Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_446.001 "Kennst du es wohl? p1b_446.002 Dahin! dahin p1b_446.003 Möcht' ich mit dir, o mein Geliebter, zieh'n!" p1b_446.004 p1b_446.005 Hänschen geh, und sieh dich um! p1b_446.008 Sieh mir, ob sie kommen! p1b_446.009 Hänschen sag' was meinst du wohl? p1b_446.012 Es wird niemand kommen. p1b_446.013 Hänschen, mach die Thüren auf: p1b_446.015 Sieh nur, wie sie kommen! p1b_446.016 p1b_446.017 Von Edenhall der junge Lord p1b_446.026 Läßt schmettern Festtrommetenschall; p1b_446.027 Er hebt sich an des Tisches Bord p1b_446.028 Und ruft in trunkner Gäste Schwall: p1b_446.029 "Nun her mit dem Glücke von Edenhall!" p1b_446.030 Der Schenk vernimmt ungern den Spruch, p1b_446.031 Des Hauses ältester Vasall, p1b_446.032 Nimmt zögernd aus dem seidnen Tuch p1b_446.033 Das hohe Trinkglas von Krystall, p1b_446.034 Sie nennens das Glück von Edenhall. p1b_446.035 Darauf der Lord: "Dem Glas zum Preis p1b_446.036 Schenk roten ein aus Portugall!" p1b_446.037 Mit Händezittern gießt der Greis: p1b_446.038 Und purpurn Licht wird überall; p1b_446.039 Es strahlt aus dem Glücke von Edenhall u. s. w. p1b_446.040 Jch bin vom Berg der Hirtenknab, p1b_446.042
Seh auf die Schlösser all herab; p1b_446.043 Die Sonne strahlt am ersten hier, p1b_446.044 Am längsten weilet sie bei mir; p1b_446.045 Jch bin der Knab' vom Berge! p1b_446.001 „Kennst du es wohl? p1b_446.002 Dahin! dahin p1b_446.003 Möcht' ich mit dir, o mein Geliebter, zieh'n!“ p1b_446.004 p1b_446.005 Hänschen geh, und sieh dich um! p1b_446.008 Sieh mir, ob sie kommen! p1b_446.009 Hänschen sag' was meinst du wohl? p1b_446.012 Es wird niemand kommen. p1b_446.013 Hänschen, mach die Thüren auf: p1b_446.015 Sieh nur, wie sie kommen! p1b_446.016 p1b_446.017 Von Edenhall der junge Lord p1b_446.026 Läßt schmettern Festtrommetenschall; p1b_446.027 Er hebt sich an des Tisches Bord p1b_446.028 Und ruft in trunkner Gäste Schwall: p1b_446.029 „Nun her mit dem Glücke von Edenhall!“ p1b_446.030 Der Schenk vernimmt ungern den Spruch, p1b_446.031 Des Hauses ältester Vasall, p1b_446.032 Nimmt zögernd aus dem seidnen Tuch p1b_446.033 Das hohe Trinkglas von Krystall, p1b_446.034 Sie nennens das Glück von Edenhall. p1b_446.035 Darauf der Lord: „Dem Glas zum Preis p1b_446.036 Schenk roten ein aus Portugall!“ p1b_446.037 Mit Händezittern gießt der Greis: p1b_446.038 Und purpurn Licht wird überall; p1b_446.039 Es strahlt aus dem Glücke von Edenhall u. s. w. p1b_446.040 Jch bin vom Berg der Hirtenknab, p1b_446.042
Seh auf die Schlösser all herab; p1b_446.043 Die Sonne strahlt am ersten hier, p1b_446.044 Am längsten weilet sie bei mir; p1b_446.045 Jch bin der Knab' vom Berge! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0480" n="446"/> <lb n="p1b_446.001"/> <lg> <l>„Kennst du es wohl?</l> <lb n="p1b_446.002"/> <l> Dahin! dahin</l> <lb n="p1b_446.003"/> <l>Möcht' ich mit dir, o mein Geliebter, zieh'n!“</l> </lg> <p><lb n="p1b_446.004"/> sehnsuchtsvoll alle Gefühle entfacht.</p> <p><lb n="p1b_446.005"/> Auch im flüssigen Kehrreim hat Goethe Vorbildliches geleistet. Vgl. das <lb n="p1b_446.006"/> Gedicht: „Offene Tafel“, das mit dem Refrain schließt:</p> <lb n="p1b_446.007"/> <lg> <l> <hi rendition="#g">Hänschen geh, und sieh dich um!