p1b_377.001 namentlich wenn der Reim fehlt. Wo der Reim vorhanden ist, - wie in p1b_377.002 Schillers Handschuh -, repräsentiert derselbe ein mächtiges Formelement. Er p1b_377.003 bestimmt dem Hörer die Länge der Zeilen, die wahllos bald aus Jamben, p1b_377.004 bald aus Trochäen, Daktylen und Anapästen bestehen, ohne nach tonmetrischen p1b_377.005 Gesetzen symmetrisch angeordnet zu sein.
p1b_377.006 Aus vielen freien Accentversen Heines (z. B. Die Nacht am Strande, p1b_377.007 Seegespenst, Morgengruß, Frieden, Nordseebilder &c.) ersieht man, wie der p1b_377.008 Dichter durch je ein paar Zeilen nach Belieben eine gleiche Anzahl von Arsen p1b_377.009 eingehalten hat, wie er aber sodann nach jeder rhythmischen Pause sofort eine p1b_377.010 neue Anzahl von Arsen beliebte. Es fehlt eben jeder metrische Maßstab. p1b_377.011 Ähnlich ist es bei den bedeutendsten freien Accentversen unserer klassischen p1b_377.012 Dichter Goethe und Schiller, die übrigens von Rückert in den Makamen p1b_377.013 (vgl. § 186), was Freiheit, Beweglichkeit und gewandt sprachlichen Ausdruck p1b_377.014 betrifft, weit übertroffen werden.
p1b_377.015 Als Beispiele der freien Accentverse sind außer den erwähnten noch p1b_377.016 anzuführen:
p1b_377.017 1. Goethes Ganymed, Prometheus, Gesang der Geister über den Wassern, p1b_377.018 Das Göttliche, Wanderers Nachtlied ("Über allen Wipfeln ist Ruh"), Harzreise p1b_377.019 im Winter, Pilgers Morgenlied, Mahomets Gesang, Grenzen der Menschheit &c.
p1b_377.020 2. Schillers Laura am Klavier, Melancholie an Laura, Der Handschuh, p1b_377.021 Das verschleierte Bild &c. (Die ersten drei Beispiele sind gereimt, das letzte p1b_377.022 hat reimlose Verse.)
p1b_377.023 3. Victor v. Scheffels Bergpsalmen.
p1b_377.024 4. Otto Bancks Sonnensegen, Die Kunst &c.
p1b_377.025 5. Friedrich Halms Jtalien &c.
p1b_377.026 6. Hamerling: Vor einer Genziane.
p1b_377.027 7. Friedrich Rückert: Das Licht, und Die Makamen.
p1b_377.028 Auch von Ada Christen (Haltlos), Emil Claar (Mondnacht) und p1b_377.029 anderen Dichtern, besonders aber von Gust. Kastropp (dessen nach Weise der p1b_377.030 Makame gedichteter Heinr. v. Ofterdingen) besitzen wir beachtenswerte freie p1b_377.031 Accentverse.
p1b_377.032 Beispiele:
p1b_377.033
Sei gegrüßt mir, See! Jch fühle mit dir,p1b_377.034 Wie die Flut jungfräulich sich sträubend erbebt,p1b_377.035 Daß ein fremder Mannp1b_377.036 Sie dienstbar sich macht aus beherrschendem Kahn.p1b_377.037 Noch sind wir Menschen dir seltene Gäste,p1b_377.038 Noch kennt uns kaum deiner Wälder Gewildp1b_377.039 Und weil es uns nicht kennt,p1b_377.040 Scheut es uns nicht.p1b_377.041 Brütend sitzt in des Felsufers Spaltp1b_377.042 Die Taucherente,p1b_377.043 Bleibt unbeirrt sitzen und flattert nicht auf,p1b_377.044 Kaum dreht sie den dummen beschopften Kopfp1b_377.045 Vornehm nach dem Schiffer.
p1b_377.001 namentlich wenn der Reim fehlt. Wo der Reim vorhanden ist, ─ wie in p1b_377.002 Schillers Handschuh ─, repräsentiert derselbe ein mächtiges Formelement. Er p1b_377.003 bestimmt dem Hörer die Länge der Zeilen, die wahllos bald aus Jamben, p1b_377.004 bald aus Trochäen, Daktylen und Anapästen bestehen, ohne nach tonmetrischen p1b_377.005 Gesetzen symmetrisch angeordnet zu sein.
