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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Das Einführungsgesetz. Abschnitt I.
alle partikularen Polizeistrafgesetze durch die Vorschriften des dritten
Theils des Strafgesetzbuchs außer Kraft gesetzt worden sind. Man muß
in Betreff des partikularen Rechts vielmehr unterscheiden:

1) es bezieht sich auf das Rechtssystem, in dessen Bereich es
bisher gegolten hat, indem es Bestimmungen desselben ergänzt, abändert
oder erläutert. Ist dieses der Fall, so ist das Partikularrecht mit dem
beschränkt gemeinen Recht, worauf es sich bezieht aufgehoben; aber
darin unterscheidet es sich nicht von den andern Rechtsquellen. Bei
der allgemeinen und unbedingten Fassung der Vorschrift des Art. II.
Abs. 1. tritt dieselbe Folge für alle Arten abändernder Bestimmungen,
und also auch für das gemeine Landesrecht ein.

2) Das partikulare Recht hat in selbständiger Geltung neben dem
beschränkt gemeinen Rechte, in dessen Gebiete es sich vorfand, bestanden,
ohne durch eine bestimmt erkennbare Beziehung zu demselben als ein
integrirender Theil des Rechtssystems zu erscheinen.

In diesem letzteren Fall ist das partikulare Recht nach der Vor-
schrift des Art. II. Abs. 1. für unbedingt aufgehoben nicht zu halten;
es kommt vielmehr hier wie bei dem gemeinen Landesrecht auf den
Inhalt seiner Bestimmungen an, -- ob dieselben Materien betreffen,
auf welche das Strafgesetzbuch sich bezieht, oder solche, in Hinsicht deren
das Strafgesetzbuch nichts bestimmt. Liegt das letztere Verhältniß vor,
so findet der in Art. II. Abs. 2. aufgestellte Grundsatz seine Anwen-
dung. c) Es kann auffallend erscheinen, daß an dieser Stelle im Ge-
gensatze zu den vorher im Abs. 1. aufgeführten Rechtsquellen nur von
"besonderen Strafgesetzen" gehandelt wird, während doch, wie auch die
angeführten Beispiele zeigen, vorzugsweise das neben dem Strafgesetz-
buch fortbestehende gemeine Landesrecht unter jenem besonderen Rechte
verstanden wird. Man ist aber, wie schon bemerkt worden, dabei offen-
bar von der Ansicht ausgegangen, daß das Strafgesetzbuch das regel-
mäßige Recht im Sinne des jus commune umfasse, und daß alles
Recht, welches daneben besteht, wie auch der Umfang seiner Geltung
beschaffen sei, als das besondere Recht sich darstellt, mag es nun durch

c) Die hier auf Grund des Einführungsgesetzes vom 14. April 1851. angestellte
Erörterung ist natürlich von der Entscheidung der verwandten Rechtsfrage, wie das
Verhältniß des Allg. Landrechts zu dem früher gültigen Provinzial-Strafrechte nach
Art. III. des Publikations-Patents vom 5. Februar 1794. zu bestimmen war, ganz
unabhängig. In einem Urtheile des Geh. Ober-Tribunals (Entscheidungen. VI.
S. 86.) ist die Ansicht ausgeführt, daß das Allg. Landrecht (Th. II. Tit. 20.) den
früheren partikularen Strafbestimmungen derogirt habe, insoweit es nicht ausdrücklich
auf dieselben verweise, ein Satz, der in dieser Allgemeinheit aufgestellt, mit der posi-
tiven Bestimmung des Art. III. schwer zu vereinen ist, in der Praxis aber unzweifel-
hafte Anerkennung gefunden hat. Vgl. Wentzel, Ergänzung. S. 4.

