p1b_218.001 drei letzten Silben betonungsfähig ist. Der Accent läßt sich auf diejenige p1b_218.002 Silbe nieder, durch deren Betonung Wohlklang erzeugt wird, er p1b_218.003 ist somit euphonischer Natur. Da er nie über die drittletzte p1b_218.004 Silbe zurückgeht, so trifft er in längeren Wörtern nicht die p1b_218.005 Wurzel oder den Stamm, sondern die Ableitungs- oder Flexions= p1b_218.006 Silben.
p1b_218.007 Die Griechen wurden wahrscheinlich zu ihrem Maße nach Längen und p1b_218.008 Kürzen durch ihre vokalschweren, tönenden Endungen (z. B. der Deklination) p1b_218.009 bestimmt. Man hat sich gesagt, daß man mehr Zeit zum Aussprechen da p1b_218.010 brauche, wo Vokale zusammentreffen, wo Doppelkonsonanten durch Zusammenziehung p1b_218.011 entstehen, als da, wo einfache Vokale stehen oder ein Vokal mit dem p1b_218.012 einfachen Konsonanten verbunden ist. - Nach diesen und ähnlichen Rücksichten p1b_218.013 haben die Metriker ihre durch unzählige Ausnahmen und feine Distinktionen p1b_218.014 verwickelte Lehre über die Silbenquantität zusammengestellt, - eine Lehre, bei p1b_218.015 welcher also nicht wie in unserer neueren Metrik der Accent Sinn und Stellung p1b_218.016 des Wortes in der Rede unterscheidet, sondern die äußere Gestalt und die p1b_218.017 Zusammensetzung aus bestimmten Lauten und Lautkombinationen.
p1b_218.018 Bei aller Vollendung hat die griechische Metrik doch noch ein recht p1b_218.019 weites Gewissen. Man beachte beispielsweise nur, wie zuerst das Grundgesetz p1b_218.020 aufgestellt wird, daß zwei Kürzen eine Länge messen, und wie hinterher p1b_218.021 Über- und Unterlängen, irrationelle Trochäen, logaödische Verse, aufgelöste p1b_218.022 Dochmien &c. gelehrt werden, die doch kaum mehr als Prosa sind.
p1b_218.023 Zweifelsohne hat unsere Prosodik vor der griechischen den Vorzug, daß sie p1b_218.024 nicht gestattet, innerhalb des Verses wesentlich anders zu betonen, als es der p1b_218.025 Sinn fordert. Auf diese Weise individualisiert sie und bringt so die Natürlichkeit p1b_218.026 und Wahrheit der Darstellung mit der Schönheit und der Energie des p1b_218.027 Rhythmus in Einklang.
p1b_218.028 § 66. Der deutsche Accent als Element unserer Prosodik.
p1b_218.029 1. Der deutsche Accent als wichtigstes Element im metrischen Bau p1b_218.030 der dichterischen Rede hat die altklassische Quantität verwischt.
p1b_218.031 2. Er wirkt im Gegensatz zur griechischen Betonung durch ein p1b_218.032 Forte der Aussprache.
p1b_218.033 3. Er hat unsere Sprache zur accentuierenden entwickelt.
p1b_218.034 1. Der deutsche Accent wird von der begrifflich bedeutsamsten Silbe angezogen p1b_218.035 und ist somit logischer Natur. Die logische Attraktion ist das p1b_218.036 Prinzip, auf welchem sämmtliche, in den späteren Paragraphen zu entwickelnden p1b_218.037 deutschen Accentgesetze beruhen. Das euphonische Prinzip läuft neben dem p1b_218.038 logischen her und fällt meist mit ihm zusammen, z. B. in Wörtern wie p1b_218.039 Vater, Hoffnung. Das logische Prinzip dominiert. So hat in Folge dieses p1b_218.040 Prinzips die besondere Hervorhebung der Stammsilben (der Silbentöne) die p1b_218.041 Endungen vernachlässigt, die Töne abgeschwächt, verschluckt, abgeschnitten. So p1b_218.042 hat der dem Sprachgebrauch folgende Accent im Deutschen (wie auch in allen
p1b_218.001 drei letzten Silben betonungsfähig ist. Der Accent läßt sich auf diejenige p1b_218.002 Silbe nieder, durch deren Betonung Wohlklang erzeugt wird, er p1b_218.003 ist somit euphonischer Natur. Da er nie über die drittletzte p1b_218.004 Silbe zurückgeht, so trifft er in längeren Wörtern nicht die p1b_218.005 Wurzel oder den Stamm, sondern die Ableitungs- oder Flexions= p1b_218.006 Silben.
