nicht zurückbezogen werden kann; denn es wird sich in manchen Fällen nicht unbedingt behaupten lassen, daß die substituirte Strafe milder sei als die des älteren Rechts. -- Diese Gründe, über deren Beweiskraft man freilich verschiedener Ansicht sein kann, sind jedenfalls die entschei- denden gewesen, und haben den Gang der Gesetzgebung in dieser An- gelegenheit bestimmt. n)
Anders wurde dagegen die Sache für den Bereich derjenigen be- sonderen Gesetze aufgefaßt, welche neben dem Strafgesetzbuch auch fer- ner in Wirksamkeit bleiben sollen. Für diese Gesetze handelt es sich nicht bloß um einen Zustand des Uebergangs und der Vermittlung, sondern sie sollen für die Dauer in Geltung bleiben; wollte man die Strafarten, welche sie abweichend vom Strafgesetzbuch aufstellen, auch später beibehalten, so würde ein wahrer Dualismus im Strafrechte, schlimmer als die räumliche Verschiedenheit des früheren Rechtszustan- des, begründet sein. Es kommt aber noch hinzu, daß in diesem Fall das Verbot der rückwirkenden Kraft der Gesetze der Ausgleichung der verschiedenen Strafarten für die nach den ersten Juli 1851. begangenen Handlungen nicht entgegensteht, und daß überhaupt bei der Beschaffen- heit der in den besonderen Strafgesetzen vorkommenden Bestimmungen, die meistens nur geringere Strafansätze enthalten, der ganzen Maaß- regel keine erhebliche Schwierigkeiten bereitet sind.
Erwägungen dieser Art waren es, welche die Kommission der zweiten Kammer veranlaßten, im Einverständniß mit der Staatsregie- rung einige allgemeine Bestimmungen über das Verhältniß der Strafen der besonderen Gesetze zu denen des Gesetzbuchs in das Einführungs- gesetz aufnehmen. Eine solche Maaßnahme war aber nicht bloß nöthig, um den Gerichtshöfen eine Norm für ihre Urtheilssprechung zu geben, sondern auch wegen der Ordnung der Kompetenzverhältnisse, welche in Betreff jener besonderen Strafgesetze mit der Dreitheilung des Straf- gesetzbuchs in Einklang gesetzt werden mußten. Auf diese beiden Gegen- stände beziehen sich daher die Vorschriften der vorstehenden Artikel, welche, um dieß hier ausdrücklich zu wiederholen, mit den dem Strafgesetzbuch unterworfenen Handlungen, welche vor dessen Gesetzeskraft begangen sind, in keiner Beziehung stehen. o)
n)Allg. Verfügung des Königl. Justizministeriums vom 24. Juni 1851. (Justiz-Ministerial-Blatt. S. 237.)
o)Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu Art. VII a. VII b. VII c. -- Ueber die Strafarten, welche gegen die der Civilgerichtsbarkeit unterwor- fenen, im Militairverbande befindlichen Individuen zur Anwendung kommen, s. Allg. Verfügung des Königl. Justizministeriums vom 14. Juli 1851. (Justiz- Ministerial-Blatt. S. 246. 247.)
Das Einführungsgeſetz. Abſchnitt I.
nicht zurückbezogen werden kann; denn es wird ſich in manchen Fällen nicht unbedingt behaupten laſſen, daß die ſubſtituirte Strafe milder ſei als die des älteren Rechts. — Dieſe Gründe, über deren Beweiskraft man freilich verſchiedener Anſicht ſein kann, ſind jedenfalls die entſchei- denden geweſen, und haben den Gang der Geſetzgebung in dieſer An- gelegenheit beſtimmt. n)
Anders wurde dagegen die Sache für den Bereich derjenigen be- ſonderen Geſetze aufgefaßt, welche neben dem Strafgeſetzbuch auch fer- ner in Wirkſamkeit bleiben ſollen. Für dieſe Geſetze handelt es ſich nicht bloß um einen Zuſtand des Uebergangs und der Vermittlung, ſondern ſie ſollen für die Dauer in Geltung bleiben; wollte man die Strafarten, welche ſie abweichend vom Strafgeſetzbuch aufſtellen, auch ſpäter beibehalten, ſo würde ein wahrer Dualismus im Strafrechte, ſchlimmer als die räumliche Verſchiedenheit des früheren Rechtszuſtan- des, begründet ſein. Es kommt aber noch hinzu, daß in dieſem Fall das Verbot der rückwirkenden Kraft der Geſetze der Ausgleichung der verſchiedenen Strafarten für die nach den erſten Juli 1851. begangenen Handlungen nicht entgegenſteht, und daß überhaupt bei der Beſchaffen- heit der in den beſonderen Strafgeſetzen vorkommenden Beſtimmungen, die meiſtens nur geringere Strafanſätze enthalten, der ganzen Maaß- regel keine erhebliche Schwierigkeiten bereitet ſind.
