Der Staatsrath trat in Beziehung auf den verdeckten Wucher dem Beschluß der Kommission bei; dagegen entschied er sich für die Straf- barkeit des gewerbmäßigen Wuchers, auch wenn derselbe offen betrieben wird. Es kam dabei namentlich zur Erwägung, daß der gewerbmäßige Wucher eine fortgesetzte Nichtachtung der Gesetze enthalte, welche zur Aufrechthaltung des Ansehens derselben eine Strafe nothwendig erfordere. Der gewerbmäßige Wucher wirke durch sein Treiben höchst nachtheilig und bringe, indem er die Verlegenheit oder das Unglück Anderer plan- mäßig auszubeuten suche, Viele ins Verderben; derselbe sei durch die öffentliche Meinung gebrandmarkt, und man würde sich mit letzterer in offenen Widerspruch setzen, wenn das Gesetz ihn straflos lasse. b)
Der Entwurf von 1843. bestimmte demnach:
§. 485. "Einen Wucher begeht, wer sich von seinem Schuldner höhere Zinsen, als die Gesetze zulassen, oder bei Darlehnen die Zurück- zahlung einer höheren Summe, als die Schuld wirklich beträgt, vor- bedingt.
Der Wucher wird mit Gefängniß nicht unter sechs Wochen und zugleich mit Geldbuße von funfzig bis zu tausend Thalern bestraft, wenn
1) derselbe gewerbmäßig betrieben, oder
2) das Geschäft so eingekleidet wird, daß dadurch der Wucher ver- steckt werden soll. Gewerbmäßiger Wucher ist vorhanden, wenn jemand mehr als einmal in dem Zeitraume eines Jahres sich wucherliche Handlungen zu Schulden kommen läßt."
Gegen die hier gegebene Definition wurde bei der Revision von 1845. zunächst bemerkt, daß der Zwischensatz "oder bei Darlehnen die Zurückzahlung" u. s. w. unrichtig sei, weil es nach dem A. L. R. Th. I. Tit. 11. §. 817. bedingungsweise für erlaubt gelte, den Betrag einjäh- riger Zinsen zum Kapital zu schlagen; er sei aber auch überflüssig, weil es offenbar einen versteckten Wucher bilde, wenn sich der Gläubiger eine größere Summe vorschreiben lasse, als das dargeliehene Kapital mit Zurechnung gesetzlich erlaubter Zinsen betrage. Jener Zwischensatz sei also wegzulassen. Außerdem könne die Definition des gewerbmäßigen Wuchers ebenso wenig beibehalten werden, wie die der gewerbmäßigen Hehlerei. c) -- Der Vorschlag der Brandenburgischen Provinzialstände, Darlehne an Minderjährige mit der Strafe des Wuchers zu belegen, gelangte aber damals so wenig wie später in dem vereinigten ständischen Ausschuß zur Annahme. d)
b)Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 11. Mai 1842.
c)Revision von 1845. III. S. 58-63.
d)Verhandlungen. IV. S. 364.
§. 263. Wucher.
Der Staatsrath trat in Beziehung auf den verdeckten Wucher dem Beſchluß der Kommiſſion bei; dagegen entſchied er ſich für die Straf- barkeit des gewerbmäßigen Wuchers, auch wenn derſelbe offen betrieben wird. Es kam dabei namentlich zur Erwägung, daß der gewerbmäßige Wucher eine fortgeſetzte Nichtachtung der Geſetze enthalte, welche zur Aufrechthaltung des Anſehens derſelben eine Strafe nothwendig erfordere. Der gewerbmäßige Wucher wirke durch ſein Treiben höchſt nachtheilig und bringe, indem er die Verlegenheit oder das Unglück Anderer plan- mäßig auszubeuten ſuche, Viele ins Verderben; derſelbe ſei durch die öffentliche Meinung gebrandmarkt, und man würde ſich mit letzterer in offenen Widerſpruch ſetzen, wenn das Geſetz ihn ſtraflos laſſe. b)
Der Entwurf von 1843. beſtimmte demnach:
§. 485. „Einen Wucher begeht, wer ſich von ſeinem Schuldner höhere Zinſen, als die Geſetze zulaſſen, oder bei Darlehnen die Zurück- zahlung einer höheren Summe, als die Schuld wirklich beträgt, vor- bedingt.
