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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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Hast Welten erleuchtet und Welten erwärmt, p2b_141.002
Den Schoß der Erde befruchtet, p2b_141.003
Die schwellenden Knospen gerötet, p2b_141.004
Der Blumen Kelche geöffnet, p2b_141.005
Die grünen Saaten gezeitigt, p2b_141.006
Hast Welten gesäugt und Welten erquickt - p2b_141.007
Geliebt und Liebe geerntet, p2b_141.008
Gesegnet und rings mit Segnungen p2b_141.009
Dein rollendes Haar bekränzt.
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Schlummre sanft p2b_141.011
Nach den Schweißen des Tags! p2b_141.012
Erwache freudig p2b_141.013
Nach verjüngendem Schlummer! p2b_141.014
Erwach', ein junger freudiger Held! p2b_141.015
Erwach' zu neuen Thaten! p2b_141.016
Dein harrt die lechzende Schöpfung; p2b_141.017
Dein harren die Au' und Wiesen; p2b_141.018
Dein harren Vögel und Herden; p2b_141.019
Dein harrt der Wandrer im Dunkeln; p2b_141.020
Dein harrt der Schiffer in Stürmen; p2b_141.021
Dein harrt der Kranke im Siechbett; p2b_141.022
Dein harret der Wonnen seligste: p2b_141.023
Die Wonne liebend geliebt zu sein! p2b_141.024
Der Seligkeiten unausredbarste: p2b_141.025
Selber beseligt zu sein, derweil du andre beseligst. p2b_141.026
Sink' in Frieden! p2b_141.027
Schlummr' in Ruhe! p2b_141.028
Erwach' in Entzückungen, Sonne!
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§ 73. Hymnus (Hymne).

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Ein, in der höchsten Begeisterung gesungenes, religiöses Lied, eine p2b_141.031
religiöse, dem Preise der Gottheit gewidmete Ode, welche zum Lob= p2b_141.032
und Preis-Gesang auf Gott, auf Christus, auf die Wohlthaten der p2b_141.033
Naturmächte, auch auf irdische, wie Götter gefeierte Personen sich gestaltet p2b_141.034
und in welchem Andacht und Bewunderung sich vereinigen, p2b_141.035
wird Hymne (umnos Lobgesang, Preis einer Gottheit, von umnein p2b_141.036
== preisen, besingen) oder Hymnus genannt.

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Sie stimmt in Behandlung des Stoffes, in Sprache und Rhythmus ganz p2b_141.038
mit der Ode überein und unterscheidet sich von ihr nur dadurch, daß ihre p2b_141.039
Gegenstände meist dem religiösen Gebiet angehören. Zum geistlichen Liede verhält p2b_141.040
sie sich, wie die Ode zum weltlichen. Wollte man die Oden in philosophische, p2b_141.041
heroische und religiöse teilen, so wäre die Hymne eben die religiöse Ode. Nicht p2b_141.042
die Gefühle der Demut, Wehmut, Reue, auch nicht Betrachtungen über Tod p2b_141.043
und Unsterblichkeit veranlassen sie, sondern die Bewunderung Gottes oder einer p2b_141.044
heidnischen Gottheit, auch eines erhabenen wie eine Gottheit angestaunten Menschen p2b_141.045
oder irgend einer wunderbaren Naturerscheinung, weshalb man auch von weltlichen p2b_141.046
Hymnen sprechen kann, die freilich besser den Namen Oden (Festlieder) tragen. p2b_141.047
(Als Beispiele solcher Hymnen nenne ich: Frühlingsfeier von Klopstock; Hymne an

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Hast Welten erleuchtet und Welten erwärmt, p2b_141.002
Den Schoß der Erde befruchtet, p2b_141.003
Die schwellenden Knospen gerötet, p2b_141.004
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/163>, abgerufen am 25.11.2024.