Erwägungen dieſer Art waren es, welche die Kommiſſion der zweiten Kammer veranlaßten, im Einverſtändniß mit der Staatsregie- rung einige allgemeine Beſtimmungen über das Verhältniß der Strafen der beſonderen Geſetze zu denen des Geſetzbuchs in das Einführungs- geſetz aufnehmen. Eine ſolche Maaßnahme war aber nicht bloß nöthig, um den Gerichtshöfen eine Norm für ihre Urtheilsſprechung zu geben, ſondern auch wegen der Ordnung der Kompetenzverhältniſſe, welche in Betreff jener beſonderen Strafgeſetze mit der Dreitheilung des Straf- geſetzbuchs in Einklang geſetzt werden mußten. Auf dieſe beiden Gegen- ſtände beziehen ſich daher die Vorſchriften der vorſtehenden Artikel, welche, um dieß hier ausdrücklich zu wiederholen, mit den dem Strafgeſetzbuch unterworfenen Handlungen, welche vor deſſen Geſetzeskraft begangen ſind, in keiner Beziehung ſtehen. o)
n)Allg. Verfügung des Königl. Juſtizminiſteriums vom 24. Juni 1851. (Juſtiz-Miniſterial-Blatt. S. 237.)
o)Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu Art. VII a. VII b. VII c. — Ueber die Strafarten, welche gegen die der Civilgerichtsbarkeit unterwor- fenen, im Militairverbande befindlichen Individuen zur Anwendung kommen, ſ. Allg. Verfügung des Königl. Juſtizminiſteriums vom 14. Juli 1851. (Juſtiz- Miniſterial-Blatt. S. 246. 247.)
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Das Einführungsgeſetz. Abſchnitt I.
nicht zurückbezogen werden kann; denn es wird ſich in manchen Fällen
nicht unbedingt behaupten laſſen, daß die ſubſtituirte Strafe milder ſei
als die des älteren Rechts. — Dieſe Gründe, über deren Beweiskraft
man freilich verſchiedener Anſicht ſein kann, ſind jedenfalls die entſchei-
denden geweſen, und haben den Gang der Geſetzgebung in dieſer An-
gelegenheit beſtimmt. n)
Anders wurde dagegen die Sache für den Bereich derjenigen be-
ſonderen Geſetze aufgefaßt, welche neben dem Strafgeſetzbuch auch fer-
ner in Wirkſamkeit bleiben ſollen. Für dieſe Geſetze handelt es ſich
nicht bloß um einen Zuſtand des Uebergangs und der Vermittlung,
ſondern ſie ſollen für die Dauer in Geltung bleiben; wollte man die
Strafarten, welche ſie abweichend vom Strafgeſetzbuch aufſtellen, auch
ſpäter beibehalten, ſo würde ein wahrer Dualismus im Strafrechte,
ſchlimmer als die räumliche Verſchiedenheit des früheren Rechtszuſtan-
des, begründet ſein. Es kommt aber noch hinzu, daß in dieſem Fall
das Verbot der rückwirkenden Kraft der Geſetze der Ausgleichung der
verſchiedenen Strafarten für die nach den erſten Juli 1851. begangenen
Handlungen nicht entgegenſteht, und daß überhaupt bei der Beſchaffen-
heit der in den beſonderen Strafgeſetzen vorkommenden Beſtimmungen,
die meiſtens nur geringere Strafanſätze enthalten, der ganzen Maaß-
regel keine erhebliche Schwierigkeiten bereitet ſind.
Erwägungen dieſer Art waren es, welche die Kommiſſion der
zweiten Kammer veranlaßten, im Einverſtändniß mit der Staatsregie-
rung einige allgemeine Beſtimmungen über das Verhältniß der Strafen
der beſonderen Geſetze zu denen des Geſetzbuchs in das Einführungs-
geſetz aufnehmen. Eine ſolche Maaßnahme war aber nicht bloß nöthig,
um den Gerichtshöfen eine Norm für ihre Urtheilsſprechung zu geben,
ſondern auch wegen der Ordnung der Kompetenzverhältniſſe, welche in
Betreff jener beſonderen Strafgeſetze mit der Dreitheilung des Straf-
geſetzbuchs in Einklang geſetzt werden mußten. Auf dieſe beiden Gegen-
ſtände beziehen ſich daher die Vorſchriften der vorſtehenden Artikel, welche,
um dieß hier ausdrücklich zu wiederholen, mit den dem Strafgeſetzbuch
unterworfenen Handlungen, welche vor deſſen Geſetzeskraft begangen
ſind, in keiner Beziehung ſtehen. o)
n) Allg. Verfügung des Königl. Juſtizminiſteriums vom 24. Juni
1851. (Juſtiz-Miniſterial-Blatt. S. 237.)
o) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu Art. VII a. VII b.
VII c. — Ueber die Strafarten, welche gegen die der Civilgerichtsbarkeit unterwor-
fenen, im Militairverbande befindlichen Individuen zur Anwendung kommen, ſ. Allg.
Verfügung des Königl. Juſtizminiſteriums vom 14. Juli 1851. (Juſtiz-
Miniſterial-Blatt. S. 246. 247.)
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 610. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/620>, abgerufen am 16.07.2024.
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