Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
p1b_147.001
Drittes Hauptstück. p1b_147.002
Tropen und Figuren. ------
p1b_147.003
Jn der Beschränkung zeigt sich erst der Meister, p1b_147.004
Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.
p1b_147.005

Goethe (Natur und Kunst).

p1b_147.006
§ 33. Allgemeines über Tropen und Figuren.

p1b_147.007
Das Allgemeine über Tropen und Figuren hat zu behandeln: p1b_147.008
I. Die Erklärung ihres Begriffs; II. Entstehung, Zweck und Bedeutung p1b_147.009
der Tropen und Figuren; III. Die Erörterung, wie aus den Tropen p1b_147.010
die Mythologie erblühte.

p1b_147.011
I. Erklärung der Begriffe Tropen und Figuren.

p1b_147.012
1. Tropen und Figuren sind die Schönheitsblüten des bildlichen p1b_147.013
Ausdrucks. Sie verleihen der poetischen Darstellung Anschaulichkeit, p1b_147.014
Schmuck und Leben.

p1b_147.015
2. Man versteht unter Tropen oder Bildern diejenigen Wendungen, p1b_147.016
welche neben den eigentlichen Begriffen diesen ähnliche Begriffe p1b_147.017
geben, indem sie diese mit jenen vertauschen (z. B. für Regendach p1b_147.018
Schirm setzen; für Wolke == Segler der Lüfte; für Schiff == Meerroß). p1b_147.019
Sie sind die Umschreibung oder Vertauschung eines eigentlichen p1b_147.020
Ausdrucks gegen einen uneigentlichen. Sie weichen vom gewöhnlichen p1b_147.021
Ausdruck der ursprünglichen Bedeutung des Jnhalts sachlich ab, p1b_147.022
während die Figuren grammatische, sprachliche oder rhetorische Abweichungen p1b_147.023
von den gebräuchlichen Wort- und Satzformen sind: p1b_147.024
eigenartige Wort- und Satzformen, oder mit andern Worten: - p1b_147.025
grammatische Eigenheiten des sprachlichen Ausdrucks (z. B. "Und es p1b_147.026
wallet und siedet und brauset und zischt" für: "Und es wallet, siedet, p1b_147.027
brauset und zischt". Oder: "Hier steht Graf Otto" für: "hier stehe ich". p1b_147.028
Oder: "Ach Mutter, ach Mutter, wie bin ich so krank" für: "Ach

p1b_147.001
Drittes Hauptstück. p1b_147.002
Tropen und Figuren. ──────
p1b_147.003
Jn der Beschränkung zeigt sich erst der Meister, p1b_147.004
Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.
p1b_147.005

Goethe (Natur und Kunst).

p1b_147.006
§ 33. Allgemeines über Tropen und Figuren.

p1b_147.007
Das Allgemeine über Tropen und Figuren hat zu behandeln: p1b_147.008
I. Die Erklärung ihres Begriffs; II. Entstehung, Zweck und Bedeutung p1b_147.009
der Tropen und Figuren; III. Die Erörterung, wie aus den Tropen p1b_147.010
die Mythologie erblühte.

p1b_147.011
I. Erklärung der Begriffe Tropen und Figuren.

p1b_147.012
1. Tropen und Figuren sind die Schönheitsblüten des bildlichen p1b_147.013
Ausdrucks. Sie verleihen der poetischen Darstellung Anschaulichkeit, p1b_147.014
Schmuck und Leben.

