ländliche Communalwesen seinen ursprünglichen Haltpunct verliert.
Die Bauerngemeinde ist, wenigstens in vielen Gegenden, aus der Markengenossenschaft hervorgegangen, so daß die Stellung des Einzelnen in der Gemeinde wesentlich von seiner Berechtigung an der Allmende bedingt wurde. Ist es nun auch nicht zu billigen, wenn da, wo dieses Verhältniß noch thatsächlich begründet war, die neueren Communalordnungen keine Rücksicht darauf genommen, sondern nach abstracten Grund- sätzen das Gemeindewesen geordnet haben; so ist doch auch so viel klar, daß, wenn jene alten Zustände entweder allmälig verkommen, oder durch eine Separation der Feldmark beseitigt worden sind, sie nicht mehr dazu dienen können, die Grund- lage für eine tüchtige und organische Gestaltung der Bauern- schaften abzugeben. Durch diese Veränderungen, welche nichts Willkührliches, sondern nur eine Folge der allgemeinen Um- gestaltung der Landwirthschaft gewesen sind, ist nun aber eine Reform der Landgemeinden vorbereitet worden. Denn sie ha- ben dadurch den ihnen noch anhängenden privatrechtlichen Cha- rakter verloren, und sind einer höheren Ausbildung im Sinne der politischen Organisation um Vieles zugänglicher gemacht. Namentlich ist dadurch die Durchführung einer größeren Rechts- gleichheit für die ganze ländliche Bevölkerung, die ja immer- mehr einen gemischten Charakter bekommt, sehr erleichtert wor- den; denn wenn auch in Betreff der agrarischen Verhältnisse die Grundbesitzer und namentlich die Vollbauern als vorzugs- weise interessirt erscheinen, und stets auf gewisse Weise den Kern der Gemeinde ausmachen werden, so fehlt es doch auch nicht an Beziehungen, welche eine allgemeinere Theilnahme an den Angelegenheiten derselben wünschenswerth machen. Will
Die Bauerngemeinde iſt, wenigſtens in vielen Gegenden, aus der Markengenoſſenſchaft hervorgegangen, ſo daß die Stellung des Einzelnen in der Gemeinde weſentlich von ſeiner Berechtigung an der Allmende bedingt wurde. Iſt es nun auch nicht zu billigen, wenn da, wo dieſes Verhaͤltniß noch thatſaͤchlich begruͤndet war, die neueren Communalordnungen keine Ruͤckſicht darauf genommen, ſondern nach abſtracten Grund- ſaͤtzen das Gemeindeweſen geordnet haben; ſo iſt doch auch ſo viel klar, daß, wenn jene alten Zuſtaͤnde entweder allmaͤlig verkommen, oder durch eine Separation der Feldmark beſeitigt worden ſind, ſie nicht mehr dazu dienen koͤnnen, die Grund- lage fuͤr eine tuͤchtige und organiſche Geſtaltung der Bauern- ſchaften abzugeben. Durch dieſe Veraͤnderungen, welche nichts Willkuͤhrliches, ſondern nur eine Folge der allgemeinen Um- geſtaltung der Landwirthſchaft geweſen ſind, iſt nun aber eine Reform der Landgemeinden vorbereitet worden. Denn ſie ha- ben dadurch den ihnen noch anhaͤngenden privatrechtlichen Cha- rakter verloren, und ſind einer hoͤheren Ausbildung im Sinne der politiſchen Organiſation um Vieles zugaͤnglicher gemacht. Namentlich iſt dadurch die Durchfuͤhrung einer groͤßeren Rechts- gleichheit fuͤr die ganze laͤndliche Bevoͤlkerung, die ja immer- mehr einen gemiſchten Charakter bekommt, ſehr erleichtert wor- den; denn wenn auch in Betreff der agrariſchen Verhaͤltniſſe die Grundbeſitzer und namentlich die Vollbauern als vorzugs- weiſe intereſſirt erſcheinen, und ſtets auf gewiſſe Weiſe den Kern der Gemeinde ausmachen werden, ſo fehlt es doch auch nicht an Beziehungen, welche eine allgemeinere Theilnahme an den Angelegenheiten derſelben wuͤnſchenswerth machen. Will
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0228"n="216"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Siebentes Kapitel</hi>.</fw><lb/>
laͤndliche Communalweſen ſeinen urſpruͤnglichen Haltpunct<lb/>
verliert.</p><lb/><p>Die Bauerngemeinde iſt, wenigſtens in vielen Gegenden,<lb/>