</hi> </l> <lb n="p1b_446.008"/> <l> <hi rendition="#g">Sieh mir, ob sie kommen!</hi> </l> </lg> <p><lb n="p1b_446.009"/> Nachdem Hänschen sechsmal ausgeschaut hat und Niemand kommt, tritt <lb n="p1b_446.010"/> die zweifelnde Frage im Kehrreim ein:</p> <lb n="p1b_446.011"/> <lg> <l> <hi rendition="#g">Hänschen sag' was meinst du wohl?</hi> </l> <lb n="p1b_446.012"/> <l> <hi rendition="#g">Es wird niemand kommen.</hi> </l> </lg> <p><lb n="p1b_446.013"/> worauf die neue Form die Strophe schließt:</p> <lb n="p1b_446.014"/> <lg> <l> <hi rendition="#g">Hänschen, mach die Thüren auf:</hi> </l> <lb n="p1b_446.015"/> <l> <hi rendition="#g">Sieh nur, wie sie kommen!</hi> </l> </lg> </div> <div n="5"> <p><lb n="p1b_446.016"/><hi rendition="#aq">f</hi>. <hi rendition="#g">Uhlands Kehrreime.</hi></p> <p><lb n="p1b_446.017"/> Uhlands Lieder zeigen weder die kräftigen, derben, ja drastischen Kehrreime <lb n="p1b_446.018"/> des Volksliedes, noch die hinreißenden, schmelzenden Refrains der Goetheschen <lb n="p1b_446.019"/> Lyrik; es fehlt ihnen auch die Leidenschaft. Doch sind Refrains, wie <lb n="p1b_446.020"/> der im Trinklied, in Vorwärts, in Schwindelhaber, in Schäfers Sonntagslied, <lb n="p1b_446.021"/> in Frühlingsglaube, in Des Knaben Berglied, in das Glück von Edenhall <lb n="p1b_446.022"/> &c. schöne Beweise von Naturwahrheit und Frische. Von den beiden letzteren <lb n="p1b_446.023"/> schreibe ich einige Strophen her, um eine Probe des flüssigen wie des feststehenden <lb n="p1b_446.024"/> Kehrreims von Uhland zu geben:</p> <lb n="p1b_446.025"/> <lg> <l>Von Edenhall der junge Lord</l> <lb n="p1b_446.026"/> <l>Läßt schmettern Festtrommetenschall;</l> <lb n="p1b_446.027"/> <l>Er hebt sich an des Tisches Bord</l> <lb n="p1b_446.028"/> <l>Und ruft in trunkner Gäste Schwall:</l> <lb n="p1b_446.029"/> <l>„<hi rendition="#g">Nun her mit dem Glücke von Edenhall!</hi>“ </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_446.030"/> <l>Der Schenk vernimmt ungern den Spruch,</l> <lb n="p1b_446.031"/> <l>Des Hauses ältester Vasall,</l> <lb n="p1b_446.032"/> <l>Nimmt zögernd aus dem seidnen Tuch</l> <lb n="p1b_446.033"/> <l>Das hohe Trinkglas von Krystall,</l> <lb n="p1b_446.034"/> <l> <hi rendition="#g">Sie nennens das Glück von Edenhall.</hi> </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_446.035"/> <l>Darauf der Lord: „Dem Glas zum Preis</l> <lb n="p1b_446.036"/> <l>Schenk roten ein aus Portugall!“</l> <lb n="p1b_446.037"/> <l>Mit Händezittern gießt der Greis:</l> <lb n="p1b_446.038"/> <l>Und purpurn Licht wird überall;</l> <lb n="p1b_446.039"/> <l><hi rendition="#g">Es strahlt aus dem Glücke von Edenhall</hi> u. s. w.</l> </lg> <p><lb n="p1b_446.040"/> Markig <hi rendition="#g">feststehend</hi> ist der Refrain in <hi rendition="#g">des Knaben Berglied:</hi></p> <lb n="p1b_446.041"/> <lg> <l>Jch bin vom Berg der Hirtenknab,</l> <lb n="p1b_446.042"/> <l>Seh auf die Schlösser all herab;</l> <lb n="p1b_446.043"/> <l>Die Sonne strahlt am ersten hier,</l> <lb n="p1b_446.044"/> <l>Am längsten weilet sie bei mir;</l> <lb n="p1b_446.045"/> <l> <hi rendition="#g">Jch bin der Knab' vom Berge!</hi> </l> </lg> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [446/0480]
