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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Fortsetzung. -- Das Recht der Genossenschaft.
hier eine organische Rechtsbildung vor, deren einzelne Bestand-
theile sich gegenseitig bedingen, und welche in ihrer Totalität
anerkannt zu werden verlangt. Der Umstand, daß sich der
Begriff der ehelichen Voigtei außerhalb dieser Sphäre nicht in
seiner früheren Geltung erhalten hat, ist noch kein Grund, ihn
auch hier für beseitigt zu halten; und wenn die älteren Juri-
sten, seine Bedeutung verkennend, die Gütergemeinschaft ohne
ein solches leitendes Princip bloß aus dem Begriff eines soge-
nannten dominium in solidum glaubten deduciren zu kön-
nen, so war das eine Verirrung, deren schlimme Folgen ge-
rade durch die richtige, im Volksrecht begründete Theorie, so
weit es vom Standpuncte des gemeinen Rechts aus geschehen
kann, zu bekämpfen sind. -- Nur dann, wenn die Gütergemein-
schaft nicht nach dem Gesetze eintritt, sondern durch Vertrag
bestellt wird, kann es zur Frage kommen, ob damit zugleich
die eheliche Voigtei, welche doch zum öffentlichen Recht gehört,
gültig constituirt worden. Dagegen würde sich mit den von
Duncker angeführten Gründen Erhebliches einwenden lassen;
aber es würde dann auch die Erwägung der weiteren Frage
nicht wohl zu vermeiden seyn: ob überhaupt die vertragsmä-
ßige Eingehung der Gütergemeinschaft unbedingt gemeines Land-
recht ist, und ohne alle Rücksicht auf die particuläre Rechts-
verfassung einseitig von den Ehegatten beliebt werden kann.
Es wäre zu wünschen, daß dieß einmal zum Gegenstande
einer genauen Untersuchung gemacht würde.

Im Obigen ist nur eine Skizze von den Vermögensver-
hältnissen der Genossenschaften enthalten. Das Eigenthümliche
besteht, wie gezeigt worden, darin, daß sich neben den Ansprü-
chen der Gesammtheit selbständige Sonderrechte der einzelnen
Genossen darstellen, oder daß doch die Vereinigung das Recht

Beseler, Volksrecht. 13

Fortſetzung. — Das Recht der Genoſſenſchaft.
hier eine organiſche Rechtsbildung vor, deren einzelne Beſtand-
theile ſich gegenſeitig bedingen, und welche in ihrer Totalitaͤt
anerkannt zu werden verlangt. Der Umſtand, daß ſich der
Begriff der ehelichen Voigtei außerhalb dieſer Sphaͤre nicht in
ſeiner fruͤheren Geltung erhalten hat, iſt noch kein Grund, ihn
auch hier fuͤr beſeitigt zu halten; und wenn die aͤlteren Juri-
ſten, ſeine Bedeutung verkennend, die Guͤtergemeinſchaft ohne
ein ſolches leitendes Princip bloß aus dem Begriff eines ſoge-
nannten dominium in solidum glaubten deduciren zu koͤn-
nen, ſo war das eine Verirrung, deren ſchlimme Folgen ge-
rade durch die richtige, im Volksrecht begruͤndete Theorie, ſo
weit es vom Standpuncte des gemeinen Rechts aus geſchehen
kann, zu bekaͤmpfen ſind. — Nur dann, wenn die Guͤtergemein-
ſchaft nicht nach dem Geſetze eintritt, ſondern durch Vertrag
beſtellt wird, kann es zur Frage kommen, ob damit zugleich
die eheliche Voigtei, welche doch zum oͤffentlichen Recht gehoͤrt,
guͤltig conſtituirt worden. Dagegen wuͤrde ſich mit den von
Duncker angefuͤhrten Gruͤnden Erhebliches einwenden laſſen;
aber es wuͤrde dann auch die Erwaͤgung der weiteren Frage
nicht wohl zu vermeiden ſeyn: ob uͤberhaupt die vertragsmaͤ-
ßige Eingehung der Guͤtergemeinſchaft unbedingt gemeines Land-
recht iſt, und ohne alle Ruͤckſicht auf die particulaͤre Rechts-
verfaſſung einſeitig von den Ehegatten beliebt werden kann.
Es waͤre zu wuͤnſchen, daß dieß einmal zum Gegenſtande
einer genauen Unterſuchung gemacht wuͤrde.

Im Obigen iſt nur eine Skizze von den Vermoͤgensver-
haͤltniſſen der Genoſſenſchaften enthalten. Das Eigenthuͤmliche
beſteht, wie gezeigt worden, darin, daß ſich neben den Anſpruͤ-
chen der Geſammtheit ſelbſtaͤndige Sonderrechte der einzelnen
Genoſſen darſtellen, oder daß doch die Vereinigung das Recht

Beſeler, Volksrecht. 13
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[193/0205] Fortſetzung. — Das Recht der Genoſſenſchaft. hier eine organiſche Rechtsbildung vor, deren einzelne Beſtand- theile ſich gegenſeitig bedingen, und welche in ihrer Totalitaͤt anerkannt zu werden verlangt. Der Umſtand, daß ſich der Begriff der ehelichen Voigtei außerhalb dieſer Sphaͤre nicht in ſeiner fruͤheren Geltung erhalten hat, iſt noch kein Grund, ihn auch hier fuͤr beſeitigt zu halten; und wenn die aͤlteren Juri- ſten, ſeine Bedeutung verkennend, die Guͤtergemeinſchaft ohne ein ſolches leitendes Princip bloß aus dem Begriff eines ſoge- nannten dominium in solidum glaubten deduciren zu koͤn- nen, ſo war das eine Verirrung, deren ſchlimme Folgen ge- rade durch die richtige, im Volksrecht begruͤndete Theorie, ſo weit es vom Standpuncte des gemeinen Rechts aus geſchehen kann, zu bekaͤmpfen ſind. — Nur dann, wenn die Guͤtergemein- ſchaft nicht nach dem Geſetze eintritt, ſondern durch Vertrag beſtellt wird, kann es zur Frage kommen, ob damit zugleich die eheliche Voigtei, welche doch zum oͤffentlichen Recht gehoͤrt, guͤltig conſtituirt worden. Dagegen wuͤrde ſich mit den von Duncker angefuͤhrten Gruͤnden Erhebliches einwenden laſſen; aber es wuͤrde dann auch die Erwaͤgung der weiteren Frage nicht wohl zu vermeiden ſeyn: ob uͤberhaupt die vertragsmaͤ- ßige Eingehung der Guͤtergemeinſchaft unbedingt gemeines Land- recht iſt, und ohne alle Ruͤckſicht auf die particulaͤre Rechts- verfaſſung einſeitig von den Ehegatten beliebt werden kann. Es waͤre zu wuͤnſchen, daß dieß einmal zum Gegenſtande einer genauen Unterſuchung gemacht wuͤrde. Im Obigen iſt nur eine Skizze von den Vermoͤgensver- haͤltniſſen der Genoſſenſchaften enthalten. Das Eigenthuͤmliche beſteht, wie gezeigt worden, darin, daß ſich neben den Anſpruͤ- chen der Geſammtheit ſelbſtaͤndige Sonderrechte der einzelnen Genoſſen darſtellen, oder daß doch die Vereinigung das Recht Beſeler, Volksrecht. 13

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/205>, abgerufen am 21.11.2024.