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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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[Beginn Spaltensatz]
Thaz heilega kornhus; p1b_223.002
Das Kornhaus, das hochheilig ist,
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mit sinen unsih fasto p1b_223.004
O möchten wir des Aufenthalts
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Joh wir thar muazin untar in p1b_223.006
Erfreuen uns, daß wir vor Gott
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fon ewon unz in ewon p1b_223.008
Mit allen Seelen, die gerecht,
[Spaltenumbruch] p1b_223.101
thaz wir ni faren furdir uz, p1b_223.102
O zögen nimmer wir daraus.
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frewen thero resto; p1b_223.104
Mit Seinen lange uns erfreun;
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blide fora gote sin p1b_223.106
Mit ihnen endlich fröhlich sind,
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mit then heilegon selon. p1b_223.108
Von Ewigkeit zu Ewigkeit.
[Ende Spaltensatz]

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Nach und nach gewöhnte sich das Ohr so sehr, den Accent auf das p1b_223.110
logisch Bedeutende (d. h. auf die Stammsilbe) zu legen, daß die Rücksicht auf p1b_223.111
die Quantität schwand.

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2. Durch den Schlußreim Otfrieds erhielt der Accent besondere p1b_223.113
Pflege
und zeigte sich sodann in der Folge allbestimmend.

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Jakob Grimm sagt, daß die deutsche Sprache die feineren Dichtungsweisen, p1b_223.115
die in Allitteration und quantitierender Messung bestanden - (und die p1b_223.116
sie in alten Zeiten besessen [?]) durch das Aufkommen des Reims aufgegeben p1b_223.117
habe; und Lachmann weist nach, daß von nun an in der althochdeutschen p1b_223.118
Verskunst der Accent seine Herrschaft entfaltet p1b_223.119
habe. Der Accent deckte die Quantität.
Diese gipfelte jetzt nur p1b_223.120
noch in dem Satze: Wenn zwischen zwei Hebungen eine ein= oder zweisilbige p1b_223.121
Senkung fällt (- Breve - oder - Breve Breve -), so ist jederzeit die Hebungssilbe lang, p1b_223.122
weil betont, welches Gesetz wir im § 80 als für unsere neuhochdeutsche Sprache p1b_223.123
ausschließlich anwendbar nachweisen werden.

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Der erste, welcher seine Schüler zur Bezeichnung des Tones deutscher p1b_223.125
Wörter anhielt, war Hrabanus Maurus, der Lehrer Otfrieds. Er ist p1b_223.126
also gewissermaßen der Begründer und Vater der deutschen accentuierenden p1b_223.127
Prosodik, die bis heute noch nicht in feste Regeln gebracht wurde. Wenn auch p1b_223.128
schon das Glossarium des h. Gallus (wahrscheinlich aus dem 7. Jahrh.) p1b_223.129
z. B. die langen Vokale meist durch Verdoppelung bezeichnet und Circumflexe p1b_223.130
oder Akute zur Bezeichnung der Längen, der Diphthonge &c. schon vor Hrabanus p1b_223.131
sehr vereinzelt vorkommen, so finden wir doch die Betonungsbezeichnung p1b_223.132
erst bei Hrabanus' Schüler Otfried angewandt, sodann häufig in Handschriften p1b_223.133
des 9. Jahrh. und der Folgezeit.

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Lachmann (in Abhandl. d. k. Akad. d. Wiss. z. Berl. a. d. Jahre 1832. p1b_223.135
Berl. 1834. Bd. II. S. 235 ff.) sagt, Otfried sei der einzige, der kein p1b_223.136
Bedenken zeige, die Länge der Vokale anzudeuten. Wenn man seine 2 oder p1b_223.137
gar 3 Accente über io iu und wenigen ähnlichen abrechnet, so haben bei ihm p1b_223.138
nur die höchst betonten Wörter jedes Satzes den Accent, in einer Langzeile in p1b_223.139
der Regel 4 (oft weniger und nur ausnahmsweise einmal mehr), natürlich p1b_223.140
jedesmal auf der höchsten Silbe (eine große Hilfe für den Vortrag!). Die p1b_223.141
Accente bezeichnen bei Otfried das Versmaß insofern, als sie in jeder Reimzeile p1b_223.142
in der Regel zwei starke Betonungen vor zwei schwächeren hervorheben (- - - -).

