Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.p2b_198.001 a. De Krone der Schepfung, von Edwin Bormann. p2b_198.003 So manches Wunder beit das Erdenlewen, p2b_198.005 Was mächtig eine Dichterseele riehrt; p2b_198.006 Allein schon Sophokles hat zugegewen, p2b_198.007 Daß dir, o Mensch, der erste Preis gebiehrt. p2b_198.008 Die Krone aber - setz' ich gleich danewen - p2b_198.009 Das is der Mensch, den Leibzig produziert! p2b_198.010 Un' dieses Kleinod unsrer Muddererde p2b_198.011 Besing' ich jetzt von hohen Fliegelferde. p2b_198.012 Fer's erste is der Leibz'ger hellisch helle, p2b_198.013 Un' sein Gemieth is edel, groß un' weit. p2b_198.014 Denn wenn Kollege Schiller sagt in Telle: p2b_198.015 "De braune Liesel kenn' ich an Geleit'" - p2b_198.016 Das Leibz'ger Kind erkennst de uff der Stelle p2b_198.017 An seiner Hellig= un' Gemiethlichkeit. p2b_198.018 Dies Erbstick zeigt von Seigling bis zum Greise p2b_198.019 Ä jeder Leibz'ger in frabbanter Weise. p2b_198.020 Wenn irgend meglich, weeß er "zu genießen p2b_198.021 Mit Wehmut dieses Lewens Unverstand." p2b_198.022 Durch Musen läßt fei' Dasein er versießen, p2b_198.023 Sie sinn (wie Geedhe spricht) ihn "wahlverwandt"; p2b_198.024 Andächtig ruht er zu der Weisheit Fießen, p2b_198.025 Js aufgeklärt, human un' dolerant; p2b_198.026 Engherz'ges Handeln stimmt ihn miß un' triewe, p2b_198.027 Denn seine Forsche is de Menschenliewe. p2b_198.028 Un' eine seiner vordheilhaftsten Seiden - p2b_198.029 King Lear bemerkt ganz richtig: "last, not least" p2b_198.030 Das is der Fortschritt, dem zu allen Zeiden p2b_198.031 Er Haus un' Herz un' Dhor un' Brust erschließt. p2b_198.032 Es is fier ihn ä Urquell reenster Freiden, p2b_198.033 Wenn wo was "Neies aus Ruinen sprießt", p2b_198.034 Den jungen Keimen wird er Hort un' Hieder; p2b_198.035 Nischt is ihm mehr als alter Zopp zewieder. p2b_198.036
Kurzum: ä Menschenschlag grassiert in Leibzig, p2b_198.037 Wie ihn kein kiehnster Traum vollkommner treimt. p2b_198.038 - Die Mähne meines Begasusses streibt sich, p2b_198.039 Stolz weht sei' Schweif, un' seine Zunge scheimt: p2b_198.040 Er ahnt, womit sei' Herr de Zeit vertreibt sich, p2b_198.041 Er ahnt, was ich gesungen, was gereimt! p2b_198.042 Mich selwer awer backt ä wonnig Schauern: p2b_198.043 Auch meine Wiege stand in Leibzigs Mauern! p2b_198.001 a. De Krone der Schepfung, von Edwin Bormann. p2b_198.003 So manches Wunder beit das Erdenlewen, p2b_198.005 Was mächtig eine Dichterseele riehrt; p2b_198.006 Allein schon Sophokles hat zugegewen, p2b_198.007 Daß dir, o Mensch, der erste Preis gebiehrt. p2b_198.008 Die Krone aber ─ setz' ich gleich danewen ─ p2b_198.009 Das is der Mensch, den Leibzig produziert! p2b_198.010 Un' dieses Kleinod unsrer Muddererde p2b_198.011 Besing' ich jetzt von hohen Fliegelferde. p2b_198.012 Fer's erste is der Leibz'ger hellisch helle, p2b_198.013 Un' sein Gemieth is edel, groß un' weit. p2b_198.014 Denn wenn Kollege Schiller sagt in Telle: p2b_198.015 „De braune Liesel kenn' ich an Geleit'“ ─ p2b_198.016 Das Leibz'ger Kind erkennst de uff der Stelle p2b_198.017 An seiner Hellig= un' Gemiethlichkeit. p2b_198.018 Dies Erbstick zeigt von Seigling bis zum Greise p2b_198.019 Ä jeder Leibz'ger in frabbanter Weise. p2b_198.020 Wenn irgend meglich, weeß er „zu genießen p2b_198.021 Mit Wehmut dieses Lewens Unverstand.