"Wer aus rechtswidrigem Vorsatze eine Sache mit Gefahr für an- dere Personen oder deren Eigenthum in Brand setzt, der ist der Brand- stiftung schuldig. Zu dem rechtswidrigen Vorsatze bei diesem Verbrechen gehört die Absicht, einen Brand mit Feuersgefahr für Andere zu ver- ursachen."
Das Französische Strafgesetzbuch von 1791. ging noch weiter und verlangte, daß der Brand par malice ou vengeance et a dessein de nuire a autrui erregt sei; allein eine solche Hervorhebung der Motive ist hier eben so wenig angemessen, als die allgemeine Definition des Hannoverschen Gesetzbuchs, welche ungeachtet ihrer Ausführlichkeit die Bestimmtheit des Thatbestandes, welche durch die Feststellung der mög- lichen Gegenstände des Verbrechens erreicht wird, nicht ersetzt. v)
IV. Die Strafe der Brandstiftung richtet sich darnach, ob Gefahr für Menschenleben oder für fremdes Eigenthum durch die Handlung hervorgerufen wird.
a. In den Fällen des §. 285. tritt zehnjähriges bis lebensläng- liches Zuchthaus ein, und wenn durch den Brand ein Mensch das Le- ben verloren hat, soll auf Todesstrafe erkannt werden. Diese letztere Bestimmung, welche bei den meisten gemeingefährlichen Verbrechen sich wiederholt, beruht auf der Erwägung, daß bei solchen Verbrechen die Gefahr für Menschenleben, welche damit verbunden ist, nicht übersehen werden kann; daß auch der Thäter, wenn gleich seine Absicht nicht auf Tödtung gerichtet ist, die Handlung doch mit dem Bewußtsein unter- nimmt, daß sie möglicher Weise einen solchen Erfolg haben kann, wel- chen er also mittelbar wenigstens gewollt hat. Es ist dieß ein Fall des dolus indeterminatus, welcher in der Strafwürdigkeit dem direkten Dolus im Allgemeinen gleich steht. w) Die mit dem Verbrechen ver- bundene gemeine Gefahr, welche es gar nicht absehen läßt, wie weit die Folgen desselben reichen werden, kommt noch hinzu, um gerade in die- sen Fällen auch die Anwendung der Todesstrafe bei dem unbestimmten Dolus zu rechtfertigen.
Die Todesstrafe tritt aber nur dann ein, wenn ein Mensch "durch den Brand" das Leben verloren hat, so daß ein unmittelbarer Kausal- nerus zwischen dem Brande und diesem Ereignisse obwalten muß, und es z. B. nicht genügt, wenn der Tod eines Menschen bei dem Löschen des Feuers erfolgt ist. Um dieses bestimmter auszudrücken, beschloß die Kommission der zweiten Kammer, statt der in dem Entwurf von 1850.
v)Motive zum Entwurf von 1850. zu §§. 259-63.
w)Revision von 1845. III. S. 76. 77. -- Motive a. a. O. -- Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu §. 259. (285.) -- Bericht der Kommission der ersten Kammer ebendas.
§§. 285-289. Brandſtiftung.
„Wer aus rechtswidrigem Vorſatze eine Sache mit Gefahr für an- dere Perſonen oder deren Eigenthum in Brand ſetzt, der iſt der Brand- ſtiftung ſchuldig. Zu dem rechtswidrigen Vorſatze bei dieſem Verbrechen gehört die Abſicht, einen Brand mit Feuersgefahr für Andere zu ver- urſachen.“
Das Franzöſiſche Strafgeſetzbuch von 1791. ging noch weiter und verlangte, daß der Brand par malice ou véngeance et à dessein de nuire à autrui erregt ſei; allein eine ſolche Hervorhebung der Motive iſt hier eben ſo wenig angemeſſen, als die allgemeine Definition des Hannoverſchen Geſetzbuchs, welche ungeachtet ihrer Ausführlichkeit die Beſtimmtheit des Thatbeſtandes, welche durch die Feſtſtellung der mög- lichen Gegenſtände des Verbrechens erreicht wird, nicht erſetzt. v)
IV. Die Strafe der Brandſtiftung richtet ſich darnach, ob Gefahr für Menſchenleben oder für fremdes Eigenthum durch die Handlung hervorgerufen wird.
a. In den Fällen des §. 285. tritt zehnjähriges bis lebensläng- liches Zuchthaus ein, und wenn durch den Brand ein Menſch das Le- ben verloren hat, ſoll auf Todesſtrafe erkannt werden. Dieſe letztere Beſtimmung, welche bei den meiſten gemeingefährlichen Verbrechen ſich wiederholt, beruht auf der Erwägung, daß bei ſolchen Verbrechen die Gefahr für Menſchenleben, welche damit verbunden iſt, nicht überſehen werden kann; daß auch der Thäter, wenn gleich ſeine Abſicht nicht auf Tödtung gerichtet iſt, die Handlung doch mit dem Bewußtſein unter- nimmt, daß ſie möglicher Weiſe einen ſolchen Erfolg haben kann, wel- chen er alſo mittelbar wenigſtens gewollt hat. Es iſt dieß ein Fall des dolus indeterminatus, welcher in der Strafwürdigkeit dem direkten Dolus im Allgemeinen gleich ſteht. w) Die mit dem Verbrechen ver- bundene gemeine Gefahr, welche es gar nicht abſehen läßt, wie weit die Folgen deſſelben reichen werden, kommt noch hinzu, um gerade in die- ſen Fällen auch die Anwendung der Todesſtrafe bei dem unbeſtimmten Dolus zu rechtfertigen.
