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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§. 259. Betrüglicher Bankerutt.
zu entnehmen und wird erst durch die Gesetzgebung für alle Theile der
Monarchie gleichmäßig festzusetzen sein. Im Allgemeinen ist nur zu
bemerken, daß unter Handelsleuten nicht ausschließlich die einer kauf-
männischen Korporation angehörenden Gewerbetreibenden zu verstehen
sind. Man hat absichtlich den Ausdruck "Kaufleute", der eine solche
engere Bedeutung haben würde, vermieden. -- Unter Schiffsrhedern
sind aber nur solche Personen zu verstehen, welche die Rhederei gewerb-
mäßig treiben, nicht aber solche, die, wie der Kommanditist bei der stil-
len Handelsgesellschaft, gelegentlich durch Geldeinlagen sich dabei be-
theiligen.

II. Der betrügliche Bankerutt setzt voraus, daß der Thäter seine
Zahlung eingestellt hat; die Eröffnung des förmlichen Fallissements- und
Konkursverfahrens braucht aber deswegen noch nicht eingetreten zu sein. t)

III. Die Fälle, in denen ein betrüglicher Bankerutt anzunehmen,
sind folgende:

a. Der Gemeinschuldner hat sein Vermögen ganz oder theilweise
verheimlicht oder bei Seite geschafft;

b. er hat Schulden oder Rechtsgeschäfte anerkannt oder aufgestellt,
welche ganz oder theilweise erdichtet sind. -- Handlungen dieser Art
werden regelmäßig von dem Gemeinschuldner zu dem Zweck begangen,
um sein Vermögen ganz oder theilweise selbst zu behalten oder es an-
deren Personen, namentlich seinen Angehörigen zuzuwenden; sie werden
aber auch dann vorkommen, wenn jemand sich fälschlich zur Verkürzung
der Gläubiger für zahlungsunfähig ausgegeben hat, und es bedurfte
daher für diesen Fall keiner besonderen Bestimmung, zumal die mate-
rielle Unzulänglichkeit des Vermögens und die wirkliche Verkürzung der
Gläubiger zum Thatbestande des vollendeten Bankerutts nicht gehört. u

c. Der Gemeinschuldner hat in der Absicht, seine Gläubiger zu
benachtheiligen, Handelsbücher zu führen unterlassen, obgleich deren
Führung gesetzlich vorgeschrieben, oder nach der Beschaffenheit seines Ge-
schäftes erforderlich war. -- Aus dieser Bestimmung geht hervor, daß
nicht allein von denjenigen Gewerbtreibenden der oben bezeichneten Art,
welche Handelsbücher führen, ein betrüglicher Bankerutt begangen wer-
den kann, wenn auch gewöhnlich eine solche Einrichtung mit ihrem Ge-
schäftsbetriebe verbunden sein wird. Die Bestimmung über die unter-

t) Erklärung des Regierungs-Kommissars Simons in dem vereinigten ständi-
schen Ausschuß. IV. S. 323. 324.
u Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu §. 235. (259.)
-- Bericht der Kommission der ersten Kammer ebendas. Vgl. Verhand-
lungen der Staatsraths-Kommission von
1846. S. 170.
Beseler Kommentar. 32

§. 259. Betrüglicher Bankerutt.
zu entnehmen und wird erſt durch die Geſetzgebung für alle Theile der
Monarchie gleichmäßig feſtzuſetzen ſein. Im Allgemeinen iſt nur zu
bemerken, daß unter Handelsleuten nicht ausſchließlich die einer kauf-
männiſchen Korporation angehörenden Gewerbetreibenden zu verſtehen
ſind. Man hat abſichtlich den Ausdruck „Kaufleute“, der eine ſolche
engere Bedeutung haben würde, vermieden. — Unter Schiffsrhedern
ſind aber nur ſolche Perſonen zu verſtehen, welche die Rhederei gewerb-
mäßig treiben, nicht aber ſolche, die, wie der Kommanditiſt bei der ſtil-
len Handelsgeſellſchaft, gelegentlich durch Geldeinlagen ſich dabei be-
theiligen.

II. Der betrügliche Bankerutt ſetzt voraus, daß der Thäter ſeine
Zahlung eingeſtellt hat; die Eröffnung des förmlichen Falliſſements- und
Konkursverfahrens braucht aber deswegen noch nicht eingetreten zu ſein. t)

