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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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Bd. I. S. 55, ferner noch Hüffers Mitteilung aus dem Leben H. Heines p1b_003.002
[Berlin, 1874], nach welcher Heine außerordentliche Mühe auf die Form seiner p1b_003.003
Schöpfungen verwandte und gerade die scheinbar am flüchtigsten hingeworfenen p1b_003.004
Lieder am meisten gefeilt habe u. s. w.) Wie der Lernende an Wohllaut p1b_003.005
und an ästhetisch Schönes gewöhnt werden kann, so auch an eine äußere poetische p1b_003.006
Sprachweise, wenn die betreffenden Regeln und Gesetze verständnisvoll p1b_003.007
aus der Sprache selbst entwickelt werden. Da jedem normal angelegten gesunden p1b_003.008
Menschen ein richtiges Denken und Fühlen anerzogen werden kann, p1b_003.009
(jede Schule hat dies Klassenziel im Lehrplan) da ihm ferner die Form mitgeteilt p1b_003.010
wird, in der er sein Denken und Fühlen äußert, so muß jeder gut p1b_003.011
beanlagte Mensch so weit fortgebildet werden können, um den Dichter nicht nur p1b_003.012
dem Jnhalt, sondern auch der Form nach würdigen und verstehen zu lernen. p1b_003.013
Freilich gehört hierzu Kenntnis der seither in allen Lehrbüchern der Poetik übersehenen p1b_003.014
Ästhetik, der wir das 2. Hauptstück dieses Buches gewidmet haben, und die p1b_003.015
wir so wichtig erachten, weil eine Wirkung wie eine Kritik des Kunstwerks p1b_003.016
ohne absichtsvolle ästhetische Bildung dem Zufall anheimgegeben ist.

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§ 3. Geschichte der Poetik bis Schiller und Goethe.

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Wie bei den Griechen und Römern eine Wissenschaft der Poesie p1b_003.019
erst möglich wurde, nachdem die Poesie im Drama zur Blüte gelangt p1b_003.020
war, so mußte auch in andern neueren Staaten - namentlich in p1b_003.021
Deutschland - die Poesie verschiedene Stadien durchlaufen, bevor p1b_003.022
die Poetik erstand und gepflegt wurde. Die hauptsächlichsten Begründer p1b_003.023
der Poetik bei den Alten waren Aristoteles und Horaz.

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Aristoteles von Stagira (384-322 v. Chr.) war der erste, welcher p1b_003.025
die Grundsätze der einzelnen Dichtungsgattungen auseinandersetzte und in seiner p1b_003.026
Poetik namentlich den Unterschied zwischen der epischen und dramatischen Poesie p1b_003.027
darlegte. Er ist der Euklides der Poesie. Nach ihm wurde die Poetik nur p1b_003.028
eine Art 'Receptirkunde'. Eine solche schrieb wenigstens Horaz (+ 8 v. Chr.) p1b_003.029
in seiner "Epistola ad Pisones" oder "ars poetica". Sie behandelt p1b_003.030
hauptsächlich die Aufgabe der Dramatik, giebt reiche Fingerzeige über die dichterische p1b_003.031
Technik und weist die damaligen Dichterlinge in Rom ernst humoristisch p1b_003.032
zurecht. Nach ihm schrieb u. a. Longin 250 n. Chr. "Über das Erhabene" p1b_003.033
(Ausgabe von Jahn, 1867) und gleichzeitig Plotin "Über Schönheit". p1b_003.034
Mehr als 1200 Jahre später wurde erst in Frankreich, dann England, den p1b_003.035
Niederlanden und Deutschland die Poetik gepflegt, und zwar infolge der p1b_003.036
humanistischen Studien, die nach der Eroberung von Konstantinopel 1453 sich p1b_003.037
verbreiteten und der Roheit und Unwissenheit des Mittelalters bald wirksam p1b_003.038
entgegentraten. Der römische Bischof Vida (+ 1566) gab am Anfang des p1b_003.039
16. Jahrhunderts eine Poetik in Hexametern heraus, in welcher er hauptsächlich p1b_003.040
Virgil citirt. Darauf folgte die Poetik des Franzosen Boileau- p1b_003.041
Despreaux (de l'art poetique
1674), ein Codex des guten Geschmacks, der

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§ 3. Geschichte der Poetik bis Schiller und Goethe.

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Wie bei den Griechen und Römern eine Wissenschaft der Poesie p1b_003.019
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der Poetik bei den Alten waren Aristoteles und Horaz.

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Aristoteles von Stagira (384─322 v. Chr.) war der erste, welcher p1b_003.025
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/37>, abgerufen am 23.11.2024.