Diese Vorschrift beruhte auf der Erwägung, daß das Gesetz ein positives Maaß der Zinsen angenommen habe, und zur Aufrechthaltung dieser Bestimmung der Strafe bedürfe; daß der Wucher wegen des in ihm sich aussprechenden Mangels an Moralität und wegen der Be- drückung in nahrungslosen Zeiten die öffentliche Meinung in hohem Grade gegen sich habe; daß die bloße Nichtigkeit des Geschäfts nicht genüge, weil der Bevortheilte in der Regel nicht klage, und daß es eine Inkonsequenz sei, wenn man den verkleideten Wucher bestrafe, und den offenen, welcher dem Verbote geradezu entgegen handle, straflos lasse, da der Umfang der Rechtsverletzung und die strafbare Absicht in beiden Fällen dieselben seien. -- Es wurde ferner für diese Auffassung angeführt, daß die neueren Deutschen Strafgesetzgebungen sich diesem Princip der allgemeinen Strafbarkeit angeschlossen hätten, indem sie nur bei Bestimmung des Strafmaaßes zwischen dem einfachen und dem be- trüglichen oder verkleideten Wucher unterschieden. y)
Die Staatsraths-Kommission beschloß aber im Gegensatz zu diesen Ausführungen, daß es im Wesentlichen bei den Vorschriften des All- gemeinen Landrechts zu belassen sei. Dieses nämlich bestimmt:
Th. II. Tit. 20. §. 1271. "Höhere Zinsen, als die gesetzlich verstatteten (I. 11. §. 803 ff.) können rechtsgültiger Weise weder ver- sprochen, noch gegeben werden."
§. 1272. "Was über die gesetzmäßigen Zinsen gezahlt ist, kann binnen sechs Jahren nach völlig abgetragener Schuld noch zurückgefor- dert werden."
§. 1273. "Wer, um diesen Verordnungen (§. 1271. 1272.) auszuweichen, den übermäßigen Vortheil unter irgend einem andern Namen oder Geschäfte zu verbergen sucht, ist als Wucherer zu be- strafen."
Zur Vertheidigung dieser Auffassung wurde bemerkt: "Im Allge- meinen unterliege es wohl keinem Bedenken, daß in dem Bedingen der Zinsen an sich, oder wie man sonst die Vergeltung nennen möge, die für den Gebrauch einer Summe Geldes gewährt werde, weder eine Rechtsverletzung liege, noch daraus etwas Nachtheiliges für das Staats- wohl folge. Das Geld sei Waare, die um beliebige Preise erworben werden könne; der Darleiher könne durch das Geld noch weit mehr gewinnen, als er gebe. Das Gebot, welches für den Geldverkehr eine Schranke des Preises bestimme, sei ein rein positives -- --. Fehle
Dieſe Vorſchrift beruhte auf der Erwägung, daß das Geſetz ein poſitives Maaß der Zinſen angenommen habe, und zur Aufrechthaltung dieſer Beſtimmung der Strafe bedürfe; daß der Wucher wegen des in ihm ſich ausſprechenden Mangels an Moralität und wegen der Be- drückung in nahrungsloſen Zeiten die öffentliche Meinung in hohem Grade gegen ſich habe; daß die bloße Nichtigkeit des Geſchäfts nicht genüge, weil der Bevortheilte in der Regel nicht klage, und daß es eine Inkonſequenz ſei, wenn man den verkleideten Wucher beſtrafe, und den offenen, welcher dem Verbote geradezu entgegen handle, ſtraflos laſſe, da der Umfang der Rechtsverletzung und die ſtrafbare Abſicht in beiden Fällen dieſelben ſeien. — Es wurde ferner für dieſe Auffaſſung angeführt, daß die neueren Deutſchen Strafgeſetzgebungen ſich dieſem Princip der allgemeinen Strafbarkeit angeſchloſſen hätten, indem ſie nur bei Beſtimmung des Strafmaaßes zwiſchen dem einfachen und dem be- trüglichen oder verkleideten Wucher unterſchieden. y)
Die Staatsraths-Kommiſſion beſchloß aber im Gegenſatz zu dieſen Ausführungen, daß es im Weſentlichen bei den Vorſchriften des All- gemeinen Landrechts zu belaſſen ſei. Dieſes nämlich beſtimmt:
Th. II. Tit. 20. §. 1271. „Höhere Zinſen, als die geſetzlich verſtatteten (I. 11. §. 803 ff.) können rechtsgültiger Weiſe weder ver- ſprochen, noch gegeben werden.“
§. 1272. „Was über die geſetzmäßigen Zinſen gezahlt iſt, kann binnen ſechs Jahren nach völlig abgetragener Schuld noch zurückgefor- dert werden.“
§. 1273. „Wer, um dieſen Verordnungen (§. 1271. 1272.) auszuweichen, den übermäßigen Vortheil unter irgend einem andern Namen oder Geſchäfte zu verbergen ſucht, iſt als Wucherer zu be- ſtrafen.“
Zur Vertheidigung dieſer Auffaſſung wurde bemerkt: „Im Allge- meinen unterliege es wohl keinem Bedenken, daß in dem Bedingen der Zinſen an ſich, oder wie man ſonſt die Vergeltung nennen möge, die für den Gebrauch einer Summe Geldes gewährt werde, weder eine Rechtsverletzung liege, noch daraus etwas Nachtheiliges für das Staats- wohl folge. Das Geld ſei Waare, die um beliebige Preiſe erworben werden könne; der Darleiher könne durch das Geld noch weit mehr gewinnen, als er gebe. Das Gebot, welches für den Geldverkehr eine Schranke des Preiſes beſtimme, ſei ein rein poſitives — —. Fehle
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[501/0511]
§. 263. Wucher.
