p2b_174.002 1. Sinnbilder sind symbolische Gedichte, welche keinen religiösen p2b_174.003 Charakter haben, auch nicht die Sprache der biblischen Gleichnisse p2b_174.004 nachahmen, sondern im Bilde eine allgemeine Wahrheit darstellen, ohne p2b_174.005 Lob oder Tadel (vgl. § 91 das Sinngedicht). Sie sind der Ausdruck p2b_174.006 einer übersinnlichen Wahrheit durch etwas Sichtbares, durch die Sinne p2b_174.007 Wahrnehmbares.
p2b_174.008 2. Sie unterscheiden sich von der Allegorie und vom Gleichnis. p2b_174.009 (S. Bd. I. § 35. und § 39.)
p2b_174.010 1. Jmmer sind es menschliche Gefühle, Jdeen und Zustände, welche p2b_174.011 im Sinnbilde gezeichnet werden. Das Sinnbild bedeutet wie die Allegorie p2b_174.012 etwas anderes, als es äußerlich darstellt.
p2b_174.013 2. Doch unterscheidet es sich von der Allegorie dadurch, daß es immer p2b_174.014 nur ein Symbol für einen sinnlichen Gegenstand giebt, während die Allegorie p2b_174.015 eine Reihe Symbole zu einem Ganzen vereint, zu einem Sinnbild für eine p2b_174.016 Jdee. (Vgl. § 83.) Die einzelnen Jdeen des Ganzen entsprechen den einzelnen p2b_174.017 Eigenschaften des sinnlichen Gegenstandes.
p2b_174.018 Vom Vergleich unterscheidet sich das Sinnbild dadurch, daß jener die p2b_174.019 Sache nicht statt der andern nennt, sondern nur neben ihr.
p2b_174.020 Rückert definiert den Begriff des Sinnbilds folgendermaßen: p2b_174.021
Was ist ein Sinnbild? Was der schöne Name meint:p2b_174.022 Ein Sinn mit einem Bild auf's innigste vereint.
p2b_174.023 Ein tiefer Sinn, der in ein schönes Bild sich senkt,p2b_174.024 Ein schönes Bild, bei dem ein tiefer Sinn sich denkt.
p2b_174.025 Schön sei das Bild und klar, tief sei der Sinn und wahr,p2b_174.026 Und mit einander eins untrennbar sei das Paar.
p2b_174.027 (Ges. Ausg. VIII. 43.)
p2b_174.028 Beispiele des Sinnbildes.
p2b_174.029 Den Gärtnern, von Rückert.p2b_174.030
Jch zog eine Wind' am Zaune;p2b_174.031 Und was sich nicht wollte windenp2b_174.032 Von Ranken nach meiner Laune,p2b_174.033 Begann ich denn anzubinden,p2b_174.034 Und dachte, für meine Mühenp2b_174.035 Sollt' es nun fröhlich blühen.
p2b_174.036 Doch bald hab' ich gefunden,p2b_174.037 Daß ich umsonst mich mühte;p2b_174.038 Nicht, was ich angebunden,p2b_174.039 War was am schönsten blühte,p2b_174.040 Sondern was ich ließ rankenp2b_174.041 Nach seinen eignen Gedanken.
p2b_174.042 (Sinn: Die Erziehung darf natürliche Triebe und Anlagen nicht hemmen.)
p2b_174.001
§ 82. Sinnbild.
p2b_174.002 1. Sinnbilder sind symbolische Gedichte, welche keinen religiösen p2b_174.003 Charakter haben, auch nicht die Sprache der biblischen Gleichnisse p2b_174.004 nachahmen, sondern im Bilde eine allgemeine Wahrheit darstellen, ohne p2b_174.005 Lob oder Tadel (vgl. § 91 das Sinngedicht). Sie sind der Ausdruck p2b_174.006 einer übersinnlichen Wahrheit durch etwas Sichtbares, durch die Sinne p2b_174.007 Wahrnehmbares.
p2b_174.008 2. Sie unterscheiden sich von der Allegorie und vom Gleichnis. p2b_174.009 (S. Bd. I. § 35. und § 39.)
p2b_174.010 1. Jmmer sind es menschliche Gefühle, Jdeen und Zustände, welche p2b_174.011 im Sinnbilde gezeichnet werden. Das Sinnbild bedeutet wie die Allegorie p2b_174.012 etwas anderes, als es äußerlich darstellt.
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p2b_174.018 Vom Vergleich unterscheidet sich das Sinnbild dadurch, daß jener die p2b_174.019 Sache nicht statt der andern nennt, sondern nur neben ihr.
p2b_174.020 Rückert definiert den Begriff des Sinnbilds folgendermaßen: p2b_174.021
Was ist ein Sinnbild? Was der schöne Name meint:p2b_174.022 Ein Sinn mit einem Bild auf's innigste vereint.
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p2b_174.025 Schön sei das Bild und klar, tief sei der Sinn und wahr,p2b_174.026 Und mit einander eins untrennbar sei das Paar.
p2b_174.027 (Ges. Ausg. VIII. 43.)
p2b_174.028 Beispiele des Sinnbildes.
p2b_174.029 Den Gärtnern, von Rückert.p2b_174.030
Jch zog eine Wind' am Zaune;p2b_174.031 Und was sich nicht wollte windenp2b_174.032 Von Ranken nach meiner Laune,p2b_174.033 Begann ich denn anzubinden,p2b_174.034 Und dachte, für meine Mühenp2b_174.035 Sollt' es nun fröhlich blühen.
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1. Sinnbilder sind symbolische Gedichte, welche keinen religiösen p2b_174.003
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einer übersinnlichen Wahrheit durch etwas Sichtbares, durch die Sinne p2b_174.007
Wahrnehmbares.
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(S. Bd. I. § 35. und § 39.)
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1. Jmmer sind es menschliche Gefühle, Jdeen und Zustände, welche p2b_174.011
im Sinnbilde gezeichnet werden. Das Sinnbild bedeutet wie die Allegorie p2b_174.012
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2. Doch unterscheidet es sich von der Allegorie dadurch, daß es immer p2b_174.014
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Rückert definiert den Begriff des Sinnbilds folgendermaßen: p2b_174.021
Was ist ein Sinnbild? Was der schöne Name meint: p2b_174.022
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Schön sei das Bild und klar, tief sei der Sinn und wahr, p2b_174.026
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(Ges. Ausg. VIII. 43.)
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Beispiele des Sinnbildes.
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Den Gärtnern, von Rückert. p2b_174.030
Jch zog eine Wind' am Zaune; p2b_174.031
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(Sinn: Die Erziehung darf natürliche Triebe und Anlagen nicht hemmen.)
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/196>, abgerufen am 01.07.2024.
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