Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_207.001 Komm milde, liebevolle Nacht! Komm, gieb p1b_207.002 p1b_207.007Mir meinen Romeo! Und stirbt er nicht, p1b_207.003 Nimm ihn, zerteil' in kleine Sterne ihn: p1b_207.004 Er wird des Himmels Antlitz so verschönen, p1b_207.005 Daß alle Welt sich in die Nacht verliebt p1b_207.006 Und Niemand mehr der eiteln Sonne huldigt. (Shakespeare: Romeo und Julie.) p1b_207.008 p1b_207.009 p1b_207.015 p1b_207.020 p1b_207.021 (Rückert, Mak.) p1b_207.026Bis an die Wogen des Meers von Tschin wirft einen Pfeil sein Bogen. p1b_207.027 p1b_207.029Das Krokodil im tiefsten Wasserschlunde, der Panther stirbt vom Hauch aus p1b_207.028 seinem Munde. (Firdusi.) p1b_207.030Sieh, Feinde, deren Last die Hügel fast versinken, p1b_207.031 p1b_207.034Den Erdkreis beben macht, p1b_207.032 Ziehn gegen dich, und droh'n mit Qual und ew'ger Nacht; p1b_207.033 Das Wasser fehlt, wo ihre Rosse trinken. (Kleist.) p1b_207.035Seid mir dankbar, daß ich nicht p1b_207.036 p1b_207.038Jn den Flammen und Vulkanen p1b_207.037 Meines Zornes euch verbrannt. (Calderon.) p1b_207.039Wer deine Nase mißt, p1b_207.040 p1b_207.043Stirbt, eh' er fertig ist, p1b_207.041 Die Ewigkeit - ohne Periphrase - p1b_207.042 Dauert etwas länger als deine Nase. (Haugs Hyperbeln auf Wahls große Nase.) p1b_207.044 O aller Nasen Nas'! Jch wollte schwören, p1b_207.047
Das Ohr kann sie nicht schnauben hören. p1b_207.001 Komm milde, liebevolle Nacht! Komm, gieb p1b_207.002 p1b_207.007Mir meinen Romeo! Und stirbt er nicht, p1b_207.003 Nimm ihn, zerteil' in kleine Sterne ihn: p1b_207.004 Er wird des Himmels Antlitz so verschönen, p1b_207.005 Daß alle Welt sich in die Nacht verliebt p1b_207.006 Und Niemand mehr der eiteln Sonne huldigt. (Shakespeare: Romeo und Julie.) p1b_207.008 p1b_207.009 p1b_207.015 p1b_207.020 p1b_207.021 (Rückert, Mak.) p1b_207.026Bis an die Wogen des Meers von Tschin wirft einen Pfeil sein Bogen. p1b_207.027 p1b_207.029Das Krokodil im tiefsten Wasserschlunde, der Panther stirbt vom Hauch aus p1b_207.028 seinem Munde. (Firdusi.) p1b_207.030Sieh, Feinde, deren Last die Hügel fast versinken, p1b_207.031 p1b_207.034Den Erdkreis beben macht, p1b_207.032 Ziehn gegen dich, und droh'n mit Qual und ew'ger Nacht; p1b_207.033 Das Wasser fehlt, wo ihre Rosse trinken. (Kleist.) p1b_207.035Seid mir dankbar, daß ich nicht p1b_207.036 p1b_207.038Jn den Flammen und Vulkanen p1b_207.037 Meines Zornes euch verbrannt. (Calderon.) p1b_207.039Wer deine Nase mißt, p1b_207.040 p1b_207.043Stirbt, eh' er fertig ist, p1b_207.041 Die Ewigkeit ─ ohne Periphrase ─ p1b_207.042 Dauert etwas länger als deine Nase. (Haugs Hyperbeln auf Wahls große Nase.) p1b_207.044 O aller Nasen Nas'! Jch wollte schwören, p1b_207.047
Das Ohr kann sie nicht schnauben hören. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0241" n="207"/> <lb n="p1b_207.001"/> <lg> <l>Komm milde, liebevolle Nacht! Komm, gieb</l> <lb n="p1b_207.002"/> <l>Mir meinen Romeo! Und stirbt er nicht,</l> <lb n="p1b_207.003"/> <l>Nimm ihn, zerteil' in kleine Sterne ihn:</l> <lb n="p1b_207.004"/> <l>Er wird des Himmels Antlitz so verschönen,</l> <lb n="p1b_207.005"/> <l>Daß alle Welt sich in die Nacht verliebt</l> <lb n="p1b_207.006"/> <l>Und Niemand mehr der eiteln Sonne huldigt.