Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechstes Kapitel.
tische Bedeutung in Anspruch nehmen, und überhaupt in die
allgemeine Staatsverfassung eingreifen, können so wenig wie
die Gemeinde einseitig durch Privatwillkühr, ohne Zuthun der
Staatsgewalt errichtet werden. So hat seit dem Anfange des
vorigen Jahrhunderts der alte Landesadel in Mecklenburg be-
harrlich darnach gestrebt, sich innerhalb der Ritterschaft als
eine besondere Corporation zu constituiren, ohne daß ihm die-
ses nach gemeinem deutschen Staatsrecht und nach der dorti-
gen Landesverfassung hätte gelingen können. -- Den rein po-
litischen Corporationen müssen auch die entsprechenden kirchli-
chen gleich geachtet werden; ja es kann hier, außer der Ge-
nehmigung des Staates, auch noch die der Kirchenobern noth-
wendig werden. Eine volle Freiheit der kirchlichen Association
setzt die Trennung der Kirche vom Staat, oder doch die An-
erkennung der Privatwillkühr in dieser Rechtssphäre voraus;
aber weder das Eine noch das Andere ist ja in Deutschland
Rechtens. Daher stellt sich das Verfahren der sogenannten Altlu-
theraner in Preußen, welche nach öffentlichen Blättern damit um-
gehen, eigenmächtig neben der Landeskirche für sich ein besonderes
kirchliches Geweinwesen zu begründen, als unstatthaft heraus.

c. Genossenschaften, welche über ihre eigentliche Sphäre
hinaus Rechte in Anspruch nehmen, wodurch sie Dritte be-
schränken und verletzen würden, bedürfen, abgesehen von dem
Widerspruchsrecht der Betheiligten, der Staatsgenehmigung.
So könnte es in einem Lande, wo Gewerbefreiheit herrscht,
an und für sich unbedenklich seyn, wenn in gewissen Gewer-
ken sich genossenschaftliche Vereine zur gegenseitigen Förderung
und Unterstützung bildeten; wollten diese aber einseitig die Be-
treibung des Gewerbes durch Ungenossen von besonderen Vor-
schriften abhängig machen, vielleicht gar die Abgeschlossenheit

Sechſtes Kapitel.
tiſche Bedeutung in Anſpruch nehmen, und uͤberhaupt in die
allgemeine Staatsverfaſſung eingreifen, koͤnnen ſo wenig wie
die Gemeinde einſeitig durch Privatwillkuͤhr, ohne Zuthun der
Staatsgewalt errichtet werden. So hat ſeit dem Anfange des
vorigen Jahrhunderts der alte Landesadel in Mecklenburg be-
harrlich darnach geſtrebt, ſich innerhalb der Ritterſchaft als
eine beſondere Corporation zu conſtituiren, ohne daß ihm die-
ſes nach gemeinem deutſchen Staatsrecht und nach der dorti-
gen Landesverfaſſung haͤtte gelingen koͤnnen. — Den rein po-
litiſchen Corporationen muͤſſen auch die entſprechenden kirchli-
chen gleich geachtet werden; ja es kann hier, außer der Ge-
nehmigung des Staates, auch noch die der Kirchenobern noth-
wendig werden. Eine volle Freiheit der kirchlichen Aſſociation
ſetzt die Trennung der Kirche vom Staat, oder doch die An-
erkennung der Privatwillkuͤhr in dieſer Rechtsſphaͤre voraus;
aber weder das Eine noch das Andere iſt ja in Deutſchland
Rechtens. Daher ſtellt ſich das Verfahren der ſogenannten Altlu-
theraner in Preußen, welche nach oͤffentlichen Blaͤttern damit um-
gehen, eigenmaͤchtig neben der Landeskirche fuͤr ſich ein beſonderes
kirchliches Geweinweſen zu begruͤnden, als unſtatthaft heraus.