p1b_377.006 Aus vielen freien Accentversen Heines (z. B. Die Nacht am Strande, p1b_377.007 Seegespenst, Morgengruß, Frieden, Nordseebilder &c.) ersieht man, wie der p1b_377.008 Dichter durch je ein paar Zeilen nach Belieben eine gleiche Anzahl von Arsen p1b_377.009 eingehalten hat, wie er aber sodann nach jeder rhythmischen Pause sofort eine p1b_377.010 neue Anzahl von Arsen beliebte. Es fehlt eben jeder metrische Maßstab. p1b_377.011 Ähnlich ist es bei den bedeutendsten freien Accentversen unserer klassischen p1b_377.012 Dichter Goethe und Schiller, die übrigens von Rückert in den Makamen p1b_377.013 (vgl. § 186), was Freiheit, Beweglichkeit und gewandt sprachlichen Ausdruck p1b_377.014 betrifft, weit übertroffen werden.
p1b_377.015 Als Beispiele der freien Accentverse sind außer den erwähnten noch p1b_377.016 anzuführen:
p1b_377.017 1. Goethes Ganymed, Prometheus, Gesang der Geister über den Wassern, p1b_377.018 Das Göttliche, Wanderers Nachtlied („Über allen Wipfeln ist Ruh“), Harzreise p1b_377.019 im Winter, Pilgers Morgenlied, Mahomets Gesang, Grenzen der Menschheit &c.
p1b_377.020 2. Schillers Laura am Klavier, Melancholie an Laura, Der Handschuh, p1b_377.021 Das verschleierte Bild &c. (Die ersten drei Beispiele sind gereimt, das letzte p1b_377.022 hat reimlose Verse.)
p1b_377.023 3. Victor v. Scheffels Bergpsalmen.
p1b_377.024 4. Otto Bancks Sonnensegen, Die Kunst &c.
p1b_377.025 5. Friedrich Halms Jtalien &c.
p1b_377.026 6. Hamerling: Vor einer Genziane.
p1b_377.027 7. Friedrich Rückert: Das Licht, und Die Makamen.
p1b_377.028 Auch von Ada Christen (Haltlos), Emil Claar (Mondnacht) und p1b_377.029 anderen Dichtern, besonders aber von Gust. Kastropp (dessen nach Weise der p1b_377.030 Makame gedichteter Heinr. v. Ofterdingen) besitzen wir beachtenswerte freie p1b_377.031 Accentverse.
p1b_377.032 Beispiele:
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Sei gegrüßt mir, See! Jch fühle mit dir,p1b_377.034 Wie die Flut jungfräulich sich sträubend erbebt,p1b_377.035 Daß ein fremder Mannp1b_377.036 Sie dienstbar sich macht aus beherrschendem Kahn.p1b_377.037 Noch sind wir Menschen dir seltene Gäste,p1b_377.038 Noch kennt uns kaum deiner Wälder Gewildp1b_377.039 Und weil es uns nicht kennt,p1b_377.040 Scheut es uns nicht.p1b_377.041 Brütend sitzt in des Felsufers Spaltp1b_377.042 Die Taucherente,p1b_377.043 Bleibt unbeirrt sitzen und flattert nicht auf,p1b_377.044 Kaum dreht sie den dummen beschopften Kopfp1b_377.045 Vornehm nach dem Schiffer.
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namentlich wenn der Reim fehlt. Wo der Reim vorhanden ist, ─ wie in p1b_377.002
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Dichter durch je ein paar Zeilen nach Belieben eine gleiche Anzahl von Arsen p1b_377.009
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Ähnlich ist es bei den bedeutendsten freien Accentversen unserer klassischen p1b_377.012
Dichter Goethe und Schiller, die übrigens von Rückert in den Makamen p1b_377.013
(vgl. § 186), was Freiheit, Beweglichkeit und gewandt sprachlichen Ausdruck p1b_377.014
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im Winter, Pilgers Morgenlied, Mahomets Gesang, Grenzen der Menschheit &c.
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2. Schillers Laura am Klavier, Melancholie an Laura, Der Handschuh, p1b_377.021
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Makame gedichteter Heinr. v. Ofterdingen) besitzen wir beachtenswerte freie p1b_377.031
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/411>, abgerufen am 23.11.2024.
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