III. Die Fälle, in denen ein betrüglicher Bankerutt anzunehmen,
ſind folgende:

a. Der Gemeinſchuldner hat ſein Vermögen ganz oder theilweiſe
verheimlicht oder bei Seite geſchafft;

b. er hat Schulden oder Rechtsgeſchäfte anerkannt oder aufgeſtellt,
welche ganz oder theilweiſe erdichtet ſind. — Handlungen dieſer Art
werden regelmäßig von dem Gemeinſchuldner zu dem Zweck begangen,
um ſein Vermögen ganz oder theilweiſe ſelbſt zu behalten oder es an-
deren Perſonen, namentlich ſeinen Angehörigen zuzuwenden; ſie werden
aber auch dann vorkommen, wenn jemand ſich fälſchlich zur Verkürzung
der Gläubiger für zahlungsunfähig ausgegeben hat, und es bedurfte
daher für dieſen Fall keiner beſonderen Beſtimmung, zumal die mate-
rielle Unzulänglichkeit des Vermögens und die wirkliche Verkürzung der
Gläubiger zum Thatbeſtande des vollendeten Bankerutts nicht gehört. u

c. Der Gemeinſchuldner hat in der Abſicht, ſeine Gläubiger zu
benachtheiligen, Handelsbücher zu führen unterlaſſen, obgleich deren
Führung geſetzlich vorgeſchrieben, oder nach der Beſchaffenheit ſeines Ge-
ſchäftes erforderlich war. — Aus dieſer Beſtimmung geht hervor, daß
nicht allein von denjenigen Gewerbtreibenden der oben bezeichneten Art,
welche Handelsbücher führen, ein betrüglicher Bankerutt begangen wer-
den kann, wenn auch gewöhnlich eine ſolche Einrichtung mit ihrem Ge-
ſchäftsbetriebe verbunden ſein wird. Die Beſtimmung über die unter-

t) Erklärung des Regierungs-Kommiſſars Simons in dem vereinigten ſtändi-
ſchen Ausſchuß. IV. S. 323. 324.
u Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 235. (259.)
Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer ebendaſ. Vgl. Verhand-
lungen der Staatsraths-Kommiſſion von
1846. S. 170.
Beſeler Kommentar. 32
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[489/0499] §. 259. Betrüglicher Bankerutt. zu entnehmen und wird erſt durch die Geſetzgebung für alle Theile der Monarchie gleichmäßig feſtzuſetzen ſein. Im Allgemeinen iſt nur zu bemerken, daß unter Handelsleuten nicht ausſchließlich die einer kauf- männiſchen Korporation angehörenden Gewerbetreibenden zu verſtehen ſind. Man hat abſichtlich den Ausdruck „Kaufleute“, der eine ſolche engere Bedeutung haben würde, vermieden. — Unter Schiffsrhedern ſind aber nur ſolche Perſonen zu verſtehen, welche die Rhederei gewerb- mäßig treiben, nicht aber ſolche, die, wie der Kommanditiſt bei der ſtil- len Handelsgeſellſchaft, gelegentlich durch Geldeinlagen ſich dabei be- theiligen. II. Der betrügliche Bankerutt ſetzt voraus, daß der Thäter ſeine Zahlung eingeſtellt hat; die Eröffnung des förmlichen Falliſſements- und Konkursverfahrens braucht aber deswegen noch nicht eingetreten zu ſein. t) III. Die Fälle, in denen ein betrüglicher Bankerutt anzunehmen, ſind folgende: a. Der Gemeinſchuldner hat ſein Vermögen ganz oder theilweiſe verheimlicht oder bei Seite geſchafft; b. er hat Schulden oder Rechtsgeſchäfte anerkannt oder aufgeſtellt, welche ganz oder theilweiſe erdichtet ſind. — Handlungen dieſer Art werden regelmäßig von dem Gemeinſchuldner zu dem Zweck begangen, um ſein Vermögen ganz oder theilweiſe ſelbſt zu behalten oder es an- deren Perſonen, namentlich ſeinen Angehörigen zuzuwenden; ſie werden aber auch dann vorkommen, wenn jemand ſich fälſchlich zur Verkürzung der Gläubiger für zahlungsunfähig ausgegeben hat, und es bedurfte daher für dieſen Fall keiner beſonderen Beſtimmung, zumal die mate- rielle Unzulänglichkeit des Vermögens und die wirkliche Verkürzung der Gläubiger zum Thatbeſtande des vollendeten Bankerutts nicht gehört. u c. Der Gemeinſchuldner hat in der Abſicht, ſeine Gläubiger zu benachtheiligen, Handelsbücher zu führen unterlaſſen, obgleich deren Führung geſetzlich vorgeſchrieben, oder nach der Beſchaffenheit ſeines Ge- ſchäftes erforderlich war. — Aus dieſer Beſtimmung geht hervor, daß nicht allein von denjenigen Gewerbtreibenden der oben bezeichneten Art, welche Handelsbücher führen, ein betrüglicher Bankerutt begangen wer- den kann, wenn auch gewöhnlich eine ſolche Einrichtung mit ihrem Ge- ſchäftsbetriebe verbunden ſein wird. Die Beſtimmung über die unter- t) Erklärung des Regierungs-Kommiſſars Simons in dem vereinigten ſtändi- ſchen Ausſchuß. IV. S. 323. 324. u Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 235. (259.) — Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer ebendaſ. Vgl. Verhand- lungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 170. Beſeler Kommentar. 32

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/499>, abgerufen am 05.05.2024.