p1b_147.015
2. Man versteht unter Tropen oder Bildern diejenigen Wendungen, p1b_147.016
welche neben den eigentlichen Begriffen diesen ähnliche Begriffe p1b_147.017
geben, indem sie diese mit jenen vertauschen (z. B. für Regendach p1b_147.018
Schirm setzen; für Wolke == Segler der Lüfte; für Schiff == Meerroß). p1b_147.019
Sie sind die Umschreibung oder Vertauschung eines eigentlichen p1b_147.020
Ausdrucks gegen einen uneigentlichen. Sie weichen vom gewöhnlichen p1b_147.021
Ausdruck der ursprünglichen Bedeutung des Jnhalts sachlich ab, p1b_147.022
während die Figuren grammatische, sprachliche oder rhetorische Abweichungen p1b_147.023
von den gebräuchlichen Wort- und Satzformen sind: p1b_147.024
eigenartige Wort- und Satzformen, oder mit andern Worten: ─ p1b_147.025
grammatische Eigenheiten des sprachlichen Ausdrucks (z. B. „Und es p1b_147.026
wallet und siedet und brauset und zischt“ für: „Und es wallet, siedet, p1b_147.027
brauset und zischt“. Oder: „Hier steht Graf Otto“ für: „hier stehe ich“. p1b_147.028
Oder: „Ach Mutter, ach Mutter, wie bin ich so krank“ für: „Ach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0181" n="E147"/>
          </div>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <lb n="p1b_147.001"/>
        <head> <hi rendition="#c">Drittes Hauptstück. <lb n="p1b_147.002"/> <hi rendition="#g">Tropen und Figuren</hi>. &#x2500;&#x2500;&#x2500;&#x2500;&#x2500;&#x2500;</hi> </head>
        <lb n="p1b_147.003"/>
        <lg>
          <l>Jn der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,</l>
          <lb n="p1b_147.004"/>
          <l>Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.</l>
        </lg>
        <lb n="p1b_147.005"/>
        <p> <hi rendition="#right">Goethe (Natur und Kunst).</hi> </p>
        <lb n="p1b_147.006"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#c">§ 33. Allgemeines über Tropen und Figuren.</hi> </head>
          <p><lb n="p1b_147.007"/>
Das Allgemeine über Tropen und Figuren hat zu behandeln: <lb n="p1b_147.008"/> <hi rendition="#aq">I</hi>. Die Erklärung ihres Begriffs; <hi rendition="#aq">II</hi>. Entstehung, Zweck und Bedeutung <lb n="p1b_147.009"/>
der Tropen und Figuren; <hi rendition="#aq">III</hi>. Die Erörterung, wie aus den Tropen <lb n="p1b_147.010"/>
die Mythologie erblühte.</p>
          <lb n="p1b_147.011"/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#aq">I</hi>. Erklärung der Begriffe Tropen und Figuren. </head>
            <p><lb n="p1b_147.012"/>
1. Tropen und Figuren sind die Schönheitsblüten des bildlichen <lb n="p1b_147.013"/>
Ausdrucks. Sie verleihen der poetischen Darstellung Anschaulichkeit, <lb n="p1b_147.014"/>
Schmuck und Leben.</p>
            <p><lb n="p1b_147.015"/>
2. Man versteht unter <hi rendition="#g">Tropen</hi> oder Bildern diejenigen Wendungen, <lb n="p1b_147.016"/>
welche neben den eigentlichen Begriffen diesen <hi rendition="#g">ähnliche</hi> Begriffe <lb n="p1b_147.017"/>
geben, indem sie diese mit jenen vertauschen (z. B. für Regendach <lb n="p1b_147.018"/>
Schirm setzen; für Wolke == Segler der Lüfte; für Schiff == Meerroß). <lb n="p1b_147.019"/>
Sie sind die Umschreibung oder Vertauschung eines eigentlichen <lb n="p1b_147.020"/>
Ausdrucks gegen einen uneigentlichen. Sie weichen vom gewöhnlichen <lb n="p1b_147.021"/>
Ausdruck der ursprünglichen Bedeutung des Jnhalts <hi rendition="#g">sachlich</hi> ab, <lb n="p1b_147.022"/>
während die Figuren grammatische, sprachliche oder rhetorische <hi rendition="#g">Abweichungen</hi> <lb n="p1b_147.023"/>
von den gebräuchlichen Wort- und Satzformen sind: <lb n="p1b_147.024"/>
eigenartige Wort- und Satzformen, oder mit andern Worten: &#x2500; <lb n="p1b_147.025"/>
grammatische Eigenheiten des sprachlichen Ausdrucks (z. B. &#x201E;Und es <lb n="p1b_147.026"/>
wallet und siedet und brauset und zischt&#x201C; für: &#x201E;Und es wallet, siedet, <lb n="p1b_147.027"/>
brauset und zischt&#x201C;. Oder: &#x201E;Hier steht Graf Otto&#x201C; für: &#x201E;hier stehe ich&#x201C;. <lb n="p1b_147.028"/>
Oder: &#x201E;Ach Mutter, ach Mutter, wie bin ich so krank&#x201C; für: &#x201E;Ach
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[E147/0181] p1b_147.001 Drittes Hauptstück. p1b_147.002 Tropen und Figuren. ────── p1b_147.003 Jn der Beschränkung zeigt sich erst der Meister, p1b_147.004 Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben. p1b_147.005 Goethe (Natur und Kunst). p1b_147.006 § 33. Allgemeines über Tropen und Figuren. p1b_147.007 Das Allgemeine über Tropen und Figuren hat zu behandeln: p1b_147.008 I. Die Erklärung ihres Begriffs; II. Entstehung, Zweck und Bedeutung p1b_147.009 der Tropen und Figuren; III. Die Erörterung, wie aus den Tropen p1b_147.010 die Mythologie erblühte. p1b_147.011 I. Erklärung der Begriffe Tropen und Figuren. p1b_147.012 1. Tropen und Figuren sind die Schönheitsblüten des bildlichen p1b_147.013 Ausdrucks. Sie verleihen der poetischen Darstellung Anschaulichkeit, p1b_147.014 Schmuck und Leben. p1b_147.015 2. Man versteht unter Tropen oder Bildern diejenigen Wendungen, p1b_147.016 welche neben den eigentlichen Begriffen diesen ähnliche Begriffe p1b_147.017 geben, indem sie diese mit jenen vertauschen (z. B. für Regendach p1b_147.018 Schirm setzen; für Wolke == Segler der Lüfte; für Schiff == Meerroß). p1b_147.019 Sie sind die Umschreibung oder Vertauschung eines eigentlichen p1b_147.020 Ausdrucks gegen einen uneigentlichen. Sie weichen vom gewöhnlichen p1b_147.021 Ausdruck der ursprünglichen Bedeutung des Jnhalts sachlich ab, p1b_147.022 während die Figuren grammatische, sprachliche oder rhetorische Abweichungen p1b_147.023 von den gebräuchlichen Wort- und Satzformen sind: p1b_147.024 eigenartige Wort- und Satzformen, oder mit andern Worten: ─ p1b_147.025 grammatische Eigenheiten des sprachlichen Ausdrucks (z. B. „Und es p1b_147.026 wallet und siedet und brauset und zischt“ für: „Und es wallet, siedet, p1b_147.027 brauset und zischt“. Oder: „Hier steht Graf Otto“ für: „hier stehe ich“. p1b_147.028 Oder: „Ach Mutter, ach Mutter, wie bin ich so krank“ für: „Ach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/181
Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. E147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/181>, abgerufen am 24.11.2024.