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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Historische Einleitung.
ßen vermocht hat; so würde daraus die wichtigste Folgerung
abzuleiten seyn. Denn die Herrschaft des römischen
Rechts würde sich dann nur als eine Episode in
der deutschen Rechtsgeschichte darstellen
, und nicht
unbegründet erschiene die Hoffnung, daß allmälig jener Kampf
der widerstrebenden Elemente zu deren organischer Verbindung
führen, und diese wieder von einem wesentlichen, nationalen
Princip werde beherrscht werden. Die Lösung dieser Frage
hängt von der Zukunft, und namentlich von der weiteren po-
litischen Gestaltung Deutschlands ab; aber daß die Art, wie
man die Reception des römischen Rechts verstanden hat, nicht
immer dieselbe gewesen, sondern zu den verschiedenen Zeiten
nach den angedeuteten Momenten gewechselt hat, soll hier in
der Kürze gezeigt werden.

Die Juristen, welche zuerst als die Verbreiter des römi-
schen Rechts in Deutschland auftraten, hatten ihre Kenntniß
von demselben nicht unmittelbar aus den Quellen geschöpft;
sie schlossen sich vielmehr, insofern sie nicht bloß das geistliche
Recht ins Auge faßten, genau an die Lehre der Italiener, der
Glossatoren und deren Nachfolger, namentlich des Bartolus
und Baldus, an. Bei diesen glaubte man das sichere Ergeb-
niß einer gelehrten, über alle Kritik erhabenen Quellenfor-
schung zu finden, und kam dadurch in den Besitz eines Ma-
terials, welches für die Verhältnisse des modernen Lebens schon
einigermaaßen zugerichtet war. Für diese juristische Gemein-
lehre, deren Kern nur das römische Recht bildete, ward denn
die unbedingte Geltung in Anspruch genommen. So blieb
es, bis im Anfange des 16. Jahrhunderts die Deutschen und
besonders Ulrich Zasius selbständige Studien im römischen
Rechte machten. Mit diesem ausgezeichneten Manne, der eine

Hiſtoriſche Einleitung.
ßen vermocht hat; ſo wuͤrde daraus die wichtigſte Folgerung
abzuleiten ſeyn. Denn die Herrſchaft des roͤmiſchen
Rechts wuͤrde ſich dann nur als eine Epiſode in
der deutſchen Rechtsgeſchichte darſtellen
, und nicht
unbegruͤndet erſchiene die Hoffnung, daß allmaͤlig jener Kampf
der widerſtrebenden Elemente zu deren organiſcher Verbindung
fuͤhren, und dieſe wieder von einem weſentlichen, nationalen
Princip werde beherrſcht werden. Die Loͤſung dieſer Frage
haͤngt von der Zukunft, und namentlich von der weiteren po-
litiſchen Geſtaltung Deutſchlands ab; aber daß die Art, wie
man die Reception des roͤmiſchen Rechts verſtanden hat, nicht
immer dieſelbe geweſen, ſondern zu den verſchiedenen Zeiten
nach den angedeuteten Momenten gewechſelt hat, ſoll hier in
der Kuͤrze gezeigt werden.

Die Juriſten, welche zuerſt als die Verbreiter des roͤmi-
ſchen Rechts in Deutſchland auftraten, hatten ihre Kenntniß
von demſelben nicht unmittelbar aus den Quellen geſchoͤpft;
ſie ſchloſſen ſich vielmehr, inſofern ſie nicht bloß das geiſtliche
Recht ins Auge faßten, genau an die Lehre der Italiener, der
Gloſſatoren und deren Nachfolger, namentlich des Bartolus
und Baldus, an. Bei dieſen glaubte man das ſichere Ergeb-
niß einer gelehrten, uͤber alle Kritik erhabenen Quellenfor-
ſchung zu finden, und kam dadurch in den Beſitz eines Ma-
terials, welches fuͤr die Verhaͤltniſſe des modernen Lebens ſchon
einigermaaßen zugerichtet war. Fuͤr dieſe juriſtiſche Gemein-
lehre, deren Kern nur das roͤmiſche Recht bildete, ward denn
die unbedingte Geltung in Anſpruch genommen. So blieb
es, bis im Anfange des 16. Jahrhunderts die Deutſchen und
beſonders Ulrich Zaſius ſelbſtaͤndige Studien im roͤmiſchen
Rechte machten. Mit dieſem ausgezeichneten Manne, der eine

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[43/0055] Hiſtoriſche Einleitung. ßen vermocht hat; ſo wuͤrde daraus die wichtigſte Folgerung abzuleiten ſeyn. Denn die Herrſchaft des roͤmiſchen Rechts wuͤrde ſich dann nur als eine Epiſode in der deutſchen Rechtsgeſchichte darſtellen, und nicht unbegruͤndet erſchiene die Hoffnung, daß allmaͤlig jener Kampf der widerſtrebenden Elemente zu deren organiſcher Verbindung fuͤhren, und dieſe wieder von einem weſentlichen, nationalen Princip werde beherrſcht werden. Die Loͤſung dieſer Frage haͤngt von der Zukunft, und namentlich von der weiteren po- litiſchen Geſtaltung Deutſchlands ab; aber daß die Art, wie man die Reception des roͤmiſchen Rechts verſtanden hat, nicht immer dieſelbe geweſen, ſondern zu den verſchiedenen Zeiten nach den angedeuteten Momenten gewechſelt hat, ſoll hier in der Kuͤrze gezeigt werden. Die Juriſten, welche zuerſt als die Verbreiter des roͤmi- ſchen Rechts in Deutſchland auftraten, hatten ihre Kenntniß von demſelben nicht unmittelbar aus den Quellen geſchoͤpft; ſie ſchloſſen ſich vielmehr, inſofern ſie nicht bloß das geiſtliche Recht ins Auge faßten, genau an die Lehre der Italiener, der Gloſſatoren und deren Nachfolger, namentlich des Bartolus und Baldus, an. Bei dieſen glaubte man das ſichere Ergeb- niß einer gelehrten, uͤber alle Kritik erhabenen Quellenfor- ſchung zu finden, und kam dadurch in den Beſitz eines Ma- terials, welches fuͤr die Verhaͤltniſſe des modernen Lebens ſchon einigermaaßen zugerichtet war. Fuͤr dieſe juriſtiſche Gemein- lehre, deren Kern nur das roͤmiſche Recht bildete, ward denn die unbedingte Geltung in Anſpruch genommen. So blieb es, bis im Anfange des 16. Jahrhunderts die Deutſchen und beſonders Ulrich Zaſius ſelbſtaͤndige Studien im roͤmiſchen Rechte machten. Mit dieſem ausgezeichneten Manne, der eine

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/55>, abgerufen am 24.11.2024.