Dieſe Vorſchrift beruhte auf der Erwägung, daß das Geſetz ein
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dieſer Beſtimmung der Strafe bedürfe; daß der Wucher wegen des in
ihm ſich ausſprechenden Mangels an Moralität und wegen der Be-
drückung in nahrungsloſen Zeiten die öffentliche Meinung in hohem
Grade gegen ſich habe; daß die bloße Nichtigkeit des Geſchäfts nicht
genüge, weil der Bevortheilte in der Regel nicht klage, und daß es
eine Inkonſequenz ſei, wenn man den verkleideten Wucher beſtrafe, und
den offenen, welcher dem Verbote geradezu entgegen handle, ſtraflos
laſſe, da der Umfang der Rechtsverletzung und die ſtrafbare Abſicht in
beiden Fällen dieſelben ſeien. — Es wurde ferner für dieſe Auffaſſung
angeführt, daß die neueren Deutſchen Strafgeſetzgebungen ſich dieſem
Princip der allgemeinen Strafbarkeit angeſchloſſen hätten, indem ſie nur
bei Beſtimmung des Strafmaaßes zwiſchen dem einfachen und dem be-
trüglichen oder verkleideten Wucher unterſchieden. y)
Die Staatsraths-Kommiſſion beſchloß aber im Gegenſatz zu dieſen
Ausführungen, daß es im Weſentlichen bei den Vorſchriften des All-
gemeinen Landrechts zu belaſſen ſei. Dieſes nämlich beſtimmt:
Th. II. Tit. 20. §. 1271. „Höhere Zinſen, als die geſetzlich
verſtatteten (I. 11. §. 803 ff.) können rechtsgültiger Weiſe weder ver-
ſprochen, noch gegeben werden.“
§. 1272. „Was über die geſetzmäßigen Zinſen gezahlt iſt, kann
binnen ſechs Jahren nach völlig abgetragener Schuld noch zurückgefor-
dert werden.“
§. 1273. „Wer, um dieſen Verordnungen (§. 1271. 1272.)
auszuweichen, den übermäßigen Vortheil unter irgend einem andern
Namen oder Geſchäfte zu verbergen ſucht, iſt als Wucherer zu be-
ſtrafen.“
Zur Vertheidigung dieſer Auffaſſung wurde bemerkt: „Im Allge-
meinen unterliege es wohl keinem Bedenken, daß in dem Bedingen der
Zinſen an ſich, oder wie man ſonſt die Vergeltung nennen möge, die
für den Gebrauch einer Summe Geldes gewährt werde, weder eine
Rechtsverletzung liege, noch daraus etwas Nachtheiliges für das Staats-
wohl folge. Das Geld ſei Waare, die um beliebige Preiſe erworben
werden könne; der Darleiher könne durch das Geld noch weit mehr
gewinnen, als er gebe. Das Gebot, welches für den Geldverkehr eine
Schranke des Preiſes beſtimme, ſei ein rein poſitives — —. Fehle
y) Sächſ. Criminalgeſetzb. Art. 293-301. — Braunſchw. Crimi-
nalgeſetzb. §. 231. 232. — Heſſ. Strafgeſetzb. Art. 400. — Beſchränkungen
enthalten dagegen: Württemb. Strafgeſetzb. Art. 355. — Bad. Straf-
geſetzb. §. 533. 534. — Thüring. Geſetzb. Art. 286-90.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/511>, abgerufen am 16.02.2025.
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