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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XVIII. Diebstahl u. Unterschlagung.
fast einstimmig diesen Beschluß, x) welchen das Strafgesetzbuch nach dem
Vorgange des Entwurfs von 1850. §. 201. im Sinne des Rheinischen
Rechts y) noch bedeutend erweitert hat. -- In den Kommissionen beider
Kammern erregte diese Aenderung Bedenken. In der der zweiten
Kammer wurde es namentlich in Zweifel gezogen, ob auch Gräben zu
den Einfriedigungen zu rechnen seien, und wenn die Mehrheit eine
Fassungsänderung nicht für erforderlich erachtete, so geschah es in der
Erwägung, daß Gräben allerdings Einfriedigungen darstellen können,
daß aber, ob dieß in einem konkreten Fall anzunehmen, nach den Um-
ständen beurtheilt werden müsse. z) In der Kommission der ersten
Kammer wurde dagegen das dem Strafgesetzbuch zu Grunde liegende
Princip angefochten.

"Es ist hervorgehoben worden, daß, wenn man als Strafgrund
für die erhöhte Strafe der sogenannten gewaltsamen Diebstähle den
Bruch oder die Verletzung des Hausfriedens allein oder vorzugsweise
aufstellen wolle, dies zu Konsequenzen führen würde, welche sich durch-
aus nicht rechtfertigen lassen würden. Suche man dagegen, wie es rich-
tiger sei, den Strafgrund in der größeren Gefährlichkeit für die Sicher-
heit, also in einer Art gemeiner Gefahr, so wie in dem durch Ueber-
windung von Hindernissen konstatirten stärkeren Vorsatze zu dem Ver-
brechen, so folge von selbst, daß es sich bei der Aufstellung des Begrif-
fes nur um solche Hindernisse handeln könne, die auch in der That im
gewöhnlichen Leben als solche gelten könnten. Hiernach also würde
beispielsweise ein zwei Fuß hohes Heck, oder ein von dem Diebe bereits
vorgefundenes Mauerloch, durch welches er ohne alle Mühe bequem
Eingang findet, niemals als ein solches Hinderniß anzusehen sein, und
gleichwohl strafe der Entwurf nach der vorliegenden Fassung das Ein-
steigen über jenes Heck oder den Eingang durch diese Oeffnung als
schwere (gewaltsame) Diebstähle. Diese und ähnliche, zugleich die be-
schränkte Fassung des §. 349. Nr. 3. im Auge habende Bedenken ha-
ben die Vorschläge hervorgerufen:

a) entweder auf jede Begriffsbestimmung des "Einsteigens"
und folgerichtig auch des "Einbruchs" in §. 222. zu ver-
zichten,


x) Verhandlungen. IV. S. 192-94.
y) Code penal. Art. 397. Est qualifiee escalade, toute entree dans
les maisons, batimens, cours, basses-cours, edifices quelconques, jardins,
parcs et enclos, executee par-dessus les murs, portes, toitures on toute autre
cloture. -- L'entree par une ouverture souterraine, autre que celle qui a
ete etablie pour servir d'entree, est une circonstance de meme gravite
que l'escalade.
z) Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu §. 205. (222.)

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVIII. Diebſtahl u. Unterſchlagung.
faſt einſtimmig dieſen Beſchluß, x) welchen das Strafgeſetzbuch nach dem
Vorgange des Entwurfs von 1850. §. 201. im Sinne des Rheiniſchen
Rechts y) noch bedeutend erweitert hat. — In den Kommiſſionen beider
Kammern erregte dieſe Aenderung Bedenken. In der der zweiten
Kammer wurde es namentlich in Zweifel gezogen, ob auch Gräben zu
den Einfriedigungen zu rechnen ſeien, und wenn die Mehrheit eine
Faſſungsänderung nicht für erforderlich erachtete, ſo geſchah es in der
Erwägung, daß Gräben allerdings Einfriedigungen darſtellen können,
daß aber, ob dieß in einem konkreten Fall anzunehmen, nach den Um-
ſtänden beurtheilt werden müſſe. z) In der Kommiſſion der erſten
Kammer wurde dagegen das dem Strafgeſetzbuch zu Grunde liegende
Princip angefochten.

