Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 263. Wucher.

Diese Vorschrift beruhte auf der Erwägung, daß das Gesetz ein
positives Maaß der Zinsen angenommen habe, und zur Aufrechthaltung
dieser Bestimmung der Strafe bedürfe; daß der Wucher wegen des in
ihm sich aussprechenden Mangels an Moralität und wegen der Be-
drückung in nahrungslosen Zeiten die öffentliche Meinung in hohem
Grade gegen sich habe; daß die bloße Nichtigkeit des Geschäfts nicht
genüge, weil der Bevortheilte in der Regel nicht klage, und daß es
eine Inkonsequenz sei, wenn man den verkleideten Wucher bestrafe, und
den offenen, welcher dem Verbote geradezu entgegen handle, straflos
lasse, da der Umfang der Rechtsverletzung und die strafbare Absicht in
beiden Fällen dieselben seien. -- Es wurde ferner für diese Auffassung
angeführt, daß die neueren Deutschen Strafgesetzgebungen sich diesem
Princip der allgemeinen Strafbarkeit angeschlossen hätten, indem sie nur
bei Bestimmung des Strafmaaßes zwischen dem einfachen und dem be-
trüglichen oder verkleideten Wucher unterschieden. y)

Die Staatsraths-Kommission beschloß aber im Gegensatz zu diesen
Ausführungen, daß es im Wesentlichen bei den Vorschriften des All-
gemeinen Landrechts zu belassen sei. Dieses nämlich bestimmt:

Th. II. Tit. 20. §. 1271. "Höhere Zinsen, als die gesetzlich
verstatteten (I. 11. §. 803 ff.) können rechtsgültiger Weise weder ver-
sprochen, noch gegeben werden."

§. 1272. "Was über die gesetzmäßigen Zinsen gezahlt ist, kann
binnen sechs Jahren nach völlig abgetragener Schuld noch zurückgefor-
dert werden."

§. 1273. "Wer, um diesen Verordnungen (§. 1271. 1272.)
auszuweichen, den übermäßigen Vortheil unter irgend einem andern
Namen oder Geschäfte zu verbergen sucht, ist als Wucherer zu be-
strafen."

Zur Vertheidigung dieser Auffassung wurde bemerkt: "Im Allge-
meinen unterliege es wohl keinem Bedenken, daß in dem Bedingen der
Zinsen an sich, oder wie man sonst die Vergeltung nennen möge, die
für den Gebrauch einer Summe Geldes gewährt werde, weder eine
Rechtsverletzung liege, noch daraus etwas Nachtheiliges für das Staats-
wohl folge. Das Geld sei Waare, die um beliebige Preise erworben
werden könne; der Darleiher könne durch das Geld noch weit mehr
gewinnen, als er gebe. Das Gebot, welches für den Geldverkehr eine
Schranke des Preises bestimme, sei ein rein positives -- --. Fehle

y) Sächs. Criminalgesetzb. Art. 293-301. -- Braunschw. Crimi-
nalgesetzb.
§. 231. 232. -- Hess. Strafgesetzb. Art. 400. -- Beschränkungen
enthalten dagegen: Württemb. Strafgesetzb. Art. 355. -- Bad. Straf-
gesetzb.
§. 533. 534. -- Thüring. Gesetzb. Art. 286-90.
§. 263. Wucher.

