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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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§ 28. Das Schöne in der Lautmalerei. Klangschönheit.

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1. Die Lautmalerei, welche Klangschönheit und Wohllaut erzielt, p1b_119.003
ist die Kunst des Dichters, durch Vokal- und Konsonantenverbindungen p1b_119.004
die Stimmung und den Charakter des Begriffs oder des Jnhalts schon p1b_119.005
im Klange anzudeuten, wie es die lautmalende Figur Onomatopöie p1b_119.006
verlangt. (§ 54.)

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2. Das Bedürfnis der Wortbildung veranlaßte schon die Naturvölker, p1b_119.008
die Ähnlichkeit gewisser Eindrücke mit Konsonanten und Vokalen p1b_119.009
durch Lautmalerei auszudrücken.

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3. Unsere besten Dichter haben sich der Lautmalerei zur Erreichung p1b_119.011
der Klangschönheit und des Wohllauts bedient.

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1. Wenn auch von vielen Dichtern behauptet werden kann, daß sie nicht p1b_119.013
mit dem vollen Verständnis der zu erzielenden Wirkung bestimmte Vokale für p1b_119.014
eine besondere Stimmung oder Empfindung anwenden, so ist doch die Lautmalerei p1b_119.015
von den hervorragendsten mit Erfolg verwertet worden. Der malende p1b_119.016
Dichter erstrebt Äquivalente, die möglichst sinnlich bezeichnen. Er sucht nach p1b_119.017
denjenigen Wortlauten, welche dem Hauptklang der auszudrückenden Stimmung p1b_119.018
in ihren Konsonanten oder ihren Vokalen oder beiden zugleich ähneln. Wenn p1b_119.019
er einen Sturm schildert, so möchte er gern alle Wörter, die er für seine p1b_119.020
Dichtung gebraucht, sausen hören, wie den Sturm selbst, während er für das p1b_119.021
Säuseln eines linden Westwindes nur säuselnde, fächelnde, hauchende Wörter p1b_119.022
seinem Gedanken entsprechend findet. Für die Empfindung der Liebenden müssen p1b_119.023
ihm beispielsweise alle Wörter so anklingen, wie das schöne Wort Liebe selbst:

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z. B.: Wo Liebe lebt und labt, ist lieb das Leben. (Vgl. die Beispiele des Konsonanten p1b_119.025
l S. 129. a und b.)

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Unzählige Beispiele können es dem aufmerksam Lesenden erhärten, daß p1b_119.027
diesem Ausgangspunkt, diesem Bestreben alle malenden Dichterstellen ihren p1b_119.028
Ursprung verdanken. Der mit dem Grundton harmonierende Rhythmus p1b_119.029
bringt eine gewisse Einheit in das Mannigfaltige, wodurch die Darstellung p1b_119.030
malerisch sich gestaltet und Sinnlichkeit und Geist in dem Gewähren einer harmonischen p1b_119.031
Thätigkeit sich äußern. Darum faßt der Dichter den sprachlichen p1b_119.032
Ausdruck so, daß die erwähnten Figuren das Ohr bei gleichen Klängen p1b_119.033
verweilen lassen, wo der innere Sinn in gleicher Thätigkeit beharrt.

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2. Man findet malerische Nachahmung in allen Sprachen, und Herder p1b_119.036
nimmt solche Nachahmung als ersten Grund und Anfang der menschlichen Sprache p1b_119.037
überhaupt an. Allmählich erhielten die Empfindungen und Anschauungen in p1b_119.038
feststehenden Ausdrücken ihre Bezeichnung, und es gehört zu den interessantesten p1b_119.039
Forschungen, wie dies geschah, und wie die nötige Tonverschiedenheit durch das p1b_119.040
menschliche Sprachorgan möglich wurde.

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Ohne Zweifel war ursprünglich mit jedem Laut ein gewisser Vorstellungs= p1b_119.042
und Gedankenwert verbunden.

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Unzählige Beispiele können es dem aufmerksam Lesenden erhärten, daß p1b_119.027
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verweilen lassen, wo der innere Sinn in gleicher Thätigkeit beharrt.

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/153>, abgerufen am 22.11.2024.