aus der Markengenoſſenſchaft hervorgegangen, ſo daß die<lb/>
Stellung des Einzelnen in der Gemeinde weſentlich von ſeiner<lb/>
Berechtigung an der Allmende bedingt wurde. Iſt es nun<lb/>
auch nicht zu billigen, wenn da, wo dieſes Verhaͤltniß noch<lb/>
thatſaͤchlich begruͤndet war, die neueren Communalordnungen<lb/>
keine Ruͤckſicht darauf genommen, ſondern nach abſtracten Grund-<lb/>ſaͤtzen das Gemeindeweſen geordnet haben; ſo iſt doch auch<lb/>ſo viel klar, daß, wenn jene alten Zuſtaͤnde entweder allmaͤlig<lb/>
verkommen, oder durch eine Separation der Feldmark beſeitigt<lb/>
worden ſind, ſie nicht mehr dazu dienen koͤnnen, die Grund-<lb/>
lage fuͤr eine tuͤchtige und organiſche Geſtaltung der Bauern-<lb/>ſchaften abzugeben. Durch dieſe Veraͤnderungen, welche nichts<lb/>
Willkuͤhrliches, ſondern nur eine Folge der allgemeinen Um-<lb/>
geſtaltung der Landwirthſchaft geweſen ſind, iſt nun aber eine<lb/>
Reform der Landgemeinden vorbereitet worden. Denn ſie ha-<lb/>
ben dadurch den ihnen noch anhaͤngenden privatrechtlichen Cha-<lb/>
rakter verloren, und ſind einer hoͤheren Ausbildung im Sinne<lb/>
der politiſchen Organiſation um Vieles zugaͤnglicher gemacht.<lb/>
Namentlich iſt dadurch die Durchfuͤhrung einer groͤßeren Rechts-<lb/>
gleichheit fuͤr die ganze laͤndliche Bevoͤlkerung, die ja immer-<lb/>
mehr einen gemiſchten Charakter bekommt, ſehr erleichtert wor-<lb/>
den; denn wenn auch in Betreff der agrariſchen Verhaͤltniſſe<lb/>
die Grundbeſitzer und namentlich die Vollbauern als vorzugs-<lb/>
weiſe intereſſirt erſcheinen, und ſtets auf gewiſſe Weiſe den<lb/>
Kern der Gemeinde ausmachen werden, ſo fehlt es doch auch<lb/>
nicht an Beziehungen, welche eine allgemeinere Theilnahme an<lb/>
den Angelegenheiten derſelben wuͤnſchenswerth machen. Will<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[216/0228]
Siebentes Kapitel.
laͤndliche Communalweſen ſeinen urſpruͤnglichen Haltpunct
verliert.
Die Bauerngemeinde iſt, wenigſtens in vielen Gegenden,
aus der Markengenoſſenſchaft hervorgegangen, ſo daß die
Stellung des Einzelnen in der Gemeinde weſentlich von ſeiner
Berechtigung an der Allmende bedingt wurde. Iſt es nun
auch nicht zu billigen, wenn da, wo dieſes Verhaͤltniß noch
thatſaͤchlich begruͤndet war, die neueren Communalordnungen
keine Ruͤckſicht darauf genommen, ſondern nach abſtracten Grund-
ſaͤtzen das Gemeindeweſen geordnet haben; ſo iſt doch auch
ſo viel klar, daß, wenn jene alten Zuſtaͤnde entweder allmaͤlig
verkommen, oder durch eine Separation der Feldmark beſeitigt
worden ſind, ſie nicht mehr dazu dienen koͤnnen, die Grund-
lage fuͤr eine tuͤchtige und organiſche Geſtaltung der Bauern-
ſchaften abzugeben. Durch dieſe Veraͤnderungen, welche nichts
Willkuͤhrliches, ſondern nur eine Folge der allgemeinen Um-
geſtaltung der Landwirthſchaft geweſen ſind, iſt nun aber eine
Reform der Landgemeinden vorbereitet worden. Denn ſie ha-
ben dadurch den ihnen noch anhaͤngenden privatrechtlichen Cha-
rakter verloren, und ſind einer hoͤheren Ausbildung im Sinne
der politiſchen Organiſation um Vieles zugaͤnglicher gemacht.
Namentlich iſt dadurch die Durchfuͤhrung einer groͤßeren Rechts-
gleichheit fuͤr die ganze laͤndliche Bevoͤlkerung, die ja immer-
mehr einen gemiſchten Charakter bekommt, ſehr erleichtert wor-
den; denn wenn auch in Betreff der agrariſchen Verhaͤltniſſe
die Grundbeſitzer und namentlich die Vollbauern als vorzugs-
weiſe intereſſirt erſcheinen, und ſtets auf gewiſſe Weiſe den
Kern der Gemeinde ausmachen werden, ſo fehlt es doch auch
nicht an Beziehungen, welche eine allgemeinere Theilnahme an
den Angelegenheiten derſelben wuͤnſchenswerth machen. Will
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/228>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.