Die Todesſtrafe tritt aber nur dann ein, wenn ein Menſch „durch den Brand“ das Leben verloren hat, ſo daß ein unmittelbarer Kauſal- nerus zwiſchen dem Brande und dieſem Ereigniſſe obwalten muß, und es z. B. nicht genügt, wenn der Tod eines Menſchen bei dem Löſchen des Feuers erfolgt iſt. Um dieſes beſtimmter auszudrücken, beſchloß die Kommiſſion der zweiten Kammer, ſtatt der in dem Entwurf von 1850.
v)Motive zum Entwurf von 1850. zu §§. 259-63.
w)Reviſion von 1845. III. S. 76. 77. — Motive a. a. O. — Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 259. (285.) — Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer ebendaſ.
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„Wer aus rechtswidrigem Vorſatze eine Sache mit Gefahr für an-
dere Perſonen oder deren Eigenthum in Brand ſetzt, der iſt der Brand-
ſtiftung ſchuldig. Zu dem rechtswidrigen Vorſatze bei dieſem Verbrechen
gehört die Abſicht, einen Brand mit Feuersgefahr für Andere zu ver-
urſachen.“
Das Franzöſiſche Strafgeſetzbuch von 1791. ging noch weiter und
verlangte, daß der Brand par malice ou véngeance et à dessein de
nuire à autrui erregt ſei; allein eine ſolche Hervorhebung der Motive
iſt hier eben ſo wenig angemeſſen, als die allgemeine Definition des
Hannoverſchen Geſetzbuchs, welche ungeachtet ihrer Ausführlichkeit die
Beſtimmtheit des Thatbeſtandes, welche durch die Feſtſtellung der mög-
lichen Gegenſtände des Verbrechens erreicht wird, nicht erſetzt. v)
IV. Die Strafe der Brandſtiftung richtet ſich darnach, ob Gefahr
für Menſchenleben oder für fremdes Eigenthum durch die Handlung
hervorgerufen wird.
a. In den Fällen des §. 285. tritt zehnjähriges bis lebensläng-
liches Zuchthaus ein, und wenn durch den Brand ein Menſch das Le-
ben verloren hat, ſoll auf Todesſtrafe erkannt werden. Dieſe letztere
Beſtimmung, welche bei den meiſten gemeingefährlichen Verbrechen ſich
wiederholt, beruht auf der Erwägung, daß bei ſolchen Verbrechen die
Gefahr für Menſchenleben, welche damit verbunden iſt, nicht überſehen
werden kann; daß auch der Thäter, wenn gleich ſeine Abſicht nicht auf
Tödtung gerichtet iſt, die Handlung doch mit dem Bewußtſein unter-
nimmt, daß ſie möglicher Weiſe einen ſolchen Erfolg haben kann, wel-
chen er alſo mittelbar wenigſtens gewollt hat. Es iſt dieß ein Fall
des dolus indeterminatus, welcher in der Strafwürdigkeit dem direkten
Dolus im Allgemeinen gleich ſteht. w) Die mit dem Verbrechen ver-
bundene gemeine Gefahr, welche es gar nicht abſehen läßt, wie weit die
Folgen deſſelben reichen werden, kommt noch hinzu, um gerade in die-
ſen Fällen auch die Anwendung der Todesſtrafe bei dem unbeſtimmten
Dolus zu rechtfertigen.
Die Todesſtrafe tritt aber nur dann ein, wenn ein Menſch „durch
den Brand“ das Leben verloren hat, ſo daß ein unmittelbarer Kauſal-
nerus zwiſchen dem Brande und dieſem Ereigniſſe obwalten muß, und
es z. B. nicht genügt, wenn der Tod eines Menſchen bei dem Löſchen
des Feuers erfolgt iſt. Um dieſes beſtimmter auszudrücken, beſchloß die
Kommiſſion der zweiten Kammer, ſtatt der in dem Entwurf von 1850.
v) Motive zum Entwurf von 1850. zu §§. 259-63.
w) Reviſion von 1845. III. S. 76. 77. — Motive a. a. O. — Bericht
der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 259. (285.) — Bericht der
Kommiſſion der erſten Kammer ebendaſ.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/537>, abgerufen am 30.01.2025.
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