Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_278.001 O komm in mein Schiffchen, p1b_278.007 Geliebte, daher! p1b_278.008 Die Nacht ist so still und p1b_278.009 Es leuchtet das Meer! p1b_278.010 Und wo ich hin rudre, p1b_278.011 Entbrennet die Flut: p1b_278.012 Es schaukelt mein Nachen p1b_278.013 Jn wallender Glut u. s. w. p1b_278.014 Näher und näher p1b_278.017Kam das Gekling und das Klatschen der Peitsch' und der Pferde Getrampel. p1b_278.018 p1b_278.022 Löst mir in Eile, p1b_278.025 Brüder, die Seile, p1b_278.026 Weil wir nach langer, nach drückender Weile p1b_278.027 Wieder der prächtigen, p1b_278.028 Aber verdächtigen p1b_278.029 Flut uns bemächtigen, p1b_278.030 Spannt mir die Segel und löst mir die Seile. p1b_278.031 p1b_278.035 Wär' ich die Luft, um die Flügel zu schlagen, p1b_278.038 Wolken zu jagen, p1b_278.039 Über die Gipfel der Berge zu streben, p1b_278.040 Das wär ein Leben! p1b_278.041 Bräuten an ihrem Gewande zu säuseln, p1b_278.042 Locken zu kräuseln, p1b_278.043 Düfte von Beiden als Steuer erheben, p1b_278.044 Das wär ein Leben! p1b_278.045 p1b_278.001 O komm in mein Schiffchen, p1b_278.007 Geliebte, daher! p1b_278.008 Die Nacht ist so still und p1b_278.009 Es leuchtet das Meer! p1b_278.010 Und wo ich hin rudre, p1b_278.011 Entbrennet die Flut: p1b_278.012 Es schaukelt mein Nachen p1b_278.013 Jn wallender Glut u. s. w. p1b_278.014 Näher und näher p1b_278.017Kam das Gekling und das Klatschen der Peitsch' und der Pferde Getrampel. p1b_278.018 p1b_278.022 Löst mir in Eile, p1b_278.025 Brüder, die Seile, p1b_278.026 Weil wir nach langer, nach drückender Weile p1b_278.027 Wieder der prächtigen, p1b_278.028 Aber verdächtigen p1b_278.029 Flut uns bemächtigen, p1b_278.030 Spannt mir die Segel und löst mir die Seile. p1b_278.031 p1b_278.035 Wär' ich die Luft, um die Flügel zu schlagen, p1b_278.038 Wolken zu jagen, p1b_278.039 Über die Gipfel der Berge zu streben, p1b_278.040 Das wär ein Leben! p1b_278.041 Bräuten an ihrem Gewande zu säuseln, p1b_278.042 Locken zu kräuseln, p1b_278.043 Düfte von Beiden als Steuer erheben, p1b_278.044 Das wär ein Leben! p1b_278.045 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0312" n="278"/> <p><lb n="p1b_278.001"/> Die Bewegung des Nachens zeigt das Metrum eines in Schilderung und <lb n="p1b_278.002"/> rhythmischer Malerei erhabenen Gedichts von Kopisch. Wir erhalten durch <lb n="p1b_278.003"/> dasselbe ein treffliches Bild vom schaukelnden Nachen in wallender Flut. Die <lb n="p1b_278.004"/> für die Vorstellung ergreifende Malerei wird durch den bewegten Wellenschlag <lb n="p1b_278.005"/> des Rhythmus wunderbar unterstützt:</p> <lb n="p1b_278.006"/> <lg> <l>O komm in mein Schiffchen,</l> <lb n="p1b_278.007"/> <l>Geliebte, daher!</l> <lb n="p1b_278.008"/> <l>Die Nacht ist so still und</l> <lb n="p1b_278.009"/> <l>Es leuchtet das Meer!</l> <lb n="p1b_278.010"/> <l>Und wo ich hin rudre,</l> <lb n="p1b_278.011"/> <l>Entbrennet die Flut:</l> <lb n="p1b_278.012"/> <l>Es schaukelt mein Nachen</l> <lb n="p1b_278.013"/> <l>Jn wallender Glut u. s. w.</l> </lg> <p><lb n="p1b_278.014"/> Der daktylische Rhythmus deutet den Jnhalt des nachfolgenden Verses <lb n="p1b_278.015"/> von Voß im 70. Geburtstage an:</p> <lb n="p1b_278.016"/> <p> <hi rendition="#right">Näher und näher</hi> </p> <lb n="p1b_278.017"/> <lg> <l>Kam das Gekling und das Klatschen der Peitsch' und der Pferde Getrampel.</l> </lg> <p><lb n="p1b_278.018"/> (Vgl. das oben erwähnte <hi rendition="#aq">Quadrupedante putrem sonitu quatit <lb n="p1b_278.019"/> ungula campum</hi>. Es ist neben dem daktylischen Rhythmus auch die Mischung <lb n="p1b_278.020"/> der Laute k, kl, p, tsch, bei Voß [<hi rendition="#aq">q, p, k</hi> bei Virgil], wodurch das Pferdegetrampel <lb n="p1b_278.021"/> noch malerischer nachgeahmt wird, als z. B. Bürger malt. § 54.)</p> <p><lb n="p1b_278.022"/> Die Daktylen wendet auch Platen an, um das Schaukeln des von den <lb n="p1b_278.023"/> Wogen bewegten Schiffes wiederzugeben.</p> <lb n="p1b_278.024"/> <lg> <l> Löst mir in Eile,</l> <lb n="p1b_278.025"/> <l> Brüder, die Seile,</l> <lb n="p1b_278.026"/> <l>Weil wir nach langer, nach drückender Weile</l> <lb n="p1b_278.027"/> <l> Wieder der prächtigen,</l> <lb n="p1b_278.028"/> <l> Aber verdächtigen</l> <lb n="p1b_278.029"/> <l> Flut uns bemächtigen,</l> <lb n="p1b_278.030"/> <l>Spannt mir die Segel und löst mir die Seile.