c. Genoſſenſchaften, welche uͤber ihre eigentliche Sphaͤre
hinaus Rechte in Anſpruch nehmen, wodurch ſie Dritte be-
ſchraͤnken und verletzen wuͤrden, beduͤrfen, abgeſehen von dem
Widerſpruchsrecht der Betheiligten, der Staatsgenehmigung.
So koͤnnte es in einem Lande, wo Gewerbefreiheit herrſcht,
an und fuͤr ſich unbedenklich ſeyn, wenn in gewiſſen Gewer-
ken ſich genoſſenſchaftliche Vereine zur gegenſeitigen Foͤrderung
und Unterſtuͤtzung bildeten; wollten dieſe aber einſeitig die Be-
treibung des Gewerbes durch Ungenoſſen von beſonderen Vor-
ſchriften abhaͤngig machen, vielleicht gar die Abgeſchloſſenheit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0190" n="178"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sech&#x017F;tes Kapitel</hi>.</fw><lb/>
ti&#x017F;che Bedeutung in An&#x017F;pruch nehmen, und u&#x0364;berhaupt in die<lb/>
allgemeine Staatsverfa&#x017F;&#x017F;ung eingreifen, ko&#x0364;nnen &#x017F;o wenig wie<lb/>
die Gemeinde ein&#x017F;eitig durch Privatwillku&#x0364;hr, ohne Zuthun der<lb/>
Staatsgewalt errichtet werden. So hat &#x017F;eit dem Anfange des<lb/>
vorigen Jahrhunderts der alte Landesadel in Mecklenburg be-<lb/>
harrlich darnach ge&#x017F;trebt, &#x017F;ich innerhalb der Ritter&#x017F;chaft als<lb/>
eine be&#x017F;ondere Corporation zu con&#x017F;tituiren, ohne daß ihm die-<lb/>
&#x017F;es nach gemeinem deut&#x017F;chen Staatsrecht und nach der dorti-<lb/>
gen Landesverfa&#x017F;&#x017F;ung ha&#x0364;tte gelingen ko&#x0364;nnen. &#x2014; Den rein po-<lb/>
liti&#x017F;chen Corporationen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en auch die ent&#x017F;prechenden kirchli-<lb/>
chen gleich geachtet werden; ja es kann hier, außer der Ge-<lb/>
nehmigung des Staates, auch noch die der Kirchenobern noth-<lb/>
wendig werden. Eine volle Freiheit der kirchlichen A&#x017F;&#x017F;ociation<lb/>
&#x017F;etzt die Trennung der Kirche vom Staat, oder doch die An-<lb/>
erkennung der Privatwillku&#x0364;hr in die&#x017F;er Rechts&#x017F;pha&#x0364;re voraus;<lb/>
aber weder das Eine noch das Andere i&#x017F;t ja in Deut&#x017F;chland<lb/>
Rechtens. Daher &#x017F;tellt &#x017F;ich das Verfahren der &#x017F;ogenannten Altlu-<lb/>
theraner in Preußen, welche nach o&#x0364;ffentlichen Bla&#x0364;ttern damit um-<lb/>
gehen, eigenma&#x0364;chtig neben der Landeskirche fu&#x0364;r &#x017F;ich ein be&#x017F;onderes<lb/>
kirchliches Geweinwe&#x017F;en zu begru&#x0364;nden, als un&#x017F;tatthaft heraus.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">c.</hi> Geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften, welche u&#x0364;ber ihre eigentliche Spha&#x0364;re<lb/>
hinaus Rechte in An&#x017F;pruch nehmen, wodurch &#x017F;ie Dritte be-<lb/>
&#x017F;chra&#x0364;nken und verletzen wu&#x0364;rden, bedu&#x0364;rfen, abge&#x017F;ehen von dem<lb/>
Wider&#x017F;pruchsrecht der Betheiligten, der Staatsgenehmigung.<lb/>
So ko&#x0364;nnte es in einem Lande, wo Gewerbefreiheit herr&#x017F;cht,<lb/>
an und fu&#x0364;r &#x017F;ich unbedenklich &#x017F;eyn, wenn in gewi&#x017F;&#x017F;en Gewer-<lb/>
ken &#x017F;ich geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche Vereine zur gegen&#x017F;eitigen Fo&#x0364;rderung<lb/>
und Unter&#x017F;tu&#x0364;tzung bildeten; wollten die&#x017F;e aber ein&#x017F;eitig die Be-<lb/>
treibung des Gewerbes durch Ungeno&#x017F;&#x017F;en von be&#x017F;onderen Vor-<lb/>
&#x017F;chriften abha&#x0364;ngig machen, vielleicht gar die Abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enheit<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[178/0190] Sechſtes Kapitel. tiſche Bedeutung in Anſpruch nehmen, und uͤberhaupt in die allgemeine Staatsverfaſſung eingreifen, koͤnnen ſo wenig wie die Gemeinde einſeitig durch Privatwillkuͤhr, ohne Zuthun der Staatsgewalt errichtet werden. So hat ſeit dem Anfange des vorigen Jahrhunderts der alte Landesadel in Mecklenburg be- harrlich darnach geſtrebt, ſich innerhalb der Ritterſchaft als eine beſondere Corporation zu conſtituiren, ohne daß ihm die- ſes nach gemeinem deutſchen Staatsrecht und nach der dorti- gen Landesverfaſſung haͤtte gelingen koͤnnen. — Den rein po- litiſchen Corporationen muͤſſen auch die entſprechenden kirchli- chen gleich geachtet werden; ja es kann hier, außer der Ge- nehmigung des Staates, auch noch die der Kirchenobern noth- wendig werden. Eine volle Freiheit der kirchlichen Aſſociation ſetzt die Trennung der Kirche vom Staat, oder doch die An- erkennung der Privatwillkuͤhr in dieſer Rechtsſphaͤre voraus; aber weder das Eine noch das Andere iſt ja in Deutſchland Rechtens. Daher ſtellt ſich das Verfahren der ſogenannten Altlu- theraner in Preußen, welche nach oͤffentlichen Blaͤttern damit um- gehen, eigenmaͤchtig neben der Landeskirche fuͤr ſich ein beſonderes kirchliches Geweinweſen zu begruͤnden, als unſtatthaft heraus. c. Genoſſenſchaften, welche uͤber ihre eigentliche Sphaͤre hinaus Rechte in Anſpruch nehmen, wodurch ſie Dritte be- ſchraͤnken und verletzen wuͤrden, beduͤrfen, abgeſehen von dem Widerſpruchsrecht der Betheiligten, der Staatsgenehmigung. So koͤnnte es in einem Lande, wo Gewerbefreiheit herrſcht, an und fuͤr ſich unbedenklich ſeyn, wenn in gewiſſen Gewer- ken ſich genoſſenſchaftliche Vereine zur gegenſeitigen Foͤrderung und Unterſtuͤtzung bildeten; wollten dieſe aber einſeitig die Be- treibung des Gewerbes durch Ungenoſſen von beſonderen Vor- ſchriften abhaͤngig machen, vielleicht gar die Abgeſchloſſenheit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/190
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/190>, abgerufen am 30.04.2024.