Das Einführungsgeſetz. Abſchnitt I.
alle partikularen Polizeiſtrafgeſetze durch die Vorſchriften des dritten
Theils des Strafgeſetzbuchs außer Kraft geſetzt worden ſind. Man muß
in Betreff des partikularen Rechts vielmehr unterſcheiden:

1) es bezieht ſich auf das Rechtsſyſtem, in deſſen Bereich es
bisher gegolten hat, indem es Beſtimmungen deſſelben ergänzt, abändert
oder erläutert. Iſt dieſes der Fall, ſo iſt das Partikularrecht mit dem
beſchränkt gemeinen Recht, worauf es ſich bezieht aufgehoben; aber
darin unterſcheidet es ſich nicht von den andern Rechtsquellen. Bei
der allgemeinen und unbedingten Faſſung der Vorſchrift des Art. II.
Abſ. 1. tritt dieſelbe Folge für alle Arten abändernder Beſtimmungen,
und alſo auch für das gemeine Landesrecht ein.

2) Das partikulare Recht hat in ſelbſtändiger Geltung neben dem
beſchränkt gemeinen Rechte, in deſſen Gebiete es ſich vorfand, beſtanden,
ohne durch eine beſtimmt erkennbare Beziehung zu demſelben als ein
integrirender Theil des Rechtsſyſtems zu erſcheinen.

In dieſem letzteren Fall iſt das partikulare Recht nach der Vor-
ſchrift des Art. II. Abſ. 1. für unbedingt aufgehoben nicht zu halten;
es kommt vielmehr hier wie bei dem gemeinen Landesrecht auf den
Inhalt ſeiner Beſtimmungen an, — ob dieſelben Materien betreffen,
auf welche das Strafgeſetzbuch ſich bezieht, oder ſolche, in Hinſicht deren
das Strafgeſetzbuch nichts beſtimmt. Liegt das letztere Verhältniß vor,
ſo findet der in Art. II. Abſ. 2. aufgeſtellte Grundſatz ſeine Anwen-
dung. c) Es kann auffallend erſcheinen, daß an dieſer Stelle im Ge-
genſatze zu den vorher im Abſ. 1. aufgeführten Rechtsquellen nur von
„beſonderen Strafgeſetzen“ gehandelt wird, während doch, wie auch die
angeführten Beiſpiele zeigen, vorzugsweiſe das neben dem Strafgeſetz-
buch fortbeſtehende gemeine Landesrecht unter jenem beſonderen Rechte
verſtanden wird. Man iſt aber, wie ſchon bemerkt worden, dabei offen-
bar von der Anſicht ausgegangen, daß das Strafgeſetzbuch das regel-
mäßige Recht im Sinne des jus commune umfaſſe, und daß alles
Recht, welches daneben beſteht, wie auch der Umfang ſeiner Geltung
beſchaffen ſei, als das beſondere Recht ſich darſtellt, mag es nun durch

