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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Sechstes Kapitel.
rechtfertigen, wenn die Statuten es nicht ausdrücklich gestat-
ten, und hat auch unter dem Gesichtspuncte der Zweckmäßig-
keit betrachtet, Manches gegen sich.

2. Stimmberechtigt ist im Zweifel jeder Genosse. In
solchen Vereinen, bei welchen die Mitgliedschaft von dem Er-
werb einer bestimmten Quote am Gesammtvermögen, welche
das Sonderrecht des Einzelnen repräsentirt, abhängt, müssen
die Stimmen nach der Zahl solcher Quoten, welche jeder Ein-
zelne inne hat, berechnet werden: also bei der Actiengesellschaft
nach Actien, bei der Gewerkschaft nach Kuxen, bei der Rhe-
derei nach Schiffsparten. Doch kann hier eine Beschränkung
auf ein Maximum der Stimmen, welche der Einzelne, auch
wenn er höher bei dem Verein interessirt ist, führen darf, sehr
angemessen seyn.

3. Ueber wohlerworbene Sonderrechte des Einzelnen kann
ohne dessen Zustimmung von der Majorität nicht verfügt wer-
den, es sey denn, daß die Verfassung darüber etwas Anderes
bestimmt. Ein solches Sonderrecht hat aber der Genosse als
Mitglied des Vereins, nicht in seiner Stellung außerhalb des-
selben; in dieser Beziehung tritt er als ein tertius auf, z. B.
wenn er als Kaufmann mit dem Verein contrahirt hat.

4. Die in der Genossenschaft verfassungsmäßig consti-
tuirten Gewalten (Vorsteher, Ausschuß, Deputation, Direction,
Administration u. dgl.) haben, soweit ihre Amtssphäre reicht,
im Innern der Genossenschaft eine freie Bewegung, sind aber
sowohl der Gesammtheit als auch den einzelnen Mitgliedern
wegen ihrer Sonderrechte verhaftet. In derselben Weise ver-
treten sie die Genossenschaft nach außen hin, und bedürfen nur
dann eines besonderen Syndicats, wenn sie sich nicht durch die
Statuten und das Wahlprotokoll gehörig legitimiren können.


Sechſtes Kapitel.
rechtfertigen, wenn die Statuten es nicht ausdruͤcklich geſtat-
ten, und hat auch unter dem Geſichtspuncte der Zweckmaͤßig-
keit betrachtet, Manches gegen ſich.

2. Stimmberechtigt iſt im Zweifel jeder Genoſſe. In
ſolchen Vereinen, bei welchen die Mitgliedſchaft von dem Er-
werb einer beſtimmten Quote am Geſammtvermoͤgen, welche
das Sonderrecht des Einzelnen repraͤſentirt, abhaͤngt, muͤſſen
die Stimmen nach der Zahl ſolcher Quoten, welche jeder Ein-
zelne inne hat, berechnet werden: alſo bei der Actiengeſellſchaft
nach Actien, bei der Gewerkſchaft nach Kuxen, bei der Rhe-
derei nach Schiffsparten. Doch kann hier eine Beſchraͤnkung
auf ein Maximum der Stimmen, welche der Einzelne, auch
wenn er hoͤher bei dem Verein intereſſirt iſt, fuͤhren darf, ſehr
angemeſſen ſeyn.

3. Ueber wohlerworbene Sonderrechte des Einzelnen kann
ohne deſſen Zuſtimmung von der Majoritaͤt nicht verfuͤgt wer-
den, es ſey denn, daß die Verfaſſung daruͤber etwas Anderes
beſtimmt. Ein ſolches Sonderrecht hat aber der Genoſſe als
Mitglied des Vereins, nicht in ſeiner Stellung außerhalb deſ-
ſelben; in dieſer Beziehung tritt er als ein tertius auf, z. B.
wenn er als Kaufmann mit dem Verein contrahirt hat.

4. Die in der Genoſſenſchaft verfaſſungsmaͤßig conſti-
tuirten Gewalten (Vorſteher, Ausſchuß, Deputation, Direction,
Adminiſtration u. dgl.) haben, ſoweit ihre Amtsſphaͤre reicht,
im Innern der Genoſſenſchaft eine freie Bewegung, ſind aber
ſowohl der Geſammtheit als auch den einzelnen Mitgliedern
wegen ihrer Sonderrechte verhaftet. In derſelben Weiſe ver-
treten ſie die Genoſſenſchaft nach außen hin, und beduͤrfen nur
dann eines beſonderen Syndicats, wenn ſie ſich nicht durch die
Statuten und das Wahlprotokoll gehoͤrig legitimiren koͤnnen.


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[184/0196] Sechſtes Kapitel. rechtfertigen, wenn die Statuten es nicht ausdruͤcklich geſtat- ten, und hat auch unter dem Geſichtspuncte der Zweckmaͤßig- keit betrachtet, Manches gegen ſich. 2. Stimmberechtigt iſt im Zweifel jeder Genoſſe. In ſolchen Vereinen, bei welchen die Mitgliedſchaft von dem Er- werb einer beſtimmten Quote am Geſammtvermoͤgen, welche das Sonderrecht des Einzelnen repraͤſentirt, abhaͤngt, muͤſſen die Stimmen nach der Zahl ſolcher Quoten, welche jeder Ein- zelne inne hat, berechnet werden: alſo bei der Actiengeſellſchaft nach Actien, bei der Gewerkſchaft nach Kuxen, bei der Rhe- derei nach Schiffsparten. Doch kann hier eine Beſchraͤnkung auf ein Maximum der Stimmen, welche der Einzelne, auch wenn er hoͤher bei dem Verein intereſſirt iſt, fuͤhren darf, ſehr angemeſſen ſeyn. 3. Ueber wohlerworbene Sonderrechte des Einzelnen kann ohne deſſen Zuſtimmung von der Majoritaͤt nicht verfuͤgt wer- den, es ſey denn, daß die Verfaſſung daruͤber etwas Anderes beſtimmt. Ein ſolches Sonderrecht hat aber der Genoſſe als Mitglied des Vereins, nicht in ſeiner Stellung außerhalb deſ- ſelben; in dieſer Beziehung tritt er als ein tertius auf, z. B. wenn er als Kaufmann mit dem Verein contrahirt hat. 4. Die in der Genoſſenſchaft verfaſſungsmaͤßig conſti- tuirten Gewalten (Vorſteher, Ausſchuß, Deputation, Direction, Adminiſtration u. dgl.) haben, ſoweit ihre Amtsſphaͤre reicht, im Innern der Genoſſenſchaft eine freie Bewegung, ſind aber ſowohl der Geſammtheit als auch den einzelnen Mitgliedern wegen ihrer Sonderrechte verhaftet. In derſelben Weiſe ver- treten ſie die Genoſſenſchaft nach außen hin, und beduͤrfen nur dann eines beſonderen Syndicats, wenn ſie ſich nicht durch die Statuten und das Wahlprotokoll gehoͤrig legitimiren koͤnnen.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/196>, abgerufen am 30.04.2024.