auch für den Juristen der Unterschied von auctoritas und consensus eine andere Bedeutung, als die einer rechtsge- schichtlichen Notiz? Dagegen hat sich, getrennt von der Vor- mundschaft, aber doch auf verschiedene Weise von ihr bestimmt, die Lehre von der Güterpflege, der cura bonorum, im mo- dernen Rechtsleben entwickelt, ohne jedoch ihrem ganzen Detail nach schon zu einer vollständigen gemeinrechtlichen Durchbil- dung gelangt zu seyn.
Dem Familienrecht stehen nun auch theilweise diejenigen Rechtsverhältnisse nahe, welche man gewöhnlich unter dem Begriff der Dienstmiethe zusammen zu fassen pflegt, die aber dadurch einen eigenthümlichen Charakter bekommen, daß sie in einer bestimmten Beziehung zum Hauswesen sich befinden, und auf gewisse Weise ein Mittelglied zwischen der Familien- verbindung und dem rein obligatorischen Vertragsverhältnisse bilden. Bei den Römern wurden, abgesehen von der Stel- lung der Haussöhne, die Geschäfte der Privatpersonen vorzugs- weise durch Sklaven verrichtet; wo diese nicht ausreichten, da trat der Vertrag ergänzend hinzu, sey es in Folge eines Man- dats, dem sich die negotiorum gestio anschloß, oder einer Dienstmiethe. Im Mittelalter waren es vorzugsweise die Hö- rigen in ihrer verschiedenen Abstufung, welche im Interesse ih- rer Herren handelten, denn eigentliche Privatarbeiten wurden selten in die Form des Lehenrechts gebracht; in den Städten bildete sich aber das Handwerk und das Gesindewesen zu ei- ner eigenthümlichen Gestaltung aus. Die moderne Zeit kennt in Deutschland und dem übrigen civilisirten Europa außerhalb der Familie nur freie Arbeit in Folge eines Vertrags: aber wie in manchen andern Fällen ist die Wirkung solcher Ver- träge keine rein obligatorische. Ich sehe hier ab von solchen
Fuͤnftes Kapitel.
auch fuͤr den Juriſten der Unterſchied von auctoritas und consensus eine andere Bedeutung, als die einer rechtsge- ſchichtlichen Notiz? Dagegen hat ſich, getrennt von der Vor- mundſchaft, aber doch auf verſchiedene Weiſe von ihr beſtimmt, die Lehre von der Guͤterpflege, der cura bonorum, im mo- dernen Rechtsleben entwickelt, ohne jedoch ihrem ganzen Detail nach ſchon zu einer vollſtaͤndigen gemeinrechtlichen Durchbil- dung gelangt zu ſeyn.
Dem Familienrecht ſtehen nun auch theilweiſe diejenigen Rechtsverhaͤltniſſe nahe, welche man gewoͤhnlich unter dem Begriff der Dienſtmiethe zuſammen zu faſſen pflegt, die aber dadurch einen eigenthuͤmlichen Charakter bekommen, daß ſie in einer beſtimmten Beziehung zum Hausweſen ſich befinden, und auf gewiſſe Weiſe ein Mittelglied zwiſchen der Familien- verbindung und dem rein obligatoriſchen Vertragsverhaͤltniſſe bilden. Bei den Roͤmern wurden, abgeſehen von der Stel- lung der Hausſoͤhne, die Geſchaͤfte der Privatperſonen vorzugs- weiſe durch Sklaven verrichtet; wo dieſe nicht ausreichten, da trat der Vertrag ergaͤnzend hinzu, ſey es in Folge eines Man- dats, dem ſich die negotiorum gestio anſchloß, oder einer Dienſtmiethe. Im Mittelalter waren es vorzugsweiſe die Hoͤ- rigen in ihrer verſchiedenen Abſtufung, welche im Intereſſe ih- rer Herren handelten, denn eigentliche Privatarbeiten wurden ſelten in die Form des Lehenrechts gebracht; in den Staͤdten bildete ſich aber das Handwerk und das Geſindeweſen zu ei- ner eigenthuͤmlichen Geſtaltung aus. Die moderne Zeit kennt in Deutſchland und dem uͤbrigen civiliſirten Europa außerhalb der Familie nur freie Arbeit in Folge eines Vertrags: aber wie in manchen andern Faͤllen iſt die Wirkung ſolcher Ver- traͤge keine rein obligatoriſche. Ich ſehe hier ab von ſolchen
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Fuͤnftes Kapitel.
auch fuͤr den Juriſten der Unterſchied von auctoritas und
consensus eine andere Bedeutung, als die einer rechtsge-
ſchichtlichen Notiz? Dagegen hat ſich, getrennt von der Vor-
mundſchaft, aber doch auf verſchiedene Weiſe von ihr beſtimmt,
die Lehre von der Guͤterpflege, der cura bonorum, im mo-
dernen Rechtsleben entwickelt, ohne jedoch ihrem ganzen Detail
nach ſchon zu einer vollſtaͤndigen gemeinrechtlichen Durchbil-
dung gelangt zu ſeyn.
Dem Familienrecht ſtehen nun auch theilweiſe diejenigen
Rechtsverhaͤltniſſe nahe, welche man gewoͤhnlich unter dem
Begriff der Dienſtmiethe zuſammen zu faſſen pflegt, die aber
dadurch einen eigenthuͤmlichen Charakter bekommen, daß ſie in
einer beſtimmten Beziehung zum Hausweſen ſich befinden,
und auf gewiſſe Weiſe ein Mittelglied zwiſchen der Familien-
verbindung und dem rein obligatoriſchen Vertragsverhaͤltniſſe
bilden. Bei den Roͤmern wurden, abgeſehen von der Stel-
lung der Hausſoͤhne, die Geſchaͤfte der Privatperſonen vorzugs-
weiſe durch Sklaven verrichtet; wo dieſe nicht ausreichten, da
trat der Vertrag ergaͤnzend hinzu, ſey es in Folge eines Man-
dats, dem ſich die negotiorum gestio anſchloß, oder einer
Dienſtmiethe. Im Mittelalter waren es vorzugsweiſe die Hoͤ-
rigen in ihrer verſchiedenen Abſtufung, welche im Intereſſe ih-
rer Herren handelten, denn eigentliche Privatarbeiten wurden
ſelten in die Form des Lehenrechts gebracht; in den Staͤdten
bildete ſich aber das Handwerk und das Geſindeweſen zu ei-
ner eigenthuͤmlichen Geſtaltung aus. Die moderne Zeit kennt
in Deutſchland und dem uͤbrigen civiliſirten Europa außerhalb
der Familie nur freie Arbeit in Folge eines Vertrags: aber
wie in manchen andern Faͤllen iſt die Wirkung ſolcher Ver-
traͤge keine rein obligatoriſche. Ich ſehe hier ab von ſolchen
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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/156>, abgerufen am 27.07.2024.
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