Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_568.001 Liebe stammt vom Himmel oben, p1b_568.002 Und so lehrte sie der Meister, p1b_568.003 Welchen seine hohen Geister p1b_568.004 Jn derselben Sprache loben. p1b_568.005 Denn beseelt sind jene Globen, p1b_568.006 Strahlend redet Stern mit Stern, p1b_568.007 Und vernimmt den andern gern: p1b_568.008 Wenn die Sphären rein erklingen. p1b_568.009 Jhre Wonn' ist Schau'n und Singen, p1b_568.010 Denn Gedanken steh'n zu fern. p1b_568.011 Stumme Zungen, taube Ohren, p1b_568.012 Die des Wohllauts Zauber flieh'n, p1b_568.013 Wachen auf zu Harmonie'n, p1b_568.014 Wenn sie Liebe neu geboren. p1b_568.015 Memnons Säule, von Auroren p1b_568.016 Angeschienen leis' und fern, p1b_568.017 Haucht so aus dem starren Kern p1b_568.018 Jhre Sehnsucht aus in Liedern, p1b_568.019 Und der Mutter Gruß erwidern p1b_568.020 Nur in Tönen mag sie gern. p1b_568.021 p1b_568.031Musik ist die Kunst der Liebe p1b_568.022 Jn der tiefsten Seel' empfangen, p1b_568.023 Aus entflammendem Verlangen p1b_568.024 Mit der Demut heil'gem Triebe. p1b_568.025 Daß die Liebe selbst sie liebe, p1b_568.026 Zorn und Haß sich ihr versöhnen, p1b_568.027 Mag sie nicht in raschen Tönen p1b_568.028 Bloß um Lust und Jugend scherzen: p1b_568.029 Sie kann Trauer, Tod und Schmerzen, p1b_568.030 Alles, was sie will, verschönen. (A. W. Schlegel, Werke I. S. 141.) p1b_568.032 Süße Liebe denkt in Tönen, p1b_568.035 p1b_568.038Denn Gedanken steh'n zu fern; p1b_568.036 Nur in Tönen mag sie gern p1b_568.037 Alles, was sie will, verschönen. (Tieck.) p1b_568.039Schönste, du hast mir befohlen, p1b_568.040
Dieses Thema zu glossieren; p1b_568.041 Doch ich sag' es unverhohlen: p1b_568.042 Dieses heißt die Zeit verlieren, p1b_568.043 Und ich sitze wie auf Kohlen - p1b_568.044 Liebtet ihr nicht, stolze Schönen, p1b_568.045 Selbst die Logik zu verhöhnen, p1b_568.046 Würd' ich zu beweisen wagen, p1b_568.047 Daß es Unsinn ist, zu sagen: p1b_568.048 Süße Liebe denkt in Tönen. p1b_568.001 Liebe stammt vom Himmel oben, p1b_568.002 Und so lehrte sie der Meister, p1b_568.003 Welchen seine hohen Geister p1b_568.004 Jn derselben Sprache loben. p1b_568.005 Denn beseelt sind jene Globen, p1b_568.006 Strahlend redet Stern mit Stern, p1b_568.007 Und vernimmt den andern gern: p1b_568.008 Wenn die Sphären rein erklingen. p1b_568.009 Jhre Wonn' ist Schau'n und Singen, p1b_568.010 Denn Gedanken steh'n zu fern. p1b_568.011 Stumme Zungen, taube Ohren, p1b_568.012 Die des Wohllauts Zauber flieh'n, p1b_568.013 Wachen auf zu Harmonie'n, p1b_568.014 Wenn sie Liebe neu geboren. p1b_568.015 Memnons Säule, von Auroren p1b_568.016 Angeschienen leis' und fern, p1b_568.017 Haucht so aus dem starren Kern p1b_568.018 Jhre Sehnsucht aus in Liedern, p1b_568.019 Und der Mutter Gruß erwidern p1b_568.020 Nur in Tönen mag sie gern. p1b_568.021 p1b_568.031Musik ist die Kunst der Liebe p1b_568.022 Jn der tiefsten Seel' empfangen, p1b_568.023 Aus entflammendem Verlangen p1b_568.024 Mit der Demut heil'gem Triebe. p1b_568.025 Daß die Liebe selbst sie liebe, p1b_568.026 Zorn und Haß sich ihr versöhnen, p1b_568.027 Mag sie nicht in raschen Tönen p1b_568.028 Bloß um Lust und Jugend scherzen: p1b_568.029 Sie kann Trauer, Tod und Schmerzen, p1b_568.030 Alles, was sie will, verschönen. (A. W. Schlegel, Werke I. S. 141.) p1b_568.032 Süße Liebe denkt in Tönen, p1b_568.035 p1b_568.038Denn Gedanken steh'n zu fern; p1b_568.036 Nur in Tönen mag sie gern p1b_568.037 Alles, was sie will, verschönen. (Tieck.) p1b_568.039Schönste, du hast mir befohlen, p1b_568.040