p1b_218.007 Die Griechen wurden wahrscheinlich zu ihrem Maße nach Längen und p1b_218.008 Kürzen durch ihre vokalschweren, tönenden Endungen (z. B. der Deklination) p1b_218.009 bestimmt. Man hat sich gesagt, daß man mehr Zeit zum Aussprechen da p1b_218.010 brauche, wo Vokale zusammentreffen, wo Doppelkonsonanten durch Zusammenziehung p1b_218.011 entstehen, als da, wo einfache Vokale stehen oder ein Vokal mit dem p1b_218.012 einfachen Konsonanten verbunden ist. ─ Nach diesen und ähnlichen Rücksichten p1b_218.013 haben die Metriker ihre durch unzählige Ausnahmen und feine Distinktionen p1b_218.014 verwickelte Lehre über die Silbenquantität zusammengestellt, ─ eine Lehre, bei p1b_218.015 welcher also nicht wie in unserer neueren Metrik der Accent Sinn und Stellung p1b_218.016 des Wortes in der Rede unterscheidet, sondern die äußere Gestalt und die p1b_218.017 Zusammensetzung aus bestimmten Lauten und Lautkombinationen.
p1b_218.018 Bei aller Vollendung hat die griechische Metrik doch noch ein recht p1b_218.019 weites Gewissen. Man beachte beispielsweise nur, wie zuerst das Grundgesetz p1b_218.020 aufgestellt wird, daß zwei Kürzen eine Länge messen, und wie hinterher p1b_218.021 Über- und Unterlängen, irrationelle Trochäen, logaödische Verse, aufgelöste p1b_218.022 Dochmien &c. gelehrt werden, die doch kaum mehr als Prosa sind.
p1b_218.023 Zweifelsohne hat unsere Prosodik vor der griechischen den Vorzug, daß sie p1b_218.024 nicht gestattet, innerhalb des Verses wesentlich anders zu betonen, als es der p1b_218.025 Sinn fordert. Auf diese Weise individualisiert sie und bringt so die Natürlichkeit p1b_218.026 und Wahrheit der Darstellung mit der Schönheit und der Energie des p1b_218.027 Rhythmus in Einklang.
p1b_218.028 § 66. Der deutsche Accent als Element unserer Prosodik.
p1b_218.029 1. Der deutsche Accent als wichtigstes Element im metrischen Bau p1b_218.030 der dichterischen Rede hat die altklassische Quantität verwischt.
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p1b_218.033 3. Er hat unsere Sprache zur accentuierenden entwickelt.
p1b_218.034 1. Der deutsche Accent wird von der begrifflich bedeutsamsten Silbe angezogen p1b_218.035 und ist somit logischer Natur. Die logische Attraktion ist das p1b_218.036 Prinzip, auf welchem sämmtliche, in den späteren Paragraphen zu entwickelnden p1b_218.037 deutschen Accentgesetze beruhen. Das euphonische Prinzip läuft neben dem p1b_218.038 logischen her und fällt meist mit ihm zusammen, z. B. in Wörtern wie p1b_218.039 Vater, Hoffnung. Das logische Prinzip dominiert. So hat in Folge dieses p1b_218.040 Prinzips die besondere Hervorhebung der Stammsilben (der Silbentöne) die p1b_218.041 Endungen vernachlässigt, die Töne abgeschwächt, verschluckt, abgeschnitten. So p1b_218.042 hat der dem Sprachgebrauch folgende Accent im Deutschen (wie auch in allen
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§ 66. Der deutsche Accent als Element unserer Prosodik. p1b_218.029
1. Der deutsche Accent als wichtigstes Element im metrischen Bau p1b_218.030
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2. Er wirkt im Gegensatz zur griechischen Betonung durch ein p1b_218.032
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1. Der deutsche Accent wird von der begrifflich bedeutsamsten Silbe angezogen p1b_218.035
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/252>, abgerufen am 22.11.2024.
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