Dieſe Vorſchrift beruhte auf der Erwägung, daß das Geſetz ein
poſitives Maaß der Zinſen angenommen habe, und zur Aufrechthaltung
dieſer Beſtimmung der Strafe bedürfe; daß der Wucher wegen des in
ihm ſich ausſprechenden Mangels an Moralität und wegen der Be-
drückung in nahrungsloſen Zeiten die öffentliche Meinung in hohem
Grade gegen ſich habe; daß die bloße Nichtigkeit des Geſchäfts nicht
genüge, weil der Bevortheilte in der Regel nicht klage, und daß es
eine Inkonſequenz ſei, wenn man den verkleideten Wucher beſtrafe, und
den offenen, welcher dem Verbote geradezu entgegen handle, ſtraflos
laſſe, da der Umfang der Rechtsverletzung und die ſtrafbare Abſicht in
beiden Fällen dieſelben ſeien. — Es wurde ferner für dieſe Auffaſſung
angeführt, daß die neueren Deutſchen Strafgeſetzgebungen ſich dieſem
Princip der allgemeinen Strafbarkeit angeſchloſſen hätten, indem ſie nur
bei Beſtimmung des Strafmaaßes zwiſchen dem einfachen und dem be-
trüglichen oder verkleideten Wucher unterſchieden. y)

Die Staatsraths-Kommiſſion beſchloß aber im Gegenſatz zu dieſen
Ausführungen, daß es im Weſentlichen bei den Vorſchriften des All-
gemeinen Landrechts zu belaſſen ſei. Dieſes nämlich beſtimmt:

Th. II. Tit. 20. §. 1271. „Höhere Zinſen, als die geſetzlich
verſtatteten (I. 11. §. 803 ff.) können rechtsgültiger Weiſe weder ver-
ſprochen, noch gegeben werden.“

§. 1272. „Was über die geſetzmäßigen Zinſen gezahlt iſt, kann
binnen ſechs Jahren nach völlig abgetragener Schuld noch zurückgefor-
dert werden.“

§. 1273. „Wer, um dieſen Verordnungen (§. 1271. 1272.)
auszuweichen, den übermäßigen Vortheil unter irgend einem andern
Namen oder Geſchäfte zu verbergen ſucht, iſt als Wucherer zu be-
ſtrafen.“

Zur Vertheidigung dieſer Auffaſſung wurde bemerkt: „Im Allge-
meinen unterliege es wohl keinem Bedenken, daß in dem Bedingen der
Zinſen an ſich, oder wie man ſonſt die Vergeltung nennen möge, die
für den Gebrauch einer Summe Geldes gewährt werde, weder eine
Rechtsverletzung liege, noch daraus etwas Nachtheiliges für das Staats-
wohl folge. Das Geld ſei Waare, die um beliebige Preiſe erworben
werden könne; der Darleiher könne durch das Geld noch weit mehr
gewinnen, als er gebe. Das Gebot, welches für den Geldverkehr eine
Schranke des Preiſes beſtimme, ſei ein rein poſitives — —. Fehle

