brecher in Beziehung auf die Gefährlichkeit ihrer strafbaren Thätigkeit und auf die dabei an den Tag gelegte Gesinnung zusammen.
b. In Beziehung auf die Ehrverletzungen darf nicht übersehen werden, daß die strafbare Handlung nach der Auffassung unseres Volkes den Charakter eines reinen Privatdelicts an sich tragen kann, dessen Sühnung durch eine Geldbuße unter gewissen Umständen als die an- gemessenste sich darstellt. Es kommt hinzu, daß gerade bei Ehrver- letzungen, wenn sie auch formell als strafbar erscheinen, doch die Ver- anlassung eine den Thäter wenig beschwerende sein kann, ja daß bei der Verleumdung sogar die unvorsichtige Wiederholung anderweitig ver- nommener Aeußerungen schon unter Strafe gestellt ist. Was aber für die Beleidigungen gilt, kommt auch für leichtere Mißhandlungen und Körperverletzungen, welche jetzt die Stelle der Realinjurien des früheren Systems einnehmen, zur Anwendung. Ueberhaupt muß in dieser ganzen Lehre dem richterlichen Ermessen ein weiter Spielraum gegeben werden, was sich am deutlichsten bei der Behandlung der gegenseitigen Beleidi- gungen und Mißhandlungen darstellt.
c. Anders kommt die Sache zu stehen, wenn es zu einer schweren Körperverletzung oder gar zu einer Tödtung gekommen ist. Hier wird bei Feststellung der mildernden Umstände die Zahl der zur Beachtung kommenden thatsächlichen Momente eine weit geringere sein, und es dient schon zur Aufklärung, daß das Handeln im Affekt besonders dazu gerechnet ist (§. 196).
d. Bei den direct gegen das Vermögen gerichteten Rechtsverletzun- gen wird der verschiedene Grad der Bosheit und Gefährlichkeit, welcher sich bei dem Thäter zeigt, so wie die Größe des Objekts von dem Richter ganz besonders ins Auge zu fassen sein, und es lassen sich in beiden Beziehungen Fälle denken, wo ein Heruntergehen unter die an sich schon harten Strafen des Gesetzbuchs gegen Vermögensverletzungen nothwendig erscheint. Man bedenke nur, daß der civilrechtliche Dolus unter Strafe gestellt, daß für den Diebstahl an ganz geringfügigen Sachen kein besonderer Satz in der Strafskala gebildet, daß jede vor- sätzliche und rechtswidrige Beschädigung fremder Sachen mit Gefängniß bedroht ist. In solchen Fällen ist die Möglichkeit, mildernde Umstände zu berücksichtigen, für den Richter nur ein Ersatz dafür, daß aus den höheren Gründen der Kriminalpolitik die gewöhnliche Strafe nicht zu niedrig gegriffen werden durfte und eine Wahl zwischen mehreren ge- setzlich festgestellten Strafarten in der Regel nicht zulässig erschien. Mußte nämlich eines Theils bei Verbrechen die Vermittlung des Wahr- spruchs der Geschworenen nothwendig festgehalten werden, so konnte bei
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§. VII. Die mildernden Umſtände.
brecher in Beziehung auf die Gefährlichkeit ihrer ſtrafbaren Thätigkeit und auf die dabei an den Tag gelegte Geſinnung zuſammen.
b. In Beziehung auf die Ehrverletzungen darf nicht überſehen werden, daß die ſtrafbare Handlung nach der Auffaſſung unſeres Volkes den Charakter eines reinen Privatdelicts an ſich tragen kann, deſſen Sühnung durch eine Geldbuße unter gewiſſen Umſtänden als die an- gemeſſenſte ſich darſtellt. Es kommt hinzu, daß gerade bei Ehrver- letzungen, wenn ſie auch formell als ſtrafbar erſcheinen, doch die Ver- anlaſſung eine den Thäter wenig beſchwerende ſein kann, ja daß bei der Verleumdung ſogar die unvorſichtige Wiederholung anderweitig ver- nommener Aeußerungen ſchon unter Strafe geſtellt iſt. Was aber für die Beleidigungen gilt, kommt auch für leichtere Mißhandlungen und Körperverletzungen, welche jetzt die Stelle der Realinjurien des früheren Syſtems einnehmen, zur Anwendung. Ueberhaupt muß in dieſer ganzen Lehre dem richterlichen Ermeſſen ein weiter Spielraum gegeben werden, was ſich am deutlichſten bei der Behandlung der gegenſeitigen Beleidi- gungen und Mißhandlungen darſtellt.
c. Anders kommt die Sache zu ſtehen, wenn es zu einer ſchweren Körperverletzung oder gar zu einer Tödtung gekommen iſt. Hier wird bei Feſtſtellung der mildernden Umſtände die Zahl der zur Beachtung kommenden thatſächlichen Momente eine weit geringere ſein, und es dient ſchon zur Aufklärung, daß das Handeln im Affekt beſonders dazu gerechnet iſt (§. 196).