Dieses Thema zu glossieren; p1b_568.041 Doch ich sag' es unverhohlen: p1b_568.042 Dieses heißt die Zeit verlieren, p1b_568.043 Und ich sitze wie auf Kohlen ─ p1b_568.044 Liebtet ihr nicht, stolze Schönen, p1b_568.045 Selbst die Logik zu verhöhnen, p1b_568.046 Würd' ich zu beweisen wagen, p1b_568.047 Daß es Unsinn ist, zu sagen: p1b_568.048 Süße Liebe denkt in Tönen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0602" n="568"/> <lb n="p1b_568.001"/> <lg> <l>Liebe stammt vom Himmel oben,</l> <lb n="p1b_568.002"/> <l>Und so lehrte sie der Meister,</l> <lb n="p1b_568.003"/> <l>Welchen seine hohen Geister</l> <lb n="p1b_568.004"/> <l>Jn derselben Sprache loben.</l> <lb n="p1b_568.005"/> <l>Denn beseelt sind jene Globen,</l> <lb n="p1b_568.006"/> <l>Strahlend redet Stern mit Stern,</l> <lb n="p1b_568.007"/> <l>Und vernimmt den andern gern:</l> <lb n="p1b_568.008"/> <l>Wenn die Sphären rein erklingen.</l> <lb n="p1b_568.009"/> <l>Jhre Wonn' ist Schau'n und Singen,</l> <lb n="p1b_568.010"/> <l> <hi rendition="#g">Denn Gedanken steh'n zu fern.</hi> </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_568.011"/> <l>Stumme Zungen, taube Ohren,</l> <lb n="p1b_568.012"/> <l>Die des Wohllauts Zauber flieh'n,</l> <lb n="p1b_568.013"/> <l>Wachen auf zu Harmonie'n,</l> <lb n="p1b_568.014"/> <l>Wenn sie Liebe neu geboren.</l> <lb n="p1b_568.015"/> <l>Memnons Säule, von Auroren</l> <lb n="p1b_568.016"/> <l>Angeschienen leis' und fern,</l> <lb n="p1b_568.017"/> <l>Haucht so aus dem starren Kern</l> <lb n="p1b_568.018"/> <l>Jhre Sehnsucht aus in Liedern,</l> <lb n="p1b_568.019"/> <l>Und der Mutter Gruß erwidern</l> <lb n="p1b_568.020"/> <l> <hi rendition="#g">Nur in Tönen mag sie gern.</hi> </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_568.021"/> <l>Musik ist die Kunst der Liebe</l> <lb n="p1b_568.022"/> <l>Jn der tiefsten Seel' empfangen,</l> <lb n="p1b_568.023"/> <l>Aus entflammendem Verlangen</l> <lb n="p1b_568.024"/> <l>Mit der Demut heil'gem Triebe.</l> <lb n="p1b_568.025"/> <l>Daß die Liebe selbst sie liebe,</l> <lb n="p1b_568.026"/> <l>Zorn und Haß sich ihr versöhnen,</l> <lb n="p1b_568.027"/> <l>Mag sie nicht in raschen Tönen</l> <lb n="p1b_568.028"/> <l>Bloß um Lust und Jugend scherzen:</l> <lb n="p1b_568.029"/> <l>Sie kann Trauer, Tod und Schmerzen,</l> <lb n="p1b_568.030"/> <l> <hi rendition="#g">Alles, was sie will, verschönen.</hi> </l> </lg> <lb n="p1b_568.031"/> <p> <hi rendition="#right">(A. W. Schlegel, Werke <hi rendition="#aq">I</hi>. S. 141.)</hi> </p> <p><lb n="p1b_568.032"/> Wir lassen hierzu die mehr humoristisch gehaltene Bearbeitung desselben <lb n="p1b_568.033"/> Themas durch Uhland folgen.</p> <lb n="p1b_568.034"/> <lg> <l>Süße Liebe denkt in Tönen,</l> <lb n="p1b_568.035"/> <l>Denn Gedanken steh'n zu fern;</l> <lb n="p1b_568.036"/> <l>Nur in Tönen mag sie gern</l> <lb n="p1b_568.037"/> <l>Alles, was sie will, verschönen.</l> </lg> <lb n="p1b_568.038"/> <p> <hi rendition="#right">(Tieck.)</hi> </p> <lb n="p1b_568.039"/> <lg> <l>Schönste, du hast mir befohlen,</l> <lb n="p1b_568.040"/> <l>Dieses Thema zu glossieren;</l> <lb n="p1b_568.041"/> <l>Doch ich sag' es unverhohlen:</l> <lb n="p1b_568.042"/> <l>Dieses heißt die Zeit verlieren,</l> <lb n="p1b_568.043"/> <l>Und ich sitze wie auf Kohlen ─</l> <lb n="p1b_568.044"/> <l>Liebtet ihr nicht, stolze Schönen,</l> <lb n="p1b_568.045"/> <l>Selbst die Logik zu verhöhnen,</l> <lb n="p1b_568.046"/> <l>Würd' ich zu beweisen wagen,</l> <lb n="p1b_568.047"/> <l>Daß es Unsinn ist, zu sagen:</l> <lb n="p1b_568.048"/> <l> <hi rendition="#g">Süße Liebe denkt in Tönen.</hi> </l> </lg> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [568/0602]
p1b_568.001
Liebe stammt vom Himmel oben, p1b_568.002
Und so lehrte sie der Meister, p1b_568.003
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Nur in Tönen mag sie gern.
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Sie kann Trauer, Tod und Schmerzen, p1b_568.030
Alles, was sie will, verschönen.
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(A. W. Schlegel, Werke I. S. 141.)
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Wir lassen hierzu die mehr humoristisch gehaltene Bearbeitung desselben p1b_568.033
Themas durch Uhland folgen.
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Alles, was sie will, verschönen.
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Schönste, du hast mir befohlen, p1b_568.040
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Süße Liebe denkt in Tönen.
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