“ p2b_198.022 Durch Musen läßt fei' Dasein er versießen, p2b_198.023 Sie sinn (wie Geedhe spricht) ihn „wahlverwandt“; p2b_198.024 Andächtig ruht er zu der Weisheit Fießen, p2b_198.025 Js aufgeklärt, human un' dolerant; p2b_198.026 Engherz'ges Handeln stimmt ihn miß un' triewe, p2b_198.027 Denn seine Forsche is de Menschenliewe. p2b_198.028 Un' eine seiner vordheilhaftsten Seiden ─ p2b_198.029 King Lear bemerkt ganz richtig: „last, not least“ p2b_198.030 Das is der Fortschritt, dem zu allen Zeiden p2b_198.031 Er Haus un' Herz un' Dhor un' Brust erschließt. p2b_198.032 Es is fier ihn ä Urquell reenster Freiden, p2b_198.033 Wenn wo was „Neies aus Ruinen sprießt“, p2b_198.034 Den jungen Keimen wird er Hort un' Hieder; p2b_198.035 Nischt is ihm mehr als alter Zopp zewieder. p2b_198.036
Kurzum: ä Menschenschlag grassiert in Leibzig, p2b_198.037 Wie ihn kein kiehnster Traum vollkommner treimt. p2b_198.038 ─ Die Mähne meines Begasusses streibt sich, p2b_198.039 Stolz weht sei' Schweif, un' seine Zunge scheimt: p2b_198.040 Er ahnt, womit sei' Herr de Zeit vertreibt sich, p2b_198.041 Er ahnt, was ich gesungen, was gereimt! p2b_198.042 Mich selwer awer backt ä wonnig Schauern: p2b_198.043 Auch meine Wiege stand in Leibzigs Mauern! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0220" n="198"/> <p> <lb n="p2b_198.001"/> <hi rendition="#g">Beispiele der humoristischen Dichtungen.</hi> </p> <lb n="p2b_198.002"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">a</hi>. <hi rendition="#g">De Krone der Schepfung, von Edwin Bormann.</hi><lb n="p2b_198.003"/> (Aus den Dagebuche eines alten Leibzigers.)</hi> </p> <lb n="p2b_198.004"/> <lg> <l>So manches Wunder beit das Erdenlewen,</l> <lb n="p2b_198.005"/> <l>Was mächtig eine Dichterseele riehrt;</l> <lb n="p2b_198.006"/> <l>Allein schon Sophokles hat zugegewen,</l> <lb n="p2b_198.007"/> <l>Daß dir, o Mensch, der erste Preis gebiehrt.</l> <lb n="p2b_198.008"/> <l>Die Krone aber ─ setz' ich gleich danewen ─</l> <lb n="p2b_198.009"/> <l>Das is der Mensch, den Leibzig produziert!</l> <lb n="p2b_198.010"/> <l>Un' dieses Kleinod unsrer Muddererde</l> <lb n="p2b_198.011"/> <l>Besing' ich jetzt von hohen Fliegelferde. </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_198.012"/> <l>Fer's erste is der Leibz'ger hellisch helle,</l> <lb n="p2b_198.013"/> <l>Un' sein Gemieth is edel, groß un' weit.</l> <lb n="p2b_198.014"/> <l>Denn wenn Kollege Schiller sagt in Telle:</l> <lb n="p2b_198.015"/> <l>„De braune Liesel kenn' ich an Geleit'“ ─</l> <lb n="p2b_198.016"/> <l>Das Leibz'ger Kind erkennst de uff der Stelle</l> <lb n="p2b_198.017"/> <l>An seiner Hellig= un' Gemiethlichkeit.