d. Bei den direct gegen das Vermögen gerichteten Rechtsverletzun- gen wird der verſchiedene Grad der Bosheit und Gefährlichkeit, welcher ſich bei dem Thäter zeigt, ſo wie die Größe des Objekts von dem Richter ganz beſonders ins Auge zu faſſen ſein, und es laſſen ſich in beiden Beziehungen Fälle denken, wo ein Heruntergehen unter die an ſich ſchon harten Strafen des Geſetzbuchs gegen Vermögensverletzungen nothwendig erſcheint. Man bedenke nur, daß der civilrechtliche Dolus unter Strafe geſtellt, daß für den Diebſtahl an ganz geringfügigen Sachen kein beſonderer Satz in der Strafſkala gebildet, daß jede vor- ſätzliche und rechtswidrige Beſchädigung fremder Sachen mit Gefängniß bedroht iſt. In ſolchen Fällen iſt die Möglichkeit, mildernde Umſtände zu berückſichtigen, für den Richter nur ein Erſatz dafür, daß aus den höheren Gründen der Kriminalpolitik die gewöhnliche Strafe nicht zu niedrig gegriffen werden durfte und eine Wahl zwiſchen mehreren ge- ſetzlich feſtgeſtellten Strafarten in der Regel nicht zuläſſig erſchien. Mußte nämlich eines Theils bei Verbrechen die Vermittlung des Wahr- ſpruchs der Geſchworenen nothwendig feſtgehalten werden, ſo konnte bei
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§. VII. Die mildernden Umſtände.
brecher in Beziehung auf die Gefährlichkeit ihrer ſtrafbaren Thätigkeit
und auf die dabei an den Tag gelegte Geſinnung zuſammen.
b. In Beziehung auf die Ehrverletzungen darf nicht überſehen
werden, daß die ſtrafbare Handlung nach der Auffaſſung unſeres Volkes
den Charakter eines reinen Privatdelicts an ſich tragen kann, deſſen
Sühnung durch eine Geldbuße unter gewiſſen Umſtänden als die an-
gemeſſenſte ſich darſtellt. Es kommt hinzu, daß gerade bei Ehrver-
letzungen, wenn ſie auch formell als ſtrafbar erſcheinen, doch die Ver-
anlaſſung eine den Thäter wenig beſchwerende ſein kann, ja daß bei
der Verleumdung ſogar die unvorſichtige Wiederholung anderweitig ver-
nommener Aeußerungen ſchon unter Strafe geſtellt iſt. Was aber für
die Beleidigungen gilt, kommt auch für leichtere Mißhandlungen und
Körperverletzungen, welche jetzt die Stelle der Realinjurien des früheren
Syſtems einnehmen, zur Anwendung. Ueberhaupt muß in dieſer ganzen
Lehre dem richterlichen Ermeſſen ein weiter Spielraum gegeben werden,
was ſich am deutlichſten bei der Behandlung der gegenſeitigen Beleidi-
gungen und Mißhandlungen darſtellt.
c. Anders kommt die Sache zu ſtehen, wenn es zu einer ſchweren
Körperverletzung oder gar zu einer Tödtung gekommen iſt. Hier wird
bei Feſtſtellung der mildernden Umſtände die Zahl der zur Beachtung
kommenden thatſächlichen Momente eine weit geringere ſein, und es
dient ſchon zur Aufklärung, daß das Handeln im Affekt beſonders dazu
gerechnet iſt (§. 196).
d. Bei den direct gegen das Vermögen gerichteten Rechtsverletzun-
gen wird der verſchiedene Grad der Bosheit und Gefährlichkeit, welcher
ſich bei dem Thäter zeigt, ſo wie die Größe des Objekts von dem
Richter ganz beſonders ins Auge zu faſſen ſein, und es laſſen ſich in
beiden Beziehungen Fälle denken, wo ein Heruntergehen unter die an
ſich ſchon harten Strafen des Geſetzbuchs gegen Vermögensverletzungen
nothwendig erſcheint. Man bedenke nur, daß der civilrechtliche Dolus
unter Strafe geſtellt, daß für den Diebſtahl an ganz geringfügigen
Sachen kein beſonderer Satz in der Strafſkala gebildet, daß jede vor-
ſätzliche und rechtswidrige Beſchädigung fremder Sachen mit Gefängniß
bedroht iſt. In ſolchen Fällen iſt die Möglichkeit, mildernde Umſtände
zu berückſichtigen, für den Richter nur ein Erſatz dafür, daß aus den
höheren Gründen der Kriminalpolitik die gewöhnliche Strafe nicht zu
niedrig gegriffen werden durfte und eine Wahl zwiſchen mehreren ge-
ſetzlich feſtgeſtellten Strafarten in der Regel nicht zuläſſig erſchien.
Mußte nämlich eines Theils bei Verbrechen die Vermittlung des Wahr-
ſpruchs der Geſchworenen nothwendig feſtgehalten werden, ſo konnte bei
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/45>, abgerufen am 21.11.2024.
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