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[Beginn Spaltensatz]
Thaz héilega kórnhus; p1b_223.002
Das Kornhaus, das hochheilig ist,
p1b_223.003
mit sínen unsih fásto p1b_223.004
O möchten wir des Aufenthalts
p1b_223.005
Joh wir thar múazin untar ín p1b_223.006
Erfreuen uns, daß wir vor Gott
p1b_223.007
fon éwon unz in éwon p1b_223.008
Mit allen Seelen, die gerecht,
[Spaltenumbruch] p1b_223.101
thaz wir ni fáren furdir úz, p1b_223.102
O zögen nimmer wir daraus.
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fréwen thero résto; p1b_223.104
Mit Seinen lange uns erfreun;
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Mit ihnen endlich fröhlich sind,
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mit then héilegon sélon. p1b_223.108
Von Ewigkeit zu Ewigkeit.
[Ende Spaltensatz]

p1b_223.109
Nach und nach gewöhnte sich das Ohr so sehr, den Accent auf das p1b_223.110
logisch Bedeutende (d. h. auf die Stammsilbe) zu legen, daß die Rücksicht auf p1b_223.111
die Quantität schwand.

p1b_223.112
2. Durch den Schlußreim Otfrieds erhielt der Accent besondere p1b_223.113
Pflege
und zeigte sich sodann in der Folge allbestimmend.

p1b_223.114
Jakob Grimm sagt, daß die deutsche Sprache die feineren Dichtungsweisen, p1b_223.115
die in Allitteration und quantitierender Messung bestanden ─ (und die p1b_223.116
sie in alten Zeiten besessen [?]) durch das Aufkommen des Reims aufgegeben p1b_223.117
habe; und Lachmann weist nach, daß von nun an in der althochdeutschen p1b_223.118
Verskunst der Accent seine Herrschaft entfaltet p1b_223.119
habe. Der Accent deckte die Quantität.
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noch in dem Satze: Wenn zwischen zwei Hebungen eine ein= oder zweisilbige p1b_223.121
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weil betont, welches Gesetz wir im § 80 als für unsere neuhochdeutsche Sprache p1b_223.123
ausschließlich anwendbar nachweisen werden.

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Der erste, welcher seine Schüler zur Bezeichnung des Tones deutscher p1b_223.125
Wörter anhielt, war Hrabanus Maurus, der Lehrer Otfrieds. Er ist p1b_223.126
also gewissermaßen der Begründer und Vater der deutschen accentuierenden p1b_223.127
Prosodik, die bis heute noch nicht in feste Regeln gebracht wurde. Wenn auch p1b_223.128
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oder Akute zur Bezeichnung der Längen, der Diphthonge &c. schon vor Hrabanus p1b_223.131
sehr vereinzelt vorkommen, so finden wir doch die Betonungsbezeichnung p1b_223.132
erst bei Hrabanus' Schüler Otfried angewandt, sodann häufig in Handschriften p1b_223.133
des 9. Jahrh. und der Folgezeit.

p1b_223.134
Lachmann (in Abhandl. d. k. Akad. d. Wiss. z. Berl. a. d. Jahre 1832. p1b_223.135
Berl. 1834. Bd. II. S. 235 ff.) sagt, Otfried sei der einzige, der kein p1b_223.136
Bedenken zeige, die Länge der Vokale anzudeuten. Wenn man seine 2 oder p1b_223.137
gar 3 Accente über íó íú und wenigen ähnlichen abrechnet, so haben bei ihm p1b_223.138
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jedesmal auf der höchsten Silbe (eine große Hilfe für den Vortrag!). Die p1b_223.141
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/257>, abgerufen am 22.11.2024.