</l> <lb n="p2b_198.018"/> <l>Dies Erbstick zeigt von Seigling bis zum Greise</l> <lb n="p2b_198.019"/> <l>Ä jeder Leibz'ger in frabbanter Weise. </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_198.020"/> <l>Wenn irgend meglich, weeß er „zu genießen</l> <lb n="p2b_198.021"/> <l>Mit Wehmut dieses Lewens Unverstand.“</l> <lb n="p2b_198.022"/> <l>Durch Musen läßt fei' Dasein er versießen,</l> <lb n="p2b_198.023"/> <l>Sie sinn (wie Geedhe spricht) ihn „wahlverwandt“;</l> <lb n="p2b_198.024"/> <l>Andächtig ruht er zu der Weisheit Fießen,</l> <lb n="p2b_198.025"/> <l>Js aufgeklärt, human un' dolerant;</l> <lb n="p2b_198.026"/> <l>Engherz'ges Handeln stimmt ihn miß un' triewe,</l> <lb n="p2b_198.027"/> <l>Denn seine Forsche is de Menschenliewe. </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_198.028"/> <l>Un' eine seiner vordheilhaftsten Seiden ─</l> <lb n="p2b_198.029"/> <l><hi rendition="#aq">King Lear</hi> bemerkt ganz richtig: „<hi rendition="#aq">last, not least</hi>“</l> <lb n="p2b_198.030"/> <l>Das is der Fortschritt, dem zu allen Zeiden</l> <lb n="p2b_198.031"/> <l>Er Haus un' Herz un' Dhor un' Brust erschließt.</l> <lb n="p2b_198.032"/> <l>Es is fier ihn ä Urquell reenster Freiden,</l> <lb n="p2b_198.033"/> <l>Wenn wo was „Neies aus Ruinen sprießt“,</l> <lb n="p2b_198.034"/> <l>Den jungen Keimen wird er Hort un' Hieder;</l> <lb n="p2b_198.035"/> <l>Nischt is ihm mehr als alter Zopp zewieder. </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_198.036"/> <l>Kurzum: ä Menschenschlag grassiert in Leibzig,</l> <lb n="p2b_198.037"/> <l>Wie ihn kein kiehnster Traum vollkommner treimt.</l> <lb n="p2b_198.038"/> <l>─ Die Mähne meines Begasusses streibt sich,</l> <lb n="p2b_198.039"/> <l>Stolz weht sei' Schweif, un' seine Zunge scheimt:</l> <lb n="p2b_198.040"/> <l>Er ahnt, womit sei' Herr de Zeit vertreibt sich,</l> <lb n="p2b_198.041"/> <l>Er ahnt, was ich gesungen, was gereimt!</l> <lb n="p2b_198.042"/> <l>Mich selwer awer backt ä wonnig Schauern:</l> <lb n="p2b_198.043"/> <l>Auch meine Wiege stand in Leibzigs Mauern!</l> </lg> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [198/0220]
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Beispiele der humoristischen Dichtungen.
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(Aus den Dagebuche eines alten Leibzigers.)
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Denn seine Forsche is de Menschenliewe.
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Un' eine seiner vordheilhaftsten Seiden ─ p2b_198.029
King Lear bemerkt ganz richtig: „last, not least“ p2b_198.030
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Er Haus un' Herz un' Dhor un' Brust erschließt. p2b_198.032
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Den jungen Keimen wird er Hort un' Hieder; p2b_198.035
Nischt is ihm mehr als alter Zopp zewieder.
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Kurzum: ä Menschenschlag grassiert in Leibzig, p2b_198.037
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Auch meine Wiege stand in Leibzigs Mauern!
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