Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_536.001 Denn gleichwie deine Faust der Gläubigen Geschlecht, p1b_536.002 Als es in höchster Not, errettet und ergötzet, p1b_536.003 Also hat durch dein Haupt, die Kugel (leider) recht p1b_536.004 Der Deutschen Freiheit Herz und Tugendhaupt verlötzet. p1b_536.005 Siegreich und selig zwar hat dich, weil in der Schlacht p1b_536.006 Du frei für Gottes Wort dein teures Blut vergossen, p1b_536.007 Jn die endlose Freud und Ehr dein End gebracht: p1b_536.008 Jedoch in Leid und Not sind deine Bundsgenossen, p1b_536.009 Weil deine Herrschung du mit Sieg, Triumph und Pracht p1b_536.010 Dort in dem Himmelreich anfangend, hie beschlossen. p1b_536.011 p1b_536.016 An die jetzigen Deutschen. p1b_536.018Jetzt fällt man uns in's Mahl, in unsre vollen Schalen, p1b_536.019 Wie man uns längst gedräut! Wo ist nun unser Mut? p1b_536.020 Der ausgestählte Sinn? das kriegerische Blut? p1b_536.021 Es fällt kein Ungar nicht von unserm eiteln Prahlen! p1b_536.022 Kein Busch, kein Schützenrock, kein buntes Fahnenmalen p1b_536.023 Schreckt den Kroaten ab. Das Ansehn ist sehr gut, p1b_536.024 Das Ansehn mein ich nur, das nichts zum Schlagen thut, p1b_536.025 Wir feigsten Krieger wir, die Phöbus kann bestrahlen! p1b_536.026 Was ängsten wir uns doch und legen Rüstung an, p1b_536.027 Die doch der weiche Leib nicht um sich leiden kann? p1b_536.028 Des großen Vaters Helm ist viel zu weit dem Sohne! p1b_536.029 Der Degen schändet ihn! Wir Männer ohne Mann, p1b_536.030 Wir Starken auf den Schein, so ist's um uns gethan, p1b_536.031 Uns Namens-Deutsche nur! Jch sag's auch mir zum Hohne. p1b_536.032 p1b_536.001 Denn gleichwie deine Faust der Gläubigen Geschlecht, p1b_536.002 Als es in höchster Not, errettet und ergötzet, p1b_536.003 Also hat durch dein Haupt, die Kugel (leider) recht p1b_536.004 Der Deutschen Freiheit Herz und Tugendhaupt verlötzet. p1b_536.005 Siegreich und selig zwar hat dich, weil in der Schlacht p1b_536.006 Du frei für Gottes Wort dein teures Blut vergossen, p1b_536.007 Jn die endlose Freud und Ehr dein End gebracht: p1b_536.008 Jedoch in Leid und Not sind deine Bundsgenossen, p1b_536.009 Weil deine Herrschung du mit Sieg, Triumph und Pracht p1b_536.010 Dort in dem Himmelreich anfangend, hie beschlossen. p1b_536.011 p1b_536.016 An die jetzigen Deutschen. p1b_536.018Jetzt fällt man uns in's Mahl, in unsre vollen Schalen, p1b_536.019 Wie man uns längst gedräut! Wo ist nun unser Mut? p1b_536.020 Der ausgestählte Sinn? das kriegerische Blut? p1b_536.021 Es fällt kein Ungar nicht von unserm eiteln Prahlen! p1b_536.022 Kein Busch, kein Schützenrock, kein buntes Fahnenmalen p1b_536.023 Schreckt den Kroaten ab. Das Ansehn ist sehr gut, p1b_536.024 Das Ansehn mein ich nur, das nichts zum Schlagen thut, p1b_536.025 Wir feigsten Krieger wir, die Phöbus kann bestrahlen! p1b_536.026 Was ängsten wir uns doch und legen Rüstung an, p1b_536.027 Die doch der weiche Leib nicht um sich leiden kann? p1b_536.028 Des großen Vaters Helm ist viel zu weit dem Sohne! p1b_536.029 Der Degen schändet ihn! Wir Männer ohne Mann, p1b_536.030 Wir Starken auf den Schein, so ist's um uns gethan, p1b_536.031 Uns Namens-Deutsche nur! 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Die <hi rendition="#g">ersten geharnischten</hi> <lb n="p1b_536.014"/> patriotischen Sonette schrieb Paul Flemming (1609─1649) ebenfalls <lb n="p1b_536.015"/> in Alexandrinern.</p> <p> <lb n="p1b_536.016"/> <hi rendition="#g">Beispiel Flemmings:</hi> </p> <lb n="p1b_536.017"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">An die jetzigen Deutschen.</hi> </hi> </p> <lb n="p1b_536.018"/> <lg> <l>Jetzt fällt man uns in's Mahl, in unsre vollen Schalen,</l> <lb n="p1b_536.019"/> <l>Wie man uns längst gedräut! Wo ist nun unser Mut?</l> <lb n="p1b_536.020"/> <l>Der ausgestählte Sinn? das kriegerische Blut?</l> <lb n="p1b_536.021"/> <l>Es fällt kein Ungar nicht von unserm eiteln Prahlen! </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_536.022"/> <l>Kein Busch, kein Schützenrock, kein buntes Fahnenmalen</l> <lb n="p1b_536.023"/> <l>Schreckt den Kroaten ab. 