Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.p2b_108.001 p2b_108.011 p2b_108.015 a. An die Natur. p2b_108.017 Süße, heilige Natur, p2b_108.018 Laß mich gehn auf deiner Spur, p2b_108.019 Leite mich an deiner Hand, p2b_108.020 Wie ein Kind am Gängelband! p2b_108.021 Wenn ich dann ermüdet bin, p2b_108.022 Sink' ich dir am Busen hin, p2b_108.023 Atme reine Himmelsluft p2b_108.024 Hangend an der Mutterbrust. p2b_108.025 p2b_108.029Ach! wie wohl ist mir bei dir! p2b_108.026 Will dich lieben für und für; p2b_108.027 Laß mich gehn auf deiner Spur, p2b_108.028 Süße, heilige Natur! (Friedr. Leop. Graf zu Stolberg, + 1819.) p2b_108.030 b. Jm April. p2b_108.031 Du feuchter Frühlingsabend, p2b_108.032 Wie hab' ich dich so gern - p2b_108.033 Der Himmel wolkenverhangen, p2b_108.034 Nur hie und da ein Stern. p2b_108.035 Wie leiser Liebesodem p2b_108.036 Hauchet so lau die Luft, p2b_108.037 Es steigt aus allen Thalen p2b_108.038 Ein warmer Veilchenduft. p2b_108.039 (Geibel.)
Jch möcht' ein Lied ersinnen, p2b_108.040 Das diesem Abend gleich; p2b_108.041 Und kann den Klang nicht finden, p2b_108.042 So dunkel, mild und weich. p2b_108.001 p2b_108.011 p2b_108.015 a. An die Natur. p2b_108.017 Süße, heilige Natur, p2b_108.018 Laß mich gehn auf deiner Spur, p2b_108.019 Leite mich an deiner Hand, p2b_108.020 Wie ein Kind am Gängelband! p2b_108.021 Wenn ich dann ermüdet bin, p2b_108.022 Sink' ich dir am Busen hin, p2b_108.023 Atme reine Himmelsluft p2b_108.024 Hangend an der Mutterbrust. p2b_108.025 p2b_108.029Ach! wie wohl ist mir bei dir! p2b_108.026 Will dich lieben für und für; p2b_108.027 Laß mich gehn auf deiner Spur, p2b_108.028 Süße, heilige Natur! (Friedr. Leop. Graf zu Stolberg, † 1819.) p2b_108.030 b. Jm April. p2b_108.031 Du feuchter Frühlingsabend, p2b_108.032 Wie hab' ich dich so gern ─ p2b_108.033 Der Himmel wolkenverhangen, p2b_108.034 Nur hie und da ein Stern. p2b_108.035 Wie leiser Liebesodem p2b_108.036 Hauchet so lau die Luft, p2b_108.037 Es steigt aus allen Thalen p2b_108.038 Ein warmer Veilchenduft. p2b_108.039 (Geibel.)
Jch möcht' ein Lied ersinnen, p2b_108.040 Das diesem Abend gleich; p2b_108.041 Und kann den Klang nicht finden, p2b_108.042 So dunkel, mild und weich. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0130" n="108"/><lb n="p2b_108.001"/> schönen Formen spricht figürlich zu uns, und die Auslegungsgabe ihrer Chiffrenschrift <lb n="p2b_108.002"/> ist uns im moralischen Gefühl verliehen.“ Von diesem Gefühl ist zu <lb n="p2b_108.003"/> verstehen, was er in dem tiefsinnigen prosaischen Fragment „Grund zum <lb n="p2b_108.004"/> Empedokles“ sagt: „Natur und Kunst sind sich im reinen Leben nur harmonisch <lb n="p2b_108.005"/> entgegengesetzt. Der organischere, künstlichere Mensch ist die Blüte der Natur, <lb n="p2b_108.006"/> die selbstlose Natur, wenn sie rein gefühlt wird von rein organisierten, rein <lb n="p2b_108.007"/> in seiner Art gebildeten Menschen, giebt ihm das Gefühl der Vollendung.“ <lb n="p2b_108.008"/> Hölderlin feiert die Natur als die „allduldende“, denn sie duldet nicht allein <lb n="p2b_108.009"/> das in ihr selbst vorhandene Übel, sondern auch den an ihr und sich irrgewordenen <lb n="p2b_108.010"/> Geist, von dem sie gleichwohl ihre Erlösung allein zu hoffen hat.</p> <p><lb n="p2b_108.011"/> Eigentümlich gefühlsinnig, mit Vorliebe für das Wunderbare sind noch <lb n="p2b_108.012"/> die Naturlieder des heiteren, seelenvollen, volkstümlichen und melodiereichen <lb n="p2b_108.013"/> schwäbischen Sängers Eduard Mörike. Wertvolle Naturlieder haben sonst noch <lb n="p2b_108.014"/> die unten in den Beispielen zu nennenden Dichter geliefert.</p> <p> <lb n="p2b_108.015"/> <hi rendition="#g">Beispiele der Naturlieder:</hi> </p> <lb n="p2b_108.016"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">a</hi>. <hi rendition="#g">An die Natur.