p1b_533.002 Jn folgendem Sonette ist die Gedankenpointe jeder Unterabteilung in der p1b_533.003 letzten Verszeile durch gesperrten Druck ausgezeichnet, so zwar, daß die vier p1b_533.004 Schlußzeilen zusammengesetzt ein Quartett bilden, welches den Gedanken des p1b_533.005 Ganzen zusammengedrängt resumirt.
p1b_533.006 Auf nach Paris! ("Erinnerungsblätter" des Verf. 1871, S. 3.)
p1b_533.008 1. Unterabt. p1b_533.011 I. Abteilung.p1b_533.013 2. Unterabt. p1b_533.007 Greif ein, mein Plektron, voll in goldne Saiten,p1b_533.008 Und du, mein Herz, entfalte Jubellieder,p1b_533.009 Du, Echo, tön's in allen Landen wieder:p1b_533.010 Mein unbesiegbar Volk zog aus zum Streiten.p1b_533.012 Mein Deutschland ist erwacht in allen Breiten,p1b_533.013 Es will mit Sturmsgewalt der welschen Hyderp1b_533.014 Auf einen Schlag zerschellen Haupt und Glieder,p1b_533.015 Weltfrieden zu begründen allen Zeiten.p1b_533.017 1. Unterabt. p1b_533.019 II. Abteilung.p1b_533.021 2. Unterabt. p1b_533.016 Der Erbfeind Deutschlands schlug manch schwere Wundep1b_533.017 Der deutschen Freiheit frech mit listgen Streichen;p1b_533.018 Nun naht dem Frevler blut'ge Rachestunde.p1b_533.020 Schon künden "Sieg!" der deutschen Einheit Zeichen,p1b_533.021 Schon bluten Deutschlands Feinde auf dem Grunde,p1b_533.022 Und "nach Paris!" rauscht es von Deutschlands p1b_533.023 Eichen!
p1b_533.024 3. Das Sonett ist seinem Jnhalte nach von Haus aus lyrisch, und seine p1b_533.025 schmeichlerischen Reimdoppelpaare erklingen am passendsten der Liebe, dem p1b_533.026 Weine, dem Frühling. Rückert hat nach Flemmings Vorgang, der p1b_533.027 bereits einige männlich kräftige "patriotische Strafsonette" - in Alexandrinern p1b_533.028 - an die Deutschen richtete, die Sonettenform auf Freiheitsliederp1b_533.029 übertragen, auf Gesänge der patriotischen Erhebung und Begeisterung.p1b_533.030 Er schrieb "Geharnischte Sonette", in denen er sich ausnahmsweise p1b_533.031 auch einmal einen männlichen Reim gestattete. Ob er Recht daran that, p1b_533.032 seine tyrtäische Begeisterung in die Form des Sonetts zu gießen, darüber ist p1b_533.033 vielfach gestritten worden. Wir meinen, daß er es mit durchschlagendem Erfolge p1b_533.034 und großem Geschick gethan hat, und daß durch ihn erst gezeigt wurde, was p1b_533.035 sich aus der Kunstform des Sonetts machen läßt, wenn ein Dichter sie handhabt, p1b_533.036 dem die Fülle der Sprache zu Gebote steht. Die Form hemmt nur den p1b_533.037 Anfänger, den Künstler trägt sie; sie ist das Gefäß für seine Empfindung p1b_533.038 und für seine Gedanken. Er wird durch sie ebenso vor überwuchernder Ausbreitung p1b_533.039 geschützt, als sie ihm Gelegenheit zur Gliederung, Abrundung und p1b_533.040 selbstbewußten Wirkung giebt.
p1b_533.041 Nach Flemmings und Rückerts Vorgang hat in neuester Zeit Oskar p1b_533.042 von Redwitz die Sonettenform für politische Zwecke adoptiert im "Lied vom p1b_533.043 neuen deutschen Reich" (11. Aufl. 1876).
p1b_533.044 Der aus Betrachtung und Empfindung, Fluß und Stillstand, Erguß und p1b_533.045 Bespiegelung, Ausruf und Syntax gleichmäßig gemischte dialektisch=lyrische Sonettenstil, p1b_533.046 wie er uns heutzutage als ein Fertiges entgegenkommt, dankt seine Entfaltung
p1b_533.001 2. Beispiel:
p1b_533.002 Jn folgendem Sonette ist die Gedankenpointe jeder Unterabteilung in der p1b_533.003 letzten Verszeile durch gesperrten Druck ausgezeichnet, so zwar, daß die vier p1b_533.004 Schlußzeilen zusammengesetzt ein Quartett bilden, welches den Gedanken des p1b_533.005 Ganzen zusammengedrängt resumirt.
p1b_533.006 Auf nach Paris! („Erinnerungsblätter“ des Verf. 1871, S. 3.)
p1b_533.008 1. Unterabt. p1b_533.011 I. Abteilung.p1b_533.013 2. Unterabt. p1b_533.007 Greif ein, mein Plektron, voll in goldne Saiten,p1b_533.008 Und du, mein Herz, entfalte Jubellieder,p1b_533.009 Du, Echo, tön's in allen Landen wieder:p1b_533.010 Mein unbesiegbar Volk zog aus zum Streiten.p1b_533.012 Mein Deutschland ist erwacht in allen Breiten,p1b_533.013 Es will mit Sturmsgewalt der welschen Hyderp1b_533.014 Auf einen Schlag zerschellen Haupt und Glieder,p1b_533.015 Weltfrieden zu begründen allen Zeiten.p1b_533.017 1. Unterabt. p1b_533.019 II. Abteilung.p1b_533.021 2. Unterabt. p1b_533.016 Der Erbfeind Deutschlands schlug manch schwere Wundep1b_533.017 Der deutschen Freiheit frech mit listgen Streichen;p1b_533.018 Nun naht dem Frevler blut'ge Rachestunde.p1b_533.020 Schon künden „Sieg!“ der deutschen Einheit Zeichen,p1b_533.021 Schon bluten Deutschlands Feinde auf dem Grunde,p1b_533.022 Und „nach Paris!“ rauscht es von Deutschlands p1b_533.023 Eichen!