c) Die hier auf Grund des Einführungsgeſetzes vom 14. April 1851. angeſtellte
Erörterung iſt natürlich von der Entſcheidung der verwandten Rechtsfrage, wie das
Verhältniß des Allg. Landrechts zu dem früher gültigen Provinzial-Strafrechte nach
Art. III. des Publikations-Patents vom 5. Februar 1794. zu beſtimmen war, ganz
unabhängig. In einem Urtheile des Geh. Ober-Tribunals (Entſcheidungen. VI.
S. 86.) iſt die Anſicht ausgeführt, daß das Allg. Landrecht (Th. II. Tit. 20.) den
früheren partikularen Strafbeſtimmungen derogirt habe, inſoweit es nicht ausdrücklich
auf dieſelben verweiſe, ein Satz, der in dieſer Allgemeinheit aufgeſtellt, mit der poſi-
tiven Beſtimmung des Art. III. ſchwer zu vereinen iſt, in der Praxis aber unzweifel-
hafte Anerkennung gefunden hat. Vgl. Wentzel, Ergänzung. S. 4.
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[598/0608] Das Einführungsgeſetz. Abſchnitt I. alle partikularen Polizeiſtrafgeſetze durch die Vorſchriften des dritten Theils des Strafgeſetzbuchs außer Kraft geſetzt worden ſind. Man muß in Betreff des partikularen Rechts vielmehr unterſcheiden: 1) es bezieht ſich auf das Rechtsſyſtem, in deſſen Bereich es bisher gegolten hat, indem es Beſtimmungen deſſelben ergänzt, abändert oder erläutert. Iſt dieſes der Fall, ſo iſt das Partikularrecht mit dem beſchränkt gemeinen Recht, worauf es ſich bezieht aufgehoben; aber darin unterſcheidet es ſich nicht von den andern Rechtsquellen. Bei der allgemeinen und unbedingten Faſſung der Vorſchrift des Art. II. Abſ. 1. tritt dieſelbe Folge für alle Arten abändernder Beſtimmungen, und alſo auch für das gemeine Landesrecht ein. 2) Das partikulare Recht hat in ſelbſtändiger Geltung neben dem beſchränkt gemeinen Rechte, in deſſen Gebiete es ſich vorfand, beſtanden, ohne durch eine beſtimmt erkennbare Beziehung zu demſelben als ein integrirender Theil des Rechtsſyſtems zu erſcheinen. In dieſem letzteren Fall iſt das partikulare Recht nach der Vor- ſchrift des Art. II. Abſ. 1. für unbedingt aufgehoben nicht zu halten; es kommt vielmehr hier wie bei dem gemeinen Landesrecht auf den Inhalt ſeiner Beſtimmungen an, — ob dieſelben Materien betreffen, auf welche das Strafgeſetzbuch ſich bezieht, oder ſolche, in Hinſicht deren das Strafgeſetzbuch nichts beſtimmt. Liegt das letztere Verhältniß vor, ſo findet der in Art. II. Abſ. 2. aufgeſtellte Grundſatz ſeine Anwen- dung. c) Es kann auffallend erſcheinen, daß an dieſer Stelle im Ge- genſatze zu den vorher im Abſ. 1. aufgeführten Rechtsquellen nur von „beſonderen Strafgeſetzen“ gehandelt wird, während doch, wie auch die angeführten Beiſpiele zeigen, vorzugsweiſe das neben dem Strafgeſetz- buch fortbeſtehende gemeine Landesrecht unter jenem beſonderen Rechte verſtanden wird. Man iſt aber, wie ſchon bemerkt worden, dabei offen- bar von der Anſicht ausgegangen, daß das Strafgeſetzbuch das regel- mäßige Recht im Sinne des jus commune umfaſſe, und daß alles Recht, welches daneben beſteht, wie auch der Umfang ſeiner Geltung beſchaffen ſei, als das beſondere Recht ſich darſtellt, mag es nun durch c) Die hier auf Grund des Einführungsgeſetzes vom 14. April 1851. angeſtellte Erörterung iſt natürlich von der Entſcheidung der verwandten Rechtsfrage, wie das Verhältniß des Allg. Landrechts zu dem früher gültigen Provinzial-Strafrechte nach Art. III. des Publikations-Patents vom 5. Februar 1794. zu beſtimmen war, ganz unabhängig. In einem Urtheile des Geh. Ober-Tribunals (Entſcheidungen. VI. S. 86.) iſt die Anſicht ausgeführt, daß das Allg. Landrecht (Th. II. Tit. 20.) den früheren partikularen Strafbeſtimmungen derogirt habe, inſoweit es nicht ausdrücklich auf dieſelben verweiſe, ein Satz, der in dieſer Allgemeinheit aufgeſtellt, mit der poſi- tiven Beſtimmung des Art. III. ſchwer zu vereinen iſt, in der Praxis aber unzweifel- hafte Anerkennung gefunden hat. Vgl. Wentzel, Ergänzung. S. 4.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/608>, abgerufen am 24.11.2024.