Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_286.001 p1b_286.005 a. Abteilung nach Satztakten, deren Schluß im Verstakt p1b_286.007 Vers 1.Sei | der Gesang | vieltönig | im wechselnden Tanz | der Empfindung. p1b_286.009Vers 2.Windet | zum Kranze | die goldenen Ähren. | p1b_286.010Vers 3.O Väter, | Mütter, | o Erzieher, | habet Acht! | p1b_286.011Vers 4.Er stand | auf seines Daches | Zinnen, | p1b_286.012 p1b_286.014Er schaute | mit vergnügten Sinnen | p1b_286.013 Auf das beherrschte Samos hin. | b. Abteilung nach Verstakten und Bezeichnung der Cäsur p1b_286.015 p1b_286.016 p1b_286.017 p1b_286.018 p1b_286.019 Er schau | te C mit | vergnüng | ten Sinn | en p1b_286.021 p1b_286.022 p1b_286.035 p1b_286.001 p1b_286.005 a. Abteilung nach Satztakten, deren Schluß im Verstakt p1b_286.007 Vers 1.Sei │ der Gesang │ vieltönig │ im wechselnden Tanz │ der Empfindung. p1b_286.009Vers 2.Windet │ zum Kranze │ die goldenen Ähren. │ p1b_286.010Vers 3.O Väter, │ Mütter, │ o Erzieher, │ habet Acht! │ p1b_286.011Vers 4.Er stand │ auf seines Daches │ Zinnen, │ p1b_286.012 p1b_286.014Er schaute │ mit vergnügten Sinnen │ p1b_286.013 Auf das beherrschte Samos hin. │ b. Abteilung nach Verstakten und Bezeichnung der Cäsur p1b_286.015 p1b_286.016 p1b_286.017 p1b_286.018 p1b_286.019 Ĕr schāu │ tĕ C mīt │ vĕrgnǖg │ tĕn Sīnn │ ĕn p1b_286.021 p1b_286.022 p1b_286.035 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0320" n="286"/> <p><lb n="p1b_286.001"/> An den Dichter tritt die Forderung heran, das fortgesetzte Zusammenfallen <lb n="p1b_286.002"/> der Vers- und Wortfüße aus ästhetischen Gründen möglichst zu vermeiden, <lb n="p1b_286.003"/> d. h. die Diäresen inmitten der Reihen zu umgehen und die melodischen Cäsuren <lb n="p1b_286.004"/> zu erstreben.</p> <p><lb n="p1b_286.005"/> Folgende Beispiele mögen über die Anwendung der Cäsur orientieren:</p> <lb n="p1b_286.006"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">a</hi>. <hi rendition="#g">Abteilung nach Satztakten, deren Schluß im Verstakt <lb n="p1b_286.007"/> die Cäsur bildet.</hi></hi> </p> <lb n="p1b_286.008"/> <lg> <l n="1.">Sei │ der Gesang │ vieltönig │ im wechselnden Tanz │ der Empfindung.</l> </lg> <lb n="p1b_286.009"/> <lg> <l n="2.">Windet │ zum Kranze │ die goldenen Ähren. │</l> </lg> <lb n="p1b_286.010"/> <lg> <l n="3.">O Väter, │ Mütter, │ o Erzieher, │ habet Acht! │</l> </lg> <lb n="p1b_286.011"/> <lg> <l n="4.">Er stand │ auf seines Daches │ Zinnen, │</l> <lb n="p1b_286.012"/> <l>Er schaute │ mit vergnügten Sinnen │</l> <lb n="p1b_286.013"/> <l>Auf das beherrschte Samos hin. │</l> </lg> <lb n="p1b_286.014"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">b</hi>. <hi rendition="#g">Abteilung nach Verstakten und Bezeichnung der Cäsur <lb n="p1b_286.015"/> durch den Buchstaben</hi><hi rendition="#aq">C</hi>.</hi> </p> <p><lb n="p1b_286.016"/> 1. Sēi dĕr Gĕ │ sāng <metamark function="metEmph" place="superlinear">C</metamark> viēl │ tȫnĭg <metamark function="metEmph" place="superlinear">C</metamark> ĭm │ wēchsĕlndĕn │ Tānz <metamark function="metEmph" place="superlinear">C</metamark> dĕr Ĕmp │ fīndŭng.</p> <p><lb n="p1b_286.017"/> 2. Wīndĕt <metamark function="metEmph" place="superlinear">C</metamark> zŭm │ Krānzĕ <metamark function="metEmph" place="superlinear">C</metamark> dĭe │ gōldĕnĕn │ Ǟhrĕn.</p> <p><lb n="p1b_286.018"/> 3. Ŏ Vǟ │ tĕr, <metamark function="metEmph" place="superlinear">C</metamark> Mǖt │ tĕr, <metamark function="metEmph" place="superlinear">C</metamark> ō │ Ĕrzīeh │ ĕr, <metamark function="metEmph" place="superlinear">C</metamark> hāb │ ĕt <metamark function="metEmph" place="superlinear">C</metamark> Ācht!</p> <p><lb n="p1b_286.019"/> 4. Ĕr stānd │ ăuf sēi │ nĕs Dāch │ ĕs <metamark function="metEmph" place="superlinear">C</metamark> Zīn │ nĕn,</p> <lb n="p1b_286.020"/> <p> <hi rendition="#c">Ĕr schāu │ tĕ <metamark function="metEmph" place="superlinear">C</metamark> mīt │ vĕrgnǖg │ tĕn Sīnn │ ĕn <lb n="p1b_286.021"/> Ăuf dās │ bĕhērrscht │ ĕ Sā │ mŏs hīn.