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„Kennst du es wohl? p1b_446.002
Dahin! dahin p1b_446.003
Möcht' ich mit dir, o mein Geliebter, zieh'n!“
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sehnsuchtsvoll alle Gefühle entfacht.
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Auch im flüssigen Kehrreim hat Goethe Vorbildliches geleistet. Vgl. das p1b_446.006
Gedicht: „Offene Tafel“, das mit dem Refrain schließt:
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Hänschen geh, und sieh dich um! p1b_446.008
Sieh mir, ob sie kommen!
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Nachdem Hänschen sechsmal ausgeschaut hat und Niemand kommt, tritt p1b_446.010
die zweifelnde Frage im Kehrreim ein:
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Hänschen sag' was meinst du wohl? p1b_446.012
Es wird niemand kommen.
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worauf die neue Form die Strophe schließt:
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Sieh nur, wie sie kommen!
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f. Uhlands Kehrreime.
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Uhlands Lieder zeigen weder die kräftigen, derben, ja drastischen Kehrreime p1b_446.018
des Volksliedes, noch die hinreißenden, schmelzenden Refrains der Goetheschen p1b_446.019
Lyrik; es fehlt ihnen auch die Leidenschaft. Doch sind Refrains, wie p1b_446.020
der im Trinklied, in Vorwärts, in Schwindelhaber, in Schäfers Sonntagslied, p1b_446.021
in Frühlingsglaube, in Des Knaben Berglied, in das Glück von Edenhall p1b_446.022
&c. schöne Beweise von Naturwahrheit und Frische. Von den beiden letzteren p1b_446.023
schreibe ich einige Strophen her, um eine Probe des flüssigen wie des feststehenden p1b_446.024
Kehrreims von Uhland zu geben:
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Von Edenhall der junge Lord p1b_446.026
Läßt schmettern Festtrommetenschall; p1b_446.027
Er hebt sich an des Tisches Bord p1b_446.028
Und ruft in trunkner Gäste Schwall: p1b_446.029
„Nun her mit dem Glücke von Edenhall!“
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Der Schenk vernimmt ungern den Spruch, p1b_446.031
Des Hauses ältester Vasall, p1b_446.032
Nimmt zögernd aus dem seidnen Tuch p1b_446.033
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Sie nennens das Glück von Edenhall.
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Darauf der Lord: „Dem Glas zum Preis p1b_446.036
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Mit Händezittern gießt der Greis: p1b_446.038
Und purpurn Licht wird überall; p1b_446.039
Es strahlt aus dem Glücke von Edenhall u. s. w.
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Markig feststehend ist der Refrain in des Knaben Berglied:
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Jch bin vom Berg der Hirtenknab, p1b_446.042
Seh auf die Schlösser all herab; p1b_446.043
Die Sonne strahlt am ersten hier, p1b_446.044
Am längsten weilet sie bei mir; p1b_446.045
Jch bin der Knab' vom Berge!
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