Der Wucher wird mit Gefängniß nicht unter ſechs Wochen und zugleich mit Geldbuße von funfzig bis zu tauſend Thalern beſtraft, wenn
1) derſelbe gewerbmäßig betrieben, oder
2) das Geſchäft ſo eingekleidet wird, daß dadurch der Wucher ver- ſteckt werden ſoll. Gewerbmäßiger Wucher iſt vorhanden, wenn jemand mehr als einmal in dem Zeitraume eines Jahres ſich wucherliche Handlungen zu Schulden kommen läßt.“
Gegen die hier gegebene Definition wurde bei der Reviſion von 1845. zunächſt bemerkt, daß der Zwiſchenſatz „oder bei Darlehnen die Zurückzahlung“ u. ſ. w. unrichtig ſei, weil es nach dem A. L. R. Th. I. Tit. 11. §. 817. bedingungsweiſe für erlaubt gelte, den Betrag einjäh- riger Zinſen zum Kapital zu ſchlagen; er ſei aber auch überflüſſig, weil es offenbar einen verſteckten Wucher bilde, wenn ſich der Gläubiger eine größere Summe vorſchreiben laſſe, als das dargeliehene Kapital mit Zurechnung geſetzlich erlaubter Zinſen betrage. Jener Zwiſchenſatz ſei alſo wegzulaſſen. Außerdem könne die Definition des gewerbmäßigen Wuchers ebenſo wenig beibehalten werden, wie die der gewerbmäßigen Hehlerei. c) — Der Vorſchlag der Brandenburgiſchen Provinzialſtände, Darlehne an Minderjährige mit der Strafe des Wuchers zu belegen, gelangte aber damals ſo wenig wie ſpäter in dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß zur Annahme. d)
b)Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 11. Mai 1842.
c)Reviſion von 1845. III. S. 58-63.
d)Verhandlungen. IV. S. 364.
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§. 263. Wucher.
Der Staatsrath trat in Beziehung auf den verdeckten Wucher dem
Beſchluß der Kommiſſion bei; dagegen entſchied er ſich für die Straf-
barkeit des gewerbmäßigen Wuchers, auch wenn derſelbe offen betrieben
wird. Es kam dabei namentlich zur Erwägung, daß der gewerbmäßige
Wucher eine fortgeſetzte Nichtachtung der Geſetze enthalte, welche zur
Aufrechthaltung des Anſehens derſelben eine Strafe nothwendig erfordere.
Der gewerbmäßige Wucher wirke durch ſein Treiben höchſt nachtheilig
und bringe, indem er die Verlegenheit oder das Unglück Anderer plan-
mäßig auszubeuten ſuche, Viele ins Verderben; derſelbe ſei durch die
öffentliche Meinung gebrandmarkt, und man würde ſich mit letzterer in
offenen Widerſpruch ſetzen, wenn das Geſetz ihn ſtraflos laſſe. b)
Der Entwurf von 1843. beſtimmte demnach:
§. 485. „Einen Wucher begeht, wer ſich von ſeinem Schuldner
höhere Zinſen, als die Geſetze zulaſſen, oder bei Darlehnen die Zurück-
zahlung einer höheren Summe, als die Schuld wirklich beträgt, vor-
bedingt.
Der Wucher wird mit Gefängniß nicht unter ſechs Wochen und
zugleich mit Geldbuße von funfzig bis zu tauſend Thalern beſtraft,
wenn
1) derſelbe gewerbmäßig betrieben, oder
2) das Geſchäft ſo eingekleidet wird, daß dadurch der Wucher ver-
ſteckt werden ſoll. Gewerbmäßiger Wucher iſt vorhanden, wenn
jemand mehr als einmal in dem Zeitraume eines Jahres ſich
wucherliche Handlungen zu Schulden kommen läßt.“
Gegen die hier gegebene Definition wurde bei der Reviſion von
1845. zunächſt bemerkt, daß der Zwiſchenſatz „oder bei Darlehnen die
Zurückzahlung“ u. ſ. w. unrichtig ſei, weil es nach dem A. L. R. Th. I.
Tit. 11. §. 817. bedingungsweiſe für erlaubt gelte, den Betrag einjäh-
riger Zinſen zum Kapital zu ſchlagen; er ſei aber auch überflüſſig, weil
es offenbar einen verſteckten Wucher bilde, wenn ſich der Gläubiger eine
größere Summe vorſchreiben laſſe, als das dargeliehene Kapital mit
Zurechnung geſetzlich erlaubter Zinſen betrage. Jener Zwiſchenſatz ſei
alſo wegzulaſſen. Außerdem könne die Definition des gewerbmäßigen
Wuchers ebenſo wenig beibehalten werden, wie die der gewerbmäßigen
Hehlerei. c) — Der Vorſchlag der Brandenburgiſchen Provinzialſtände,
Darlehne an Minderjährige mit der Strafe des Wuchers zu belegen,
gelangte aber damals ſo wenig wie ſpäter in dem vereinigten ſtändiſchen
Ausſchuß zur Annahme. d)
b) Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 11. Mai 1842.
c) Reviſion von 1845. III. S. 58-63.
d) Verhandlungen. IV. S. 364.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/513>, abgerufen am 22.12.2024.
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