</l> </lg> <lb n="p1b_207.007"/> <p> <hi rendition="#right">(Shakespeare: Romeo und Julie.)</hi> </p> </div> <div n="5"> <p><lb n="p1b_207.008"/><hi rendition="#aq">B</hi>. Hyperbel der Reflexion.</p> <p><lb n="p1b_207.009"/> Jn der Hyperbel der Reflexion ist es die Empfindung, welche das <lb n="p1b_207.010"/> Bild auftreibt und vergrößert, die Leidenschaft, die den Begriff durch <lb n="p1b_207.011"/> das Bild idealisiert, die Phantasie, die die Anschauung in überschwengliche <lb n="p1b_207.012"/> Gebiete reißt, wobei aber der Gebildete die Übertreibung wie <lb n="p1b_207.013"/> einen Tropus empfindet und immer noch den Maßstab richtiger Beurteilung <lb n="p1b_207.014"/> der überspannten Bilder behält.</p> <p><lb n="p1b_207.015"/> Solche Hyperbeln finden sich bei Hom. Jlias <hi rendition="#aq">I. 249. IX. 385. <lb n="p1b_207.016"/> X</hi>. 437 und besonders <hi rendition="#aq">XX</hi>. 226 ff., ferner in Rückerts Napoleon <hi rendition="#aq">II</hi>. 86─88, <lb n="p1b_207.017"/> sowie daselbst S. 56, welches Beispiel zugleich als ironisch=sarkastische Hyperbel <lb n="p1b_207.018"/> gelten kann. Endlich finden sie sich besonders auch in den orientalischen Poesien <lb n="p1b_207.019"/> Rückerts.</p> <p> <lb n="p1b_207.020"/> <hi rendition="#g">Beispiele der Hyperbel der Reflexion:</hi> </p> <p><lb n="p1b_207.021"/> Doch ich streifte den Ärmel zurück und schritt ─ an's Werk mit Elefantenappetit <lb n="p1b_207.022"/> ─ und er sah mir zu mit Blicken ─ die mir wünschten zu ersticken, ─ <lb n="p1b_207.023"/> bis ich nun verschlungen die beiden Fuhren ─ und von ihrem Dasein nur zeugten <lb n="p1b_207.024"/> die Spuren ─ da ward ich stumm wie die Nacht.</p> <lb n="p1b_207.025"/> <p> <hi rendition="#right">(Rückert, Mak.)</hi> </p> <lb n="p1b_207.026"/> <lg> <l>Bis an die Wogen des Meers von Tschin wirft einen Pfeil sein Bogen.</l> <lb n="p1b_207.027"/> <l>Das Krokodil im tiefsten Wasserschlunde, der Panther stirbt vom Hauch aus</l> <lb n="p1b_207.028"/> <l> <hi rendition="#et">seinem Munde.</hi> </l> </lg> <lb n="p1b_207.029"/> <p> <hi rendition="#right">(Firdusi.)</hi> </p> <lb n="p1b_207.030"/> <lg> <l>Sieh, Feinde, deren Last die Hügel fast versinken,</l> <lb n="p1b_207.031"/> <l>Den Erdkreis beben macht,</l> <lb n="p1b_207.032"/> <l>Ziehn gegen dich, und droh'n mit Qual und ew'ger Nacht;</l> <lb n="p1b_207.033"/> <l>Das Wasser fehlt, wo ihre Rosse trinken.</l> </lg> <lb n="p1b_207.034"/> <p> <hi rendition="#right">(Kleist.)</hi> </p> <lb n="p1b_207.035"/> <lg> <l>Seid mir dankbar, daß ich nicht</l> <lb n="p1b_207.036"/> <l>Jn den Flammen und Vulkanen</l> <lb n="p1b_207.037"/> <l>Meines Zornes euch verbrannt.</l> </lg> <lb n="p1b_207.038"/> <p> <hi rendition="#right">(Calderon.)</hi> </p> <lb n="p1b_207.039"/> <lg> <l>Wer deine Nase mißt,</l> <lb n="p1b_207.040"/> <l>Stirbt, eh' er fertig ist,</l> <lb n="p1b_207.041"/> <l>Die Ewigkeit ─ ohne Periphrase ─</l> <lb n="p1b_207.042"/> <l>Dauert etwas länger als deine Nase.</l> </lg> <lb n="p1b_207.043"/> <p> <hi rendition="#right">(Haugs Hyperbeln auf Wahls große Nase.)</hi> </p> <p><lb n="p1b_207.044"/> Noch hyperbolischer führt uns Lessings bekanntes Sinngedicht eine große <lb n="p1b_207.045"/> Nase vor:</p> <lb n="p1b_207.046"/> <lg> <l>O aller Nasen Nas'! Jch wollte schwören,</l> <lb n="p1b_207.047"/> <l>Das Ohr kann sie nicht schnauben hören.</l> </lg> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [207/0241]