y) Sächſ. Criminalgeſetzb. Art. 293-301. — Braunſchw. Crimi-
nalgeſetzb.
§. 231. 232. — Heſſ. Strafgeſetzb. Art. 400. — Beſchränkungen
enthalten dagegen: Württemb. Strafgeſetzb. Art. 355. — Bad. Straf-
geſetzb.
§. 533. 534. — Thüring. Geſetzb. Art. 286-90.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <pb facs="#f0511" n="501"/>
                <fw place="top" type="header">§. 263. Wucher.</fw><lb/>
                <p>Die&#x017F;e Vor&#x017F;chrift beruhte auf der Erwägung, daß das          Ge&#x017F;etz ein<lb/>
po&#x017F;itives Maaß der Zin&#x017F;en angenommen habe,          und zur Aufrechthaltung<lb/>
die&#x017F;er Be&#x017F;timmung der Strafe bedürfe; daß          der Wucher wegen des in<lb/>
ihm &#x017F;ich aus&#x017F;prechenden Mangels an          Moralität und wegen der Be-<lb/>
drückung in nahrungslo&#x017F;en Zeiten die öffentliche          Meinung in hohem<lb/>
Grade gegen &#x017F;ich habe; daß die bloße Nichtigkeit des          Ge&#x017F;chäfts nicht<lb/>
genüge, weil der Bevortheilte in der Regel nicht klage, und          daß es<lb/>
eine Inkon&#x017F;equenz &#x017F;ei, wenn man den verkleideten Wucher          be&#x017F;trafe, und<lb/>
den offenen, welcher dem Verbote geradezu entgegen handle,          &#x017F;traflos<lb/>
la&#x017F;&#x017F;e, da der Umfang der Rechtsverletzung und          die &#x017F;trafbare Ab&#x017F;icht in<lb/>
beiden Fällen die&#x017F;elben          &#x017F;eien. &#x2014; Es wurde ferner für die&#x017F;e          Auffa&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
angeführt, daß die neueren Deut&#x017F;chen          Strafge&#x017F;etzgebungen &#x017F;ich die&#x017F;em<lb/>
Princip der          allgemeinen Strafbarkeit ange&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en hätten, indem          &#x017F;ie nur<lb/>
bei Be&#x017F;timmung des Strafmaaßes zwi&#x017F;chen dem          einfachen und dem be-<lb/>
trüglichen oder verkleideten Wucher unter&#x017F;chieden.           <note place="foot" n="y)"><hi rendition="#g">Säch&#x017F;.            Criminalge&#x017F;etzb.</hi> Art. 293-301. &#x2014; <hi rendition="#g">Braun&#x017F;chw. Crimi-<lb/>
nalge&#x017F;etzb.</hi> §. 231. 232. &#x2014; <hi rendition="#g">He&#x017F;&#x017F;. Strafge&#x017F;etzb.</hi> Art. 400.           &#x2014; Be&#x017F;chränkungen<lb/>
enthalten dagegen: <hi rendition="#g">Württemb. Strafge&#x017F;etzb.</hi> Art. 355. &#x2014; <hi rendition="#g">Bad.            Straf-<lb/>
ge&#x017F;etzb.</hi> §. 533. 534. &#x2014; <hi rendition="#g">Thüring. Ge&#x017F;etzb.</hi> Art. 286-90.</note>         </p><lb/>
                <p>Die Staatsraths-Kommi&#x017F;&#x017F;ion be&#x017F;chloß aber im          Gegen&#x017F;atz zu die&#x017F;en<lb/>
Ausführungen, daß es im          We&#x017F;entlichen bei den Vor&#x017F;chriften des All-<lb/>
gemeinen Landrechts zu          bela&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ei. Die&#x017F;es nämlich          be&#x017F;timmt:</p><lb/>
                <p>Th. II. Tit. 20. §. 1271. &#x201E;Höhere Zin&#x017F;en, als die          ge&#x017F;etzlich<lb/>
ver&#x017F;tatteten (I. 11. §. 803 ff.) können rechtsgültiger          Wei&#x017F;e weder ver-<lb/>
&#x017F;prochen, noch gegeben werden.&#x201C;</p><lb/>
                <p>§. 1272. &#x201E;Was über die ge&#x017F;etzmäßigen Zin&#x017F;en gezahlt          i&#x017F;t, kann<lb/>
binnen &#x017F;echs Jahren nach völlig abgetragener Schuld          noch zurückgefor-<lb/>
dert werden.&#x201C;</p><lb/>
                <p>§. 1273. &#x201E;Wer, um die&#x017F;en Verordnungen (§. 1271.          1272.)<lb/>
auszuweichen, den übermäßigen Vortheil unter irgend einem andern<lb/>
Namen oder          Ge&#x017F;chäfte zu verbergen &#x017F;ucht, i&#x017F;t als Wucherer zu          be-<lb/>