p1b_533.024 3. Das Sonett ist seinem Jnhalte nach von Haus aus lyrisch, und seine p1b_533.025 schmeichlerischen Reimdoppelpaare erklingen am passendsten der Liebe, dem p1b_533.026 Weine, dem Frühling. Rückert hat nach Flemmings Vorgang, der p1b_533.027 bereits einige männlich kräftige „patriotische Strafsonette“ ─ in Alexandrinern p1b_533.028 ─ an die Deutschen richtete, die Sonettenform auf Freiheitsliederp1b_533.029 übertragen, auf Gesänge der patriotischen Erhebung und Begeisterung.p1b_533.030 Er schrieb „Geharnischte Sonette“, in denen er sich ausnahmsweise p1b_533.031 auch einmal einen männlichen Reim gestattete. Ob er Recht daran that, p1b_533.032 seine tyrtäische Begeisterung in die Form des Sonetts zu gießen, darüber ist p1b_533.033 vielfach gestritten worden. Wir meinen, daß er es mit durchschlagendem Erfolge p1b_533.034 und großem Geschick gethan hat, und daß durch ihn erst gezeigt wurde, was p1b_533.035 sich aus der Kunstform des Sonetts machen läßt, wenn ein Dichter sie handhabt, p1b_533.036 dem die Fülle der Sprache zu Gebote steht. Die Form hemmt nur den p1b_533.037 Anfänger, den Künstler trägt sie; sie ist das Gefäß für seine Empfindung p1b_533.038 und für seine Gedanken. Er wird durch sie ebenso vor überwuchernder Ausbreitung p1b_533.039 geschützt, als sie ihm Gelegenheit zur Gliederung, Abrundung und p1b_533.040 selbstbewußten Wirkung giebt.
p1b_533.041 Nach Flemmings und Rückerts Vorgang hat in neuester Zeit Oskar p1b_533.042 von Redwitz die Sonettenform für politische Zwecke adoptiert im „Lied vom p1b_533.043 neuen deutschen Reich“ (11. Aufl. 1876).
p1b_533.044 Der aus Betrachtung und Empfindung, Fluß und Stillstand, Erguß und p1b_533.045 Bespiegelung, Ausruf und Syntax gleichmäßig gemischte dialektisch=lyrische Sonettenstil, p1b_533.046 wie er uns heutzutage als ein Fertiges entgegenkommt, dankt seine Entfaltung
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Jn folgendem Sonette ist die Gedankenpointe jeder Unterabteilung in der p1b_533.003
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Schlußzeilen zusammengesetzt ein Quartett bilden, welches den Gedanken des p1b_533.005
Ganzen zusammengedrängt resumirt.
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Auf nach Paris! („Erinnerungsblätter“ des Verf. 1871, S. 3.)
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1. Unterabt. p1b_533.011
I. Abteilung. p1b_533.013
2. Unterabt. p1b_533.007
Greif ein, mein Plektron, voll in goldne Saiten,
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Und du, mein Herz, entfalte Jubellieder,
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Du, Echo, tön's in allen Landen wieder:
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Mein unbesiegbar Volk zog aus zum Streiten.
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1. Unterabt. p1b_533.019
II. Abteilung. p1b_533.021
2. Unterabt. p1b_533.016
Der Erbfeind Deutschlands schlug manch schwere Wunde
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Der deutschen Freiheit frech mit listgen Streichen;
p1b_533.018
Nun naht dem Frevler blut'ge Rachestunde.
p1b_533.020
Schon künden „Sieg!“ der deutschen Einheit Zeichen,
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Schon bluten Deutschlands Feinde auf dem Grunde,
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Und „nach Paris!“ rauscht es von Deutschlands p1b_533.023
Eichen!
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3. Das Sonett ist seinem Jnhalte nach von Haus aus lyrisch, und seine p1b_533.025
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Weine, dem Frühling. Rückert hat nach Flemmings Vorgang, der p1b_533.027
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Er schrieb „Geharnischte Sonette“, in denen er sich ausnahmsweise p1b_533.031
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seine tyrtäische Begeisterung in die Form des Sonetts zu gießen, darüber ist p1b_533.033
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und großem Geschick gethan hat, und daß durch ihn erst gezeigt wurde, was p1b_533.035
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dem die Fülle der Sprache zu Gebote steht. Die Form hemmt nur den p1b_533.037
Anfänger, den Künstler trägt sie; sie ist das Gefäß für seine Empfindung p1b_533.038
und für seine Gedanken. Er wird durch sie ebenso vor überwuchernder Ausbreitung p1b_533.039
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Nach Flemmings und Rückerts Vorgang hat in neuester Zeit Oskar p1b_533.042
von Redwitz die Sonettenform für politische Zwecke adoptiert im „Lied vom p1b_533.043
neuen deutschen Reich“ (11. Aufl. 1876).
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Der aus Betrachtung und Empfindung, Fluß und Stillstand, Erguß und p1b_533.045
Bespiegelung, Ausruf und Syntax gleichmäßig gemischte dialektisch=lyrische Sonettenstil, p1b_533.046
wie er uns heutzutage als ein Fertiges entgegenkommt, dankt seine Entfaltung
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 533. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/567>, abgerufen am 23.11.2024.
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