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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XVI. Körperverletzung.
jenigen Fälle zu treffen, die man bei Aufstellung des §. 307. eigentlich
im Auge gehabt habe. f) Aus diesen Gründen wurde der Giftmord als
ein selbständiges Verbrechen ganz aufgegeben, und nur die Giftmischerei,
die Vergiftung ohne die Absicht zu tödten unter Strafe gestellt, und
zwar nach der Vorschrift des Entwurfs von 1843. in folgender Weise:

§. 327. "Wer vorsätzlich, jedoch ohne die Absicht zu tödten, einem
Anderen Gift beigebracht hat, soll, wenn demselben hierdurch ein Scha-
den an seiner Gesundheit, zu deren Heilung keine Wahrscheinlichkeit ist,
zugefügt worden, mit zehn- bis lebenswieriger, sonst aber mit fünf- bis
zehnjähriger Zuchthausstrafe belegt werden."

Der Entwurf von 1847. hatte nach dem Vorschlage des Ministe-
riums für die Gesetz-Revision diese Bestimmung also gefaßt:

§. 242. "Wer in der Absicht zu schaden, jedoch ohne die Absicht
zu tödten, einem Anderen Gift beibringt, soll mit Zuchthaus bis zu
zwanzig Jahren bestraft werden."

In dem vereinigten ständischen Ausschuß fand dieß keinen Wider-
spruch, nur schlug die vorberathende Abtheilung, unter Zustimmung der
Staatsregierung, vor, hinter Gift die Worte "oder andere der Gesund-
heit schädliche Substanzen" einzuschalten, und nach den Worten "Gift
beibringt" hinzuzufügen: "und dadurch der Gesundheit desselben Schaden
zufügt." g)

Aus diesen Verhandlungen ist der §. 197. in seiner gegenwärtigen
Fassung hervorgegangen.

I. Die Bestimmungen sollen den Fall nicht berühren, wo der
Thäter die Absicht zu tödten hatte. Hält man eine Tödtung durch Gift
ohne Ueberlegung für möglich, h) -- und die Möglichkeit läßt sich doch
wohl nicht in Abrede stellen, -- so kommt also entweder die Strafe
des Mordes oder die des Todtschlags zur Anwendung.

II. Die Beibringung von Gift, ohne Rücksicht auf den Erfolg,
wird mit Zuchthaus von zwei bis zu fünf Jahren bestraft. Die Hand-
lung muß vorsätzlich geschehen sein, und zwar in dem allgemeinen Sinn
des strafrechtlichen Dolus. Eine auf die Erreichung eines bestimmten
rechtswidrigen Erfolgs gerichtete Absicht wird freilich nicht verlangt;

f) Revision von 1845. II. S. 123-25.
g) Verhandlungen. IV. S. 54.
h) In Frankreich hat der Kassationshof freilich erkannt, daß die Annahme einer
Vergiftung unter Ausschließung der Prämeditation einen logischen Widerspruch ent-
halte, s. Chauveau et Helie Faustin, Theorie. chap. XLIII. III. p. 104.,
aber ein a. a. O. nach Rossi angeführtes Beispiel zeigt die Möglichkeit der Ver-
giftung im Affekt. Ein Bedienter, welcher seinem Herrn einen Trank bereitet, wird
von diesem schwer beleidigt, und schüttet das Gift, welches er zufällig unter Händen
hat, in die Tasse.

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVI. Körperverletzung.
jenigen Fälle zu treffen, die man bei Aufſtellung des §. 307. eigentlich
im Auge gehabt habe. f) Aus dieſen Gründen wurde der Giftmord als
ein ſelbſtändiges Verbrechen ganz aufgegeben, und nur die Giftmiſcherei,
die Vergiftung ohne die Abſicht zu tödten unter Strafe geſtellt, und
zwar nach der Vorſchrift des Entwurfs von 1843. in folgender Weiſe:

§. 327. „Wer vorſätzlich, jedoch ohne die Abſicht zu tödten, einem
Anderen Gift beigebracht hat, ſoll, wenn demſelben hierdurch ein Scha-
den an ſeiner Geſundheit, zu deren Heilung keine Wahrſcheinlichkeit iſt,
zugefügt worden, mit zehn- bis lebenswieriger, ſonſt aber mit fünf- bis
zehnjähriger Zuchthausſtrafe belegt werden.“

Der Entwurf von 1847. hatte nach dem Vorſchlage des Miniſte-
riums für die Geſetz-Reviſion dieſe Beſtimmung alſo gefaßt:

§. 242. „Wer in der Abſicht zu ſchaden, jedoch ohne die Abſicht
zu tödten, einem Anderen Gift beibringt, ſoll mit Zuchthaus bis zu
zwanzig Jahren beſtraft werden.“

In dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß fand dieß keinen Wider-
ſpruch, nur ſchlug die vorberathende Abtheilung, unter Zuſtimmung der
Staatsregierung, vor, hinter Gift die Worte „oder andere der Geſund-
heit ſchädliche Subſtanzen“ einzuſchalten, und nach den Worten „Gift
beibringt“ hinzuzufügen: „und dadurch der Geſundheit deſſelben Schaden
zufügt.“ g)

Aus dieſen Verhandlungen iſt der §. 197. in ſeiner gegenwärtigen
Faſſung hervorgegangen.

I. Die Beſtimmungen ſollen den Fall nicht berühren, wo der
Thäter die Abſicht zu tödten hatte. Hält man eine Tödtung durch