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Komm milde, liebevolle Nacht! Komm, gieb p1b_207.002
Mir meinen Romeo! Und stirbt er nicht, p1b_207.003
Nimm ihn, zerteil' in kleine Sterne ihn: p1b_207.004
Er wird des Himmels Antlitz so verschönen, p1b_207.005
Daß alle Welt sich in die Nacht verliebt p1b_207.006
Und Niemand mehr der eiteln Sonne huldigt.
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(Shakespeare: Romeo und Julie.)
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B. Hyperbel der Reflexion.
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Jn der Hyperbel der Reflexion ist es die Empfindung, welche das p1b_207.010
Bild auftreibt und vergrößert, die Leidenschaft, die den Begriff durch p1b_207.011
das Bild idealisiert, die Phantasie, die die Anschauung in überschwengliche p1b_207.012
Gebiete reißt, wobei aber der Gebildete die Übertreibung wie p1b_207.013
einen Tropus empfindet und immer noch den Maßstab richtiger Beurteilung p1b_207.014
der überspannten Bilder behält.
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Solche Hyperbeln finden sich bei Hom. Jlias I. 249. IX. 385. p1b_207.016
X. 437 und besonders XX. 226 ff., ferner in Rückerts Napoleon II. 86─88, p1b_207.017
sowie daselbst S. 56, welches Beispiel zugleich als ironisch=sarkastische Hyperbel p1b_207.018
gelten kann. Endlich finden sie sich besonders auch in den orientalischen Poesien p1b_207.019
Rückerts.
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Beispiele der Hyperbel der Reflexion:
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Doch ich streifte den Ärmel zurück und schritt ─ an's Werk mit Elefantenappetit p1b_207.022
─ und er sah mir zu mit Blicken ─ die mir wünschten zu ersticken, ─ p1b_207.023
bis ich nun verschlungen die beiden Fuhren ─ und von ihrem Dasein nur zeugten p1b_207.024
die Spuren ─ da ward ich stumm wie die Nacht.
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(Rückert, Mak.)
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Bis an die Wogen des Meers von Tschin wirft einen Pfeil sein Bogen. p1b_207.027
Das Krokodil im tiefsten Wasserschlunde, der Panther stirbt vom Hauch aus p1b_207.028
seinem Munde.
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Den Erdkreis beben macht, p1b_207.032
Ziehn gegen dich, und droh'n mit Qual und ew'ger Nacht; p1b_207.033
Das Wasser fehlt, wo ihre Rosse trinken.
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(Kleist.)
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Seid mir dankbar, daß ich nicht p1b_207.036
Jn den Flammen und Vulkanen p1b_207.037
Meines Zornes euch verbrannt.
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(Calderon.)
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Wer deine Nase mißt, p1b_207.040
Stirbt, eh' er fertig ist, p1b_207.041
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Dauert etwas länger als deine Nase.
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Noch hyperbolischer führt uns Lessings bekanntes Sinngedicht eine große p1b_207.045
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Das Ohr kann sie nicht schnauben hören.
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