tückischen einer, der Spiegel, p2b_214.028 Welche die gradesten Züge zu widriger Schiefe verzerren. p2b_214.029 Auch ein solcher nicht sei's, der, lebende Farben beneidend, p2b_214.030 Dämpft die Röte der Wangen zu totenähnlichem Bleigrau. p2b_214.031 Lieber auf feuchtem Grund, um die Wahl ein wenig zu dunkel, p2b_214.032 Mag er mein bräunliches Mädchen noch etwas bräuner mir malen. p2b_214.033 Wie nun von außen der Kern zu verzieren sei, oben und unten, p2b_214.034 Und an den Seiten umher, das steht, um deinen Geschmack auch p2b_214.035 Zeigen zu können, bei dir; nur wähle mir nichts zu modestes, p2b_214.036 Oder zu einfachedles, eh'r helle gefällige Farben. p2b_214.037 Götter der Lieb' auf dem Rahmen sind überflüssig; die Liebe, p2b_214.038 Die mir hinein soll schaun, sie kennt sie nicht, und sie bedarf's nicht. p2b_214.039 Eins nur bitt' ich zuletzt, du Lässiger, daß du mir diesmal p2b_214.040 Deine Gewohnheit änderst, und eilest, damit ich zur rechten p2b_214.041 Stunde das Liebesgeschenk aus deinen Händen empfange. p2b_214.042 Wenn ich den Boten dir send', und du sendest ihn leer mir zurücke, p2b_214.043 Und verderbst mir die Lust, die ich so schön mir geordnet! p2b_214.044 Denn schon hab' ich mich heimlich einmal zur Kammer geschlichen, p2b_214.045 Und in der Wand den Nagel befestiget, wo die Bescherung p2b_214.046 Hangen soll; am Vorabend des Markttags aber noch einmal p2b_214.047 Schleich' ich des Wegs, und bringe den heimlichen Markt in die Kammer. p2b_214.048 Ordnend alles geschickt und geschwind. Ei, daß du mir schöne p2b_214.049 Bänder nur auch nicht vergessest, daran der Spiegel soll hangen! p2b_214.050 Wenn sie dann kommt zur Ruhe zu gehn, und weiter nicht acht hat ─ p2b_214.051 Daß sie zum Schlafengehn mit keinem anderen Licht sich p2b_214.052 Leuchtet, als ihren Augen, ist eben zu meinem Betrug recht ─ p2b_214.053 Wenn sie dann morgens erwacht, und gleich mit dem ersten der Blicke p2b_214.054 Trifft auf das neue Gerät, ich wette, sie wähnet, sie träume. p2b_214.055 Wenn sie dann aber die Augen sich reibt, daß der Spiegel verschwinde, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0236" n="214"/> <lb n="p2b_214.001"/> <lg> <l>Wo mein Kind sich zu holen gedenkt ihr kleines Bedürfnis,</l> <lb n="p2b_214.002"/> <l>Kommen die Schnitzel allein, die euere Krämer uns bringen,</l> <lb n="p2b_214.003"/> <l>Dessen, was ihr nicht mögt. 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Wo mein Kind sich zu holen gedenkt ihr kleines Bedürfnis, p2b_214.002
Kommen die Schnitzel allein, die euere Krämer uns bringen, p2b_214.003
Dessen, was ihr nicht mögt. Wie könnt' ich es besser denn machen, p2b_214.004
Als dazu dich zu brauchen (zu wenigem bist du zu brauchen, p2b_214.005
Sei's zu diesem mir nur!), durch dich dort gleich aus des Schönen p2b_214.006
Sammelverein zu bezieh'n das Gewählteste, ohne zu warten, p2b_214.007
Was auf dem Karren des Krämers der Gaul erst bringe des Zufalls. p2b_214.008
Wähle mit sinniger Hand, und denke, für wen und für welche! p2b_214.009
Wert sei's meiner Liebe für sie, wert deiner für mich auch. p2b_214.010
Aber das wär' unendlich, und hier gilt's Grenzen zu setzen. p2b_214.011
Also, wie breit und wie lang? So lang und so breit als genug ist, p2b_214.012
Nicht für ein Prunkgemach, ein fürstliches, sondern ein stilles p2b_214.013