&#x017F;trafen.&#x201C;</p><lb/>
                <p>Zur Vertheidigung die&#x017F;er Auffa&#x017F;&#x017F;ung wurde bemerkt:          &#x201E;Im Allge-<lb/>
meinen unterliege es wohl keinem Bedenken, daß in dem Bedingen          der<lb/>
Zin&#x017F;en an &#x017F;ich, oder wie man &#x017F;on&#x017F;t die          Vergeltung nennen möge, die<lb/>
für den Gebrauch einer Summe Geldes gewährt werde, weder          eine<lb/>
Rechtsverletzung liege, noch daraus etwas Nachtheiliges für das Staats-<lb/>
wohl          folge. Das Geld &#x017F;ei Waare, die um beliebige Prei&#x017F;e          erworben<lb/>
werden könne; der Darleiher könne durch das Geld noch weit mehr<lb/>
gewinnen,          als er gebe. Das Gebot, welches für den Geldverkehr eine<lb/>
Schranke des          Prei&#x017F;es be&#x017F;timme, &#x017F;ei ein rein po&#x017F;itives          &#x2014; &#x2014;. Fehle<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[501/0511] §. 263. Wucher. Dieſe Vorſchrift beruhte auf der Erwägung, daß das Geſetz ein poſitives Maaß der Zinſen angenommen habe, und zur Aufrechthaltung dieſer Beſtimmung der Strafe bedürfe; daß der Wucher wegen des in ihm ſich ausſprechenden Mangels an Moralität und wegen der Be- drückung in nahrungsloſen Zeiten die öffentliche Meinung in hohem Grade gegen ſich habe; daß die bloße Nichtigkeit des Geſchäfts nicht genüge, weil der Bevortheilte in der Regel nicht klage, und daß es eine Inkonſequenz ſei, wenn man den verkleideten Wucher beſtrafe, und den offenen, welcher dem Verbote geradezu entgegen handle, ſtraflos laſſe, da der Umfang der Rechtsverletzung und die ſtrafbare Abſicht in beiden Fällen dieſelben ſeien. — Es wurde ferner für dieſe Auffaſſung angeführt, daß die neueren Deutſchen Strafgeſetzgebungen ſich dieſem Princip der allgemeinen Strafbarkeit angeſchloſſen hätten, indem ſie nur bei Beſtimmung des Strafmaaßes zwiſchen dem einfachen und dem be- trüglichen oder verkleideten Wucher unterſchieden. y) Die Staatsraths-Kommiſſion beſchloß aber im Gegenſatz zu dieſen Ausführungen, daß es im Weſentlichen bei den Vorſchriften des All- gemeinen Landrechts zu belaſſen ſei. Dieſes nämlich beſtimmt: Th. II. Tit. 20. §. 1271. „Höhere Zinſen, als die geſetzlich verſtatteten (I. 11. §. 803 ff.) können rechtsgültiger Weiſe weder ver- ſprochen, noch gegeben werden.“ §. 1272. „Was über die geſetzmäßigen Zinſen gezahlt iſt, kann binnen ſechs Jahren nach völlig abgetragener Schuld noch zurückgefor- dert werden.“ §. 1273. „Wer, um dieſen Verordnungen (§. 1271. 1272.) auszuweichen, den übermäßigen Vortheil unter irgend einem andern Namen oder Geſchäfte zu verbergen ſucht, iſt als Wucherer zu be- ſtrafen.“ Zur Vertheidigung dieſer Auffaſſung wurde bemerkt: „Im Allge- meinen unterliege es wohl keinem Bedenken, daß in dem Bedingen der Zinſen an ſich, oder wie man ſonſt die Vergeltung nennen möge, die für den Gebrauch einer Summe Geldes gewährt werde, weder eine Rechtsverletzung liege, noch daraus etwas Nachtheiliges für das Staats- wohl folge. Das Geld ſei Waare, die um beliebige Preiſe erworben werden könne; der Darleiher könne durch das Geld noch weit mehr gewinnen, als er gebe. Das Gebot, welches für den Geldverkehr eine Schranke des Preiſes beſtimme, ſei ein rein poſitives — —. Fehle y) Sächſ. Criminalgeſetzb. Art. 293-301. — Braunſchw. Crimi- nalgeſetzb. §. 231. 232. — Heſſ. Strafgeſetzb. Art. 400. — Beſchränkungen enthalten dagegen: Württemb. Strafgeſetzb. Art. 355. — Bad. Straf- geſetzb. §. 533. 534. — Thüring. Geſetzb. Art. 286-90.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/511
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/511>, abgerufen am 09.05.2024.