</l> </lg> <p><lb n="p1b_278.031"/> Die polternd galoppierende Bewegung des hinabrollenden Steins drückt <lb n="p1b_278.032"/> Voß auch in der Übersetzung dieser Stelle aus (Odyssee 11, 598: <foreign xml:lang="grc">Αὐτὰρ</foreign> <lb n="p1b_278.033"/> <foreign xml:lang="grc">ἔπειτα πέδονδε κυλίνδετο λᾶας ἀναιδής</foreign> == Hurtig mit Donnergepolter <lb n="p1b_278.034"/> entrollte der tückische Marmor; vgl. § 54).</p> <p><lb n="p1b_278.035"/> Das anmutige, spielerische, stürmische und doch wieder liebliche Lüfteleben <lb n="p1b_278.036"/> schildert Rückert durch Daktylenbewegung:</p> <lb n="p1b_278.037"/> <lg> <l>Wär' ich die Luft, um die Flügel zu schlagen,</l> <lb n="p1b_278.038"/> <l> Wolken zu jagen,</l> <lb n="p1b_278.039"/> <l>Über die Gipfel der Berge zu streben,</l> <lb n="p1b_278.040"/> <l> Das wär ein Leben! </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_278.041"/> <l>Bräuten an ihrem Gewande zu säuseln,</l> <lb n="p1b_278.042"/> <l> Locken zu kräuseln,</l> <lb n="p1b_278.043"/> <l>Düfte von Beiden als Steuer erheben,</l> <lb n="p1b_278.044"/> <l> Das wär ein Leben!</l> </lg> <p><lb n="p1b_278.045"/> Höchst wirkungsvoll und bezaubernd ist das Metrum in der „erwachten <lb n="p1b_278.046"/> Rose“ von Fr. v. Sallet. Welche Anteilnahme des Rhythmus an der Malerei, </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [278/0312]
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Die Bewegung des Nachens zeigt das Metrum eines in Schilderung und p1b_278.002
rhythmischer Malerei erhabenen Gedichts von Kopisch. Wir erhalten durch p1b_278.003
dasselbe ein treffliches Bild vom schaukelnden Nachen in wallender Flut. Die p1b_278.004
für die Vorstellung ergreifende Malerei wird durch den bewegten Wellenschlag p1b_278.005
des Rhythmus wunderbar unterstützt:
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O komm in mein Schiffchen, p1b_278.007
Geliebte, daher! p1b_278.008
Die Nacht ist so still und p1b_278.009
Es leuchtet das Meer! p1b_278.010
Und wo ich hin rudre, p1b_278.011
Entbrennet die Flut: p1b_278.012
Es schaukelt mein Nachen p1b_278.013
Jn wallender Glut u. s. w.
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Der daktylische Rhythmus deutet den Jnhalt des nachfolgenden Verses p1b_278.015
von Voß im 70. Geburtstage an:
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Näher und näher
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Kam das Gekling und das Klatschen der Peitsch' und der Pferde Getrampel.
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(Vgl. das oben erwähnte Quadrupedante putrem sonitu quatit p1b_278.019
ungula campum. Es ist neben dem daktylischen Rhythmus auch die Mischung p1b_278.020
der Laute k, kl, p, tsch, bei Voß [q, p, k bei Virgil], wodurch das Pferdegetrampel p1b_278.021
noch malerischer nachgeahmt wird, als z. B. Bürger malt. § 54.)
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Die Daktylen wendet auch Platen an, um das Schaukeln des von den p1b_278.023
Wogen bewegten Schiffes wiederzugeben.
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Löst mir in Eile, p1b_278.025
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Spannt mir die Segel und löst mir die Seile.
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Die polternd galoppierende Bewegung des hinabrollenden Steins drückt p1b_278.032
Voß auch in der Übersetzung dieser Stelle aus (Odyssee 11, 598: Αὐτὰρ p1b_278.033
ἔπειτα πέδονδε κυλίνδετο λᾶας ἀναιδής == Hurtig mit Donnergepolter p1b_278.034
entrollte der tückische Marmor; vgl. § 54).
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Das anmutige, spielerische, stürmische und doch wieder liebliche Lüfteleben p1b_278.036
schildert Rückert durch Daktylenbewegung:
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Über die Gipfel der Berge zu streben, p1b_278.040
Das wär ein Leben!
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Höchst wirkungsvoll und bezaubernd ist das Metrum in der „erwachten p1b_278.046
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