Örtchen, wo er soll hangen, um keinerlei Ort zu beneiden. p2b_214.014
Also nur eben so lang, daß, wenn das Mädchen hineinschaut, p2b_214.015
Unter dem zierlichen Köpfchen der Hals auch noch und des Busens p2b_214.016
Oberste Ränder sich zeigen, die schwellenden, ohne daß drüber p2b_214.017
Über den Spiegel hinaus entrücket werde das Häubchen, p2b_214.018
Und desgleichen so breit nur wenigstens, daß ich zu höchster p2b_214.019
Not, wenn ich enge genug an die Schläf' ihr mich schmieg', in dem Glase p2b_214.020
Jhrem Gesicht zur Seite mein eigenes kann mit den dunkeln p2b_214.021
Locken sehn, wie die Wolke die schattende neben der Sonne. p2b_214.022
Suche nur recht was tüchtiges aus, und laß dich vom blöden p2b_214.023
Aug' einmal nicht berücken, du kannst ein andermal blind sein; p2b_214.024
Daß dir nicht etwa ein Flecken entgeh', und sei es ein kleiner, p2b_214.025
Der, nicht zufrieden im Glase zu stehn, auch auf das Gesicht sich p2b_214.026
Prägen will ihr, an der ich im Bild auch Flecken nicht dulde; p2b_214.027
Oder daß gar er mir sei von den tückischen einer, der Spiegel, p2b_214.028
Welche die gradesten Züge zu widriger Schiefe verzerren. p2b_214.029
Auch ein solcher nicht sei's, der, lebende Farben beneidend, p2b_214.030
Dämpft die Röte der Wangen zu totenähnlichem Bleigrau. p2b_214.031
Lieber auf feuchtem Grund, um die Wahl ein wenig zu dunkel, p2b_214.032
Mag er mein bräunliches Mädchen noch etwas bräuner mir malen. p2b_214.033
Wie nun von außen der Kern zu verzieren sei, oben und unten, p2b_214.034
Und an den Seiten umher, das steht, um deinen Geschmack auch p2b_214.035
Zeigen zu können, bei dir; nur wähle mir nichts zu modestes, p2b_214.036
Oder zu einfachedles, eh'r helle gefällige Farben. p2b_214.037
Götter der Lieb' auf dem Rahmen sind überflüssig; die Liebe, p2b_214.038
Die mir hinein soll schaun, sie kennt sie nicht, und sie bedarf's nicht. p2b_214.039
Eins nur bitt' ich zuletzt, du Lässiger, daß du mir diesmal p2b_214.040
Deine Gewohnheit änderst, und eilest, damit ich zur rechten p2b_214.041
Stunde das Liebesgeschenk aus deinen Händen empfange. p2b_214.042
Wenn ich den Boten dir send', und du sendest ihn leer mir zurücke, p2b_214.043
Und verderbst mir die Lust, die ich so schön mir geordnet! p2b_214.044
Denn schon hab' ich mich heimlich einmal zur Kammer geschlichen, p2b_214.045
Und in der Wand den Nagel befestiget, wo die Bescherung p2b_214.046
Hangen soll; am Vorabend des Markttags aber noch einmal p2b_214.047
Schleich' ich des Wegs, und bringe den heimlichen Markt in die Kammer. p2b_214.048
Ordnend alles geschickt und geschwind. Ei, daß du mir schöne p2b_214.049
Bänder nur auch nicht vergessest, daran der Spiegel soll hangen! p2b_214.050
Wenn sie dann kommt zur Ruhe zu gehn, und weiter nicht acht hat ─ p2b_214.051
Daß sie zum Schlafengehn mit keinem anderen Licht sich p2b_214.052
Leuchtet, als ihren Augen, ist eben zu meinem Betrug recht ─ p2b_214.053
Wenn sie dann morgens erwacht, und gleich mit dem ersten der Blicke p2b_214.054
Trifft auf das neue Gerät, ich wette, sie wähnet, sie träume. p2b_214.055
Wenn sie dann aber die Augen sich reibt, daß der Spiegel verschwinde,
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Zitationshilfe: | Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/236>, abgerufen am 23.07.2024. |