</hi> </p> <p><lb n="p1b_286.022"/> Man wird aus diesen wenigen Beispielen ersehen, wie infolge der Durchschneidung <lb n="p1b_286.023"/> des Verstaktes (oder was dasselbe ist: infolge des Aneinandergrenzens <lb n="p1b_286.024"/> und Berührens zweier Wortfüße <hi rendition="#g">innerhalb eines Verstaktes</hi>) <lb n="p1b_286.025"/> eine gewisse Einheit der Vielbewegung und eine enge Verschlingung der einzelnen <lb n="p1b_286.026"/> Verstakte entsteht. Zur Verhütung eines Mißverständnisses ist zu bemerken: <lb n="p1b_286.027"/> Die aus den Dichtungen unserer Klassiker abstrahierte Forderung, die Versteile <lb n="p1b_286.028"/> durch Jneinandergreifen der Satztakte und Verstakte zu verschlingen, hat keineswegs <lb n="p1b_286.029"/> die Bedeutung, daß wir z. B. durchweg den jambischen Vers (⏑ – │ ⏑ – │ &c.) <lb n="p1b_286.030"/> mit einem amphibrachischen Worte (⏑ – ⏑) und den trochäischen (– ⏑ │ – ⏑ │ &c.) <lb n="p1b_286.031"/> mit einem Kretikus (– ⏑ –) beginnen &c. Es würde dieses sklavische Nachäffen <lb n="p1b_286.032"/> der Hellenen ein unserem deutschen Sprachgenius entgegen strebendes geschraubtes <lb n="p1b_286.033"/> Deutsch erzeugen, wie wir es leider bei einigen Übersetzern antreffen. Wir <lb n="p1b_286.034"/> wollen die Hellenen als Muster verehren, nicht als Tyrannen.</p> <p><lb n="p1b_286.035"/><hi rendition="#g">Cäsur und Diärese</hi> erhalten je nach ihrer Stellung in den verschiedenen <lb n="p1b_286.036"/> Verstakten verschiedene Benennungen. Beide heißen <hi rendition="#g">männlich,</hi> wenn <lb n="p1b_286.037"/> sie nach einer Arsis eintreten, <hi rendition="#g">weiblich,</hi> wenn sie nach einer einsilbigen Thesis, <lb n="p1b_286.038"/> und <hi rendition="#g">gleitend,</hi> wenn sie nach zwei Kürzen folgen.</p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [286/0320]
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An den Dichter tritt die Forderung heran, das fortgesetzte Zusammenfallen p1b_286.002
der Vers- und Wortfüße aus ästhetischen Gründen möglichst zu vermeiden, p1b_286.003
d. h. die Diäresen inmitten der Reihen zu umgehen und die melodischen Cäsuren p1b_286.004
zu erstreben.
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Folgende Beispiele mögen über die Anwendung der Cäsur orientieren:
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a. Abteilung nach Satztakten, deren Schluß im Verstakt p1b_286.007
die Cäsur bildet.
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Sei │ der Gesang │ vieltönig │ im wechselnden Tanz │ der Empfindung.
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Windet │ zum Kranze │ die goldenen Ähren. │
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O Väter, │ Mütter, │ o Erzieher, │ habet Acht! │
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Er stand │ auf seines Daches │ Zinnen, │ p1b_286.012
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Auf das beherrschte Samos hin. │
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b. Abteilung nach Verstakten und Bezeichnung der Cäsur p1b_286.015
durch den Buchstaben C.
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1. Sēi dĕr Gĕ │ sāng C viēl │ tȫnĭg C ĭm │ wēchsĕlndĕn │ Tānz C dĕr Ĕmp │ fīndŭng.
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2. Wīndĕt C zŭm │ Krānzĕ C dĭe │ gōldĕnĕn │ Ǟhrĕn.
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Ăuf dās │ bĕhērrscht │ ĕ Sā │ mŏs hīn.
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Man wird aus diesen wenigen Beispielen ersehen, wie infolge der Durchschneidung p1b_286.023
des Verstaktes (oder was dasselbe ist: infolge des Aneinandergrenzens p1b_286.024
und Berührens zweier Wortfüße innerhalb eines Verstaktes) p1b_286.025
eine gewisse Einheit der Vielbewegung und eine enge Verschlingung der einzelnen p1b_286.026
Verstakte entsteht. Zur Verhütung eines Mißverständnisses ist zu bemerken: p1b_286.027
Die aus den Dichtungen unserer Klassiker abstrahierte Forderung, die Versteile p1b_286.028
durch Jneinandergreifen der Satztakte und Verstakte zu verschlingen, hat keineswegs p1b_286.029
die Bedeutung, daß wir z. B. durchweg den jambischen Vers (⏑ – │ ⏑ – │ &c.) p1b_286.030
mit einem amphibrachischen Worte (⏑ – ⏑) und den trochäischen (– ⏑ │ – ⏑ │ &c.) p1b_286.031
mit einem Kretikus (– ⏑ –) beginnen &c. Es würde dieses sklavische Nachäffen p1b_286.032
der Hellenen ein unserem deutschen Sprachgenius entgegen strebendes geschraubtes p1b_286.033
Deutsch erzeugen, wie wir es leider bei einigen Übersetzern antreffen. Wir p1b_286.034
wollen die Hellenen als Muster verehren, nicht als Tyrannen.
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Cäsur und Diärese erhalten je nach ihrer Stellung in den verschiedenen p1b_286.036
Verstakten verschiedene Benennungen. Beide heißen männlich, wenn p1b_286.037
sie nach einer Arsis eintreten, weiblich, wenn sie nach einer einsilbigen Thesis, p1b_286.038
und gleitend, wenn sie nach zwei Kürzen folgen.
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