</hi></hi> <lb n="p2b_108.017"/> <lg> <l>Süße, heilige Natur,</l> <lb n="p2b_108.018"/> <l>Laß mich gehn auf deiner Spur,</l> <lb n="p2b_108.019"/> <l>Leite mich an deiner Hand,</l> <lb n="p2b_108.020"/> <l>Wie ein Kind am Gängelband! </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_108.021"/> <l>Wenn ich dann ermüdet bin,</l> <lb n="p2b_108.022"/> <l>Sink' ich dir am Busen hin,</l> <lb n="p2b_108.023"/> <l>Atme reine Himmelsluft</l> <lb n="p2b_108.024"/> <l>Hangend an der Mutterbrust. </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_108.025"/> <l>Ach! wie wohl ist mir bei dir!</l> <lb n="p2b_108.026"/> <l>Will dich lieben für und für;</l> <lb n="p2b_108.027"/> <l>Laß mich gehn auf deiner Spur,</l> <lb n="p2b_108.028"/> <l>Süße, heilige Natur!</l> </lg> <lb n="p2b_108.029"/> <hi rendition="#right">(Friedr. Leop. Graf zu Stolberg, † 1819.)</hi> </p> <lb n="p2b_108.030"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">b</hi>. <hi rendition="#g">Jm April.</hi></hi> <lb n="p2b_108.031"/> <lg> <l>Du feuchter Frühlingsabend,</l> <lb n="p2b_108.032"/> <l>Wie hab' ich dich so gern ─</l> <lb n="p2b_108.033"/> <l>Der Himmel wolkenverhangen,</l> <lb n="p2b_108.034"/> <l>Nur hie und da ein Stern. </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_108.035"/> <l>Wie leiser Liebesodem</l> <lb n="p2b_108.036"/> <l>Hauchet so lau die Luft,</l> <lb n="p2b_108.037"/> <l>Es steigt aus allen Thalen</l> <lb n="p2b_108.038"/> <l>Ein warmer Veilchenduft. </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_108.039"/> <l>Jch möcht' ein Lied ersinnen,</l> <lb n="p2b_108.040"/> <l>Das diesem Abend gleich;</l> <lb n="p2b_108.041"/> <l>Und kann den Klang nicht finden,</l> <lb n="p2b_108.042"/> <l>So dunkel, mild und weich.</l> </lg> <hi rendition="#right">(Geibel.)</hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [108/0130]
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schönen Formen spricht figürlich zu uns, und die Auslegungsgabe ihrer Chiffrenschrift p2b_108.002
ist uns im moralischen Gefühl verliehen.“ Von diesem Gefühl ist zu p2b_108.003
verstehen, was er in dem tiefsinnigen prosaischen Fragment „Grund zum p2b_108.004
Empedokles“ sagt: „Natur und Kunst sind sich im reinen Leben nur harmonisch p2b_108.005
entgegengesetzt. Der organischere, künstlichere Mensch ist die Blüte der Natur, p2b_108.006
die selbstlose Natur, wenn sie rein gefühlt wird von rein organisierten, rein p2b_108.007
in seiner Art gebildeten Menschen, giebt ihm das Gefühl der Vollendung.“ p2b_108.008
Hölderlin feiert die Natur als die „allduldende“, denn sie duldet nicht allein p2b_108.009
das in ihr selbst vorhandene Übel, sondern auch den an ihr und sich irrgewordenen p2b_108.010
Geist, von dem sie gleichwohl ihre Erlösung allein zu hoffen hat.
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Eigentümlich gefühlsinnig, mit Vorliebe für das Wunderbare sind noch p2b_108.012
die Naturlieder des heiteren, seelenvollen, volkstümlichen und melodiereichen p2b_108.013
schwäbischen Sängers Eduard Mörike. Wertvolle Naturlieder haben sonst noch p2b_108.014
die unten in den Beispielen zu nennenden Dichter geliefert.
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Beispiele der Naturlieder:
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a. An die Natur. p2b_108.017
Süße, heilige Natur, p2b_108.018
Laß mich gehn auf deiner Spur, p2b_108.019
Leite mich an deiner Hand, p2b_108.020
Wie ein Kind am Gängelband!
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Wenn ich dann ermüdet bin, p2b_108.022
Sink' ich dir am Busen hin, p2b_108.023
Atme reine Himmelsluft p2b_108.024
Hangend an der Mutterbrust.
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Ach! wie wohl ist mir bei dir! p2b_108.026
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Laß mich gehn auf deiner Spur, p2b_108.028
Süße, heilige Natur!
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(Friedr. Leop. Graf zu Stolberg, † 1819.)
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b. Jm April. p2b_108.031
Du feuchter Frühlingsabend, p2b_108.032
Wie hab' ich dich so gern ─ p2b_108.033
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Wie leiser Liebesodem p2b_108.036
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Das diesem Abend gleich; p2b_108.041
Und kann den Klang nicht finden, p2b_108.042
So dunkel, mild und weich.
(Geibel.)
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