Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Feststellung des Gegenstandes. in der That auch nicht das Geringste für diese so allgemein ge-faßte Behauptung anzuführen. Es wird also wohl nur an ein- zelne Lebensverhältnisse zu denken seyn, welche sich, als Deutsch- land aus dem Mittelalter in die moderne Zeit übertrat, neu entwickelt haben. Doch möchten diese gerade in der Sphäre des Privatrechts, für welches die Herrschaft des römischen Rechts ja vorzugsweise begründet worden ist, am Spärlichsten anzutreffen seyn, wenigstens insofern es das Recht der Fa- milie und des Grundbesitzes betrifft. Am Ersten noch wäre wohl für das Recht der Forderungen eine solche Umänderung anzunehmen, obgleich sie durchaus nicht allgemein eintrat, und jedenfalls sehr langsam vor sich ging; denn noch bis in das 17. Jahrhundert hinein behielten z. B. der Rentenkauf und die nutzbare Pfandsetzung ein entschiedenes Uebergewicht über das zinsbare Darlehn. Wenn sich aber auch wirklich einzelne neue Lebensverhältnisse zeigten, welche den Satzungen des äl- teren deutschen Rechts entwachsen waren, so dürfte man doch wohl, vom Standpuncte der historischen Rechtslehre aus, zu der Annahme berechtigt seyn, daß sich ihnen auch gleichzeitig eine entsprechende Rechtsbildung in selbständiger Entwicklung angeschlossen habe. Und daß so etwas wirklich in Deutsch- land vorgegangen ist, zeigen z. B. die allmäligen Verände- rungen, welche in dem Güterrecht der Ehegatten eintraten; desgleichen die große Ausbildung, welche das deutsche Obliga- tionenrecht, namentlich insofern es sich auf das Handelsrecht bezog, erfuhr, worüber die von Michelsen herausgegebenen Ur- theile des Lübecker Oberhofs so interessante Belege liefern. -- Aber gesetzt auch, für die neuen Lebensverhältnisse wäre das römische Recht die passende Quelle der Entscheidung gewesen, so ist es ja für das Privatrecht und einen großen Theil des Feſtſtellung des Gegenſtandes. in der That auch nicht das Geringſte fuͤr dieſe ſo allgemein ge-faßte Behauptung anzufuͤhren. Es wird alſo wohl nur an ein- zelne Lebensverhaͤltniſſe zu denken ſeyn, welche ſich, als Deutſch- land aus dem Mittelalter in die moderne Zeit uͤbertrat, neu entwickelt haben. Doch moͤchten dieſe gerade in der Sphaͤre des Privatrechts, fuͤr welches die Herrſchaft des roͤmiſchen Rechts ja vorzugsweiſe begruͤndet worden iſt, am Spaͤrlichſten anzutreffen ſeyn, wenigſtens inſofern es das Recht der Fa- milie und des Grundbeſitzes betrifft. Am Erſten noch waͤre wohl fuͤr das Recht der Forderungen eine ſolche Umaͤnderung anzunehmen, obgleich ſie durchaus nicht allgemein eintrat, und jedenfalls ſehr langſam vor ſich ging; denn noch bis in das 17. Jahrhundert hinein behielten z. B. der Rentenkauf und die nutzbare Pfandſetzung ein entſchiedenes Uebergewicht uͤber das zinsbare Darlehn. Wenn ſich aber auch wirklich einzelne neue Lebensverhaͤltniſſe zeigten, welche den Satzungen des aͤl- teren deutſchen Rechts entwachſen waren, ſo duͤrfte man doch wohl, vom Standpuncte der hiſtoriſchen Rechtslehre aus, zu der Annahme berechtigt ſeyn, daß ſich ihnen auch gleichzeitig eine entſprechende Rechtsbildung in ſelbſtaͤndiger Entwicklung angeſchloſſen habe. Und daß ſo etwas wirklich in Deutſch- land vorgegangen iſt, zeigen z. B. die allmaͤligen Veraͤnde- rungen, welche in dem Guͤterrecht der Ehegatten eintraten; desgleichen die große Ausbildung, welche das deutſche Obliga- tionenrecht, namentlich inſofern es ſich auf das Handelsrecht bezog, erfuhr, woruͤber die von Michelſen herausgegebenen Ur- theile des Luͤbecker Oberhofs ſo intereſſante Belege liefern. — Aber geſetzt auch, fuͤr die neuen Lebensverhaͤltniſſe waͤre das roͤmiſche Recht die paſſende Quelle der Entſcheidung geweſen, ſo iſt es ja fuͤr das Privatrecht und einen großen Theil des <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0087" n="75"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Feſtſtellung des Gegenſtandes</hi>.</fw><lb/> in der That auch nicht das Geringſte fuͤr dieſe ſo allgemein ge-<lb/> faßte Behauptung anzufuͤhren. 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Feſtſtellung des Gegenſtandes.
in der That auch nicht das Geringſte fuͤr dieſe ſo allgemein ge-
faßte Behauptung anzufuͤhren. Es wird alſo wohl nur an ein-
zelne Lebensverhaͤltniſſe zu denken ſeyn, welche ſich, als Deutſch-
land aus dem Mittelalter in die moderne Zeit uͤbertrat, neu
entwickelt haben. Doch moͤchten dieſe gerade in der Sphaͤre
des Privatrechts, fuͤr welches die Herrſchaft des roͤmiſchen
Rechts ja vorzugsweiſe begruͤndet worden iſt, am Spaͤrlichſten
anzutreffen ſeyn, wenigſtens inſofern es das Recht der Fa-
milie und des Grundbeſitzes betrifft. Am Erſten noch waͤre
wohl fuͤr das Recht der Forderungen eine ſolche Umaͤnderung
anzunehmen, obgleich ſie durchaus nicht allgemein eintrat, und
jedenfalls ſehr langſam vor ſich ging; denn noch bis in das
17. Jahrhundert hinein behielten z. B. der Rentenkauf und
die nutzbare Pfandſetzung ein entſchiedenes Uebergewicht uͤber
das zinsbare Darlehn. Wenn ſich aber auch wirklich einzelne
neue Lebensverhaͤltniſſe zeigten, welche den Satzungen des aͤl-
teren deutſchen Rechts entwachſen waren, ſo duͤrfte man doch
wohl, vom Standpuncte der hiſtoriſchen Rechtslehre aus, zu
der Annahme berechtigt ſeyn, daß ſich ihnen auch gleichzeitig
eine entſprechende Rechtsbildung in ſelbſtaͤndiger Entwicklung
angeſchloſſen habe. Und daß ſo etwas wirklich in Deutſch-
land vorgegangen iſt, zeigen z. B. die allmaͤligen Veraͤnde-
rungen, welche in dem Guͤterrecht der Ehegatten eintraten;
desgleichen die große Ausbildung, welche das deutſche Obliga-
tionenrecht, namentlich inſofern es ſich auf das Handelsrecht
bezog, erfuhr, woruͤber die von Michelſen herausgegebenen Ur-
theile des Luͤbecker Oberhofs ſo intereſſante Belege liefern. —
Aber geſetzt auch, fuͤr die neuen Lebensverhaͤltniſſe waͤre das
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