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Dann verfiel das Sonett bis zur Zeit <hi rendition="#g">Bürgers</hi> <lb n="p1b_536.034"/> (1748─1794) und des berühmten Übersetzers Ariosts, Tassos und Calderons, <lb n="p1b_536.035"/> Joh. Dietrich <hi rendition="#g">Gries</hi> (1775─1842), welch' letzterer im Tone Flemmings <lb n="p1b_536.036"/> <hi rendition="#g">geharnischte Sonette</hi> schrieb. Besonders pflegte es <hi rendition="#g">Bürger,</hi> dessen bezaubernd <lb n="p1b_536.037"/> schöne Sonette als Ausdruck der tiefsten Empfindung auch heute noch <lb n="p1b_536.038"/> gerühmt werden sollten. Seine Sonette waren meist im fünftaktigen Trochäus <lb n="p1b_536.039"/> geschrieben, z. B. die Erscheinung, Täuschung, Für Sie mein Eins und Alles, <lb n="p1b_536.040"/> Trauerstelle, Verlust, Liebe ohne Heimat, Überall Molly und Liebe, An A. W. <lb n="p1b_536.041"/> Schlegel &c. Doch hat er auch einige Sonette im jambischen Quinar geschrieben, <lb n="p1b_536.042"/> z. B. die Eine, die Unvergleichliche, Naturrecht &c.</p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [536/0570]
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Denn gleichwie deine Faust der Gläubigen Geschlecht, p1b_536.002
Als es in höchster Not, errettet und ergötzet, p1b_536.003
Also hat durch dein Haupt, die Kugel (leider) recht p1b_536.004
Der Deutschen Freiheit Herz und Tugendhaupt verlötzet.
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Siegreich und selig zwar hat dich, weil in der Schlacht p1b_536.006
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Jn die endlose Freud und Ehr dein End gebracht:
p1b_536.008
Jedoch in Leid und Not sind deine Bundsgenossen, p1b_536.009
Weil deine Herrschung du mit Sieg, Triumph und Pracht p1b_536.010
Dort in dem Himmelreich anfangend, hie beschlossen.
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Gleichzeitig mit Weckherlin ─ vielleicht schon vor ihm ─ hat Paul p1b_536.012
Melissus (Bibliothekar in Heidelberg, 1539─1602), der nebenbei bemerkt die p1b_536.013
ersten deutschen Terzinen dichtete, Sonette geschrieben. Die ersten geharnischten p1b_536.014
patriotischen Sonette schrieb Paul Flemming (1609─1649) ebenfalls p1b_536.015
in Alexandrinern.
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Beispiel Flemmings:
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An die jetzigen Deutschen.
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Jetzt fällt man uns in's Mahl, in unsre vollen Schalen, p1b_536.019
Wie man uns längst gedräut! Wo ist nun unser Mut? p1b_536.020
Der ausgestählte Sinn? das kriegerische Blut? p1b_536.021
Es fällt kein Ungar nicht von unserm eiteln Prahlen!
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Kein Busch, kein Schützenrock, kein buntes Fahnenmalen p1b_536.023
Schreckt den Kroaten ab. Das Ansehn ist sehr gut, p1b_536.024
Das Ansehn mein ich nur, das nichts zum Schlagen thut, p1b_536.025
Wir feigsten Krieger wir, die Phöbus kann bestrahlen!
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Was ängsten wir uns doch und legen Rüstung an, p1b_536.027
Die doch der weiche Leib nicht um sich leiden kann? p1b_536.028
Des großen Vaters Helm ist viel zu weit dem Sohne!
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Der Degen schändet ihn! Wir Männer ohne Mann, p1b_536.030
Wir Starken auf den Schein, so ist's um uns gethan, p1b_536.031
Uns Namens-Deutsche nur! Jch sag's auch mir zum Hohne.
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Die Dichter der ersten schlesischen Dichterschule, Opitz, Gryphius u. A., schrieben p1b_536.033
Sonette im Alexandriner. Dann verfiel das Sonett bis zur Zeit Bürgers p1b_536.034
(1748─1794) und des berühmten Übersetzers Ariosts, Tassos und Calderons, p1b_536.035
Joh. Dietrich Gries (1775─1842), welch' letzterer im Tone Flemmings p1b_536.036
geharnischte Sonette schrieb. Besonders pflegte es Bürger, dessen bezaubernd p1b_536.037
schöne Sonette als Ausdruck der tiefsten Empfindung auch heute noch p1b_536.038
gerühmt werden sollten. Seine Sonette waren meist im fünftaktigen Trochäus p1b_536.039
geschrieben, z. B. die Erscheinung, Täuschung, Für Sie mein Eins und Alles, p1b_536.040
Trauerstelle, Verlust, Liebe ohne Heimat, Überall Molly und Liebe, An A. W. p1b_536.041
Schlegel &c. Doch hat er auch einige Sonette im jambischen Quinar geschrieben, p1b_536.042
z. B. die Eine, die Unvergleichliche, Naturrecht &c.
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