„Es iſt hervorgehoben worden, daß, wenn man als Strafgrund
für die erhöhte Strafe der ſogenannten gewaltſamen Diebſtähle den
Bruch oder die Verletzung des Hausfriedens allein oder vorzugsweiſe
aufſtellen wolle, dies zu Konſequenzen führen würde, welche ſich durch-
aus nicht rechtfertigen laſſen würden. Suche man dagegen, wie es rich-
tiger ſei, den Strafgrund in der größeren Gefährlichkeit für die Sicher-
heit, alſo in einer Art gemeiner Gefahr, ſo wie in dem durch Ueber-
windung von Hinderniſſen konſtatirten ſtärkeren Vorſatze zu dem Ver-
brechen, ſo folge von ſelbſt, daß es ſich bei der Aufſtellung des Begrif-
fes nur um ſolche Hinderniſſe handeln könne, die auch in der That im
gewöhnlichen Leben als ſolche gelten könnten. Hiernach alſo würde
beiſpielsweiſe ein zwei Fuß hohes Heck, oder ein von dem Diebe bereits
vorgefundenes Mauerloch, durch welches er ohne alle Mühe bequem
Eingang findet, niemals als ein ſolches Hinderniß anzuſehen ſein, und
gleichwohl ſtrafe der Entwurf nach der vorliegenden Faſſung das Ein-
ſteigen über jenes Heck oder den Eingang durch dieſe Oeffnung als
ſchwere (gewaltſame) Diebſtähle. Dieſe und ähnliche, zugleich die be-
ſchränkte Faſſung des §. 349. Nr. 3. im Auge habende Bedenken ha-
ben die Vorſchläge hervorgerufen:

a) entweder auf jede Begriffsbeſtimmung des „Einſteigens“
und folgerichtig auch des „Einbruchs“ in §. 222. zu ver-
zichten,


x) Verhandlungen. IV. S. 192-94.
y) Code pénal. Art. 397. Est qualifiée escalade, toute entrée dans
les maisons, bâtimens, cours, basses-cours, édifices quelconques, jardins,
parcs et enclos, exécutée par-dessus les murs, portes, toitures on toute autre
cloture. — L'entrée par une ouverture souterraine, autre que celle qui a
été établie pour servir d'entrée, est une circonstance de même gravité
que l'escalade.
z) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 205. (222.)
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[422/0432] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVIII. Diebſtahl u. Unterſchlagung. faſt einſtimmig dieſen Beſchluß, x) welchen das Strafgeſetzbuch nach dem Vorgange des Entwurfs von 1850. §. 201. im Sinne des Rheiniſchen Rechts y) noch bedeutend erweitert hat. — In den Kommiſſionen beider Kammern erregte dieſe Aenderung Bedenken. In der der zweiten Kammer wurde es namentlich in Zweifel gezogen, ob auch Gräben zu den Einfriedigungen zu rechnen ſeien, und wenn die Mehrheit eine Faſſungsänderung nicht für erforderlich erachtete, ſo geſchah es in der Erwägung, daß Gräben allerdings Einfriedigungen darſtellen können, daß aber, ob dieß in einem konkreten Fall anzunehmen, nach den Um- ſtänden beurtheilt werden müſſe. z) In der Kommiſſion der erſten Kammer wurde dagegen das dem Strafgeſetzbuch zu Grunde liegende Princip angefochten. „Es iſt hervorgehoben worden, daß, wenn man als Strafgrund für die erhöhte Strafe der ſogenannten gewaltſamen Diebſtähle den Bruch oder die Verletzung des Hausfriedens allein oder vorzugsweiſe aufſtellen wolle, dies zu Konſequenzen führen würde, welche ſich durch- aus nicht rechtfertigen laſſen würden. Suche man dagegen, wie es rich- tiger ſei, den Strafgrund in der größeren Gefährlichkeit für die Sicher- heit, alſo in einer Art gemeiner Gefahr, ſo wie in dem durch Ueber- windung von Hinderniſſen konſtatirten ſtärkeren Vorſatze zu dem Ver- brechen, ſo folge von ſelbſt, daß es ſich bei der Aufſtellung des Begrif- fes nur um ſolche Hinderniſſe handeln könne, die auch in der That im gewöhnlichen Leben als ſolche gelten könnten. Hiernach alſo würde beiſpielsweiſe ein zwei Fuß hohes Heck, oder ein von dem Diebe bereits vorgefundenes Mauerloch, durch welches er ohne alle Mühe bequem Eingang findet, niemals als ein ſolches Hinderniß anzuſehen ſein, und gleichwohl ſtrafe der Entwurf nach der vorliegenden Faſſung das Ein- ſteigen über jenes Heck oder den Eingang durch dieſe Oeffnung als ſchwere (gewaltſame) Diebſtähle. Dieſe und ähnliche, zugleich die be- ſchränkte Faſſung des §. 349. Nr. 3. im Auge habende Bedenken ha- ben die Vorſchläge hervorgerufen: a) entweder auf jede Begriffsbeſtimmung des „Einſteigens“ und folgerichtig auch des „Einbruchs“ in §. 222. zu ver- zichten, x) Verhandlungen. IV. S. 192-94. y) Code pénal. Art. 397. Est qualifiée escalade, toute entrée dans les maisons, bâtimens, cours, basses-cours, édifices quelconques, jardins, parcs et enclos, exécutée par-dessus les murs, portes, toitures on toute autre cloture. — L'entrée par une ouverture souterraine, autre que celle qui a été établie pour servir d'entrée, est une circonstance de même gravité que l'escalade. z) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 205. (222.)

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/432>, abgerufen am 05.05.2024.