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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Neuntes Kapitel.
Geschwornen in Civilsachen nicht aufgenommen, und dafür im
Notariat ein Institut aufgestellt, welches für die formelle Rechts-
sicherheit außerordentlich viel leistet, freilich aber auch große
Opfer verlangt, welche scheint es vermieden werden könnten,
wenn die äußere Form weniger ausschließlich in der Schrift
und namentlich in den Acten der Notare concentrirt wäre.
Der deutsche Proceß, wenigstens der gemeinrechtliche, ist in die-
ser Beziehung ganz verwildert, seitdem die Juristen den Grund-
satz von der Klagbarkeit der formlosen Verträge aufgebracht
haben, und für die daraus erwachsene Verlegenheit kein ande-
res Gegenmittel, als den Schiedseid aufzustellen wußten. Daß
hier eine Aushülfe Noth thut, ist außer Zweifel; es fragt sich
nur, ob man sich dem Princip des englischen oder dem des
französischen anschließen, d. h. ob man dem Richter eine freiere
Stellung bei der Beurtheilung des Factischen einräumen, oder
wieder zu einem strengeren Formalismus zurückkehren soll.
Ich glaube nun, daß in unserem Rechtsleben noch die An-
haltspuncte für das Letztere vorhanden sind, ohne daß man
genöthigt wäre, sich zu der Einseitigkeit der französischen Ge-
setzgebung, von welcher auch die preußische, wenn gleich in
anderer Art, nicht frei ist, hinzuwenden*); aber auch wenn der
andere Weg einzuschlagen, oder wenn von beiden Seiten auf
eine Reform hinzuarbeiten wäre, so würde doch noch zu unter-
suchen seyn, ob man dazu gerade der Geschwornen bedürfte,
und ob nicht passender eine andere Einrichtung zu treffen sey.
Das führt denn zu der Erwägung, welche Bedeutung die an-
dere Art der gemischten Gerichte, nämlich die Schöffengerichte
für die Civilsachen haben können.


*) Ich habe über diesen Gegenstand weitläuftiger gehandelt in der
Lehre von den Erbverträgen II. 1. §. 2.

Neuntes Kapitel.
Geſchwornen in Civilſachen nicht aufgenommen, und dafuͤr im
Notariat ein Inſtitut aufgeſtellt, welches fuͤr die formelle Rechts-
ſicherheit außerordentlich viel leiſtet, freilich aber auch große
Opfer verlangt, welche ſcheint es vermieden werden koͤnnten,
wenn die aͤußere Form weniger ausſchließlich in der Schrift
und namentlich in den Acten der Notare concentrirt waͤre.
Der deutſche Proceß, wenigſtens der gemeinrechtliche, iſt in die-
ſer Beziehung ganz verwildert, ſeitdem die Juriſten den Grund-
ſatz von der Klagbarkeit der formloſen Vertraͤge aufgebracht
haben, und fuͤr die daraus erwachſene Verlegenheit kein ande-
res Gegenmittel, als den Schiedseid aufzuſtellen wußten. Daß
hier eine Aushuͤlfe Noth thut, iſt außer Zweifel; es fragt ſich
nur, ob man ſich dem Princip des engliſchen oder dem des
franzoͤſiſchen anſchließen, d. h. ob man dem Richter eine freiere
Stellung bei der Beurtheilung des Factiſchen einraͤumen, oder
wieder zu einem ſtrengeren Formalismus zuruͤckkehren ſoll.
Ich glaube nun, daß in unſerem Rechtsleben noch die An-
haltspuncte fuͤr das Letztere vorhanden ſind, ohne daß man
genoͤthigt waͤre, ſich zu der Einſeitigkeit der franzoͤſiſchen Ge-
ſetzgebung, von welcher auch die preußiſche, wenn gleich in
anderer Art, nicht frei iſt, hinzuwenden*); aber auch wenn der
andere Weg einzuſchlagen, oder wenn von beiden Seiten auf
eine Reform hinzuarbeiten waͤre, ſo wuͤrde doch noch zu unter-
ſuchen ſeyn, ob man dazu gerade der Geſchwornen beduͤrfte,
und ob nicht paſſender eine andere Einrichtung zu treffen ſey.
Das fuͤhrt denn zu der Erwaͤgung, welche Bedeutung die an-
dere Art der gemiſchten Gerichte, naͤmlich die Schoͤffengerichte
fuͤr die Civilſachen haben koͤnnen.


*) Ich habe uͤber dieſen Gegenſtand weitlaͤuftiger gehandelt in der
Lehre von den Erbvertraͤgen II. 1. §. 2.
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[266/0278] Neuntes Kapitel. Geſchwornen in Civilſachen nicht aufgenommen, und dafuͤr im Notariat ein Inſtitut aufgeſtellt, welches fuͤr die formelle Rechts- ſicherheit außerordentlich viel leiſtet, freilich aber auch große Opfer verlangt, welche ſcheint es vermieden werden koͤnnten, wenn die aͤußere Form weniger ausſchließlich in der Schrift und namentlich in den Acten der Notare concentrirt waͤre. Der deutſche Proceß, wenigſtens der gemeinrechtliche, iſt in die- ſer Beziehung ganz verwildert, ſeitdem die Juriſten den Grund- ſatz von der Klagbarkeit der formloſen Vertraͤge aufgebracht haben, und fuͤr die daraus erwachſene Verlegenheit kein ande- res Gegenmittel, als den Schiedseid aufzuſtellen wußten. Daß hier eine Aushuͤlfe Noth thut, iſt außer Zweifel; es fragt ſich nur, ob man ſich dem Princip des engliſchen oder dem des franzoͤſiſchen anſchließen, d. h. ob man dem Richter eine freiere Stellung bei der Beurtheilung des Factiſchen einraͤumen, oder wieder zu einem ſtrengeren Formalismus zuruͤckkehren ſoll. Ich glaube nun, daß in unſerem Rechtsleben noch die An- haltspuncte fuͤr das Letztere vorhanden ſind, ohne daß man genoͤthigt waͤre, ſich zu der Einſeitigkeit der franzoͤſiſchen Ge- ſetzgebung, von welcher auch die preußiſche, wenn gleich in anderer Art, nicht frei iſt, hinzuwenden *); aber auch wenn der andere Weg einzuſchlagen, oder wenn von beiden Seiten auf eine Reform hinzuarbeiten waͤre, ſo wuͤrde doch noch zu unter- ſuchen ſeyn, ob man dazu gerade der Geſchwornen beduͤrfte, und ob nicht paſſender eine andere Einrichtung zu treffen ſey. Das fuͤhrt denn zu der Erwaͤgung, welche Bedeutung die an- dere Art der gemiſchten Gerichte, naͤmlich die Schoͤffengerichte fuͤr die Civilſachen haben koͤnnen. *) Ich habe uͤber dieſen Gegenſtand weitlaͤuftiger gehandelt in der Lehre von den Erbvertraͤgen II. 1. §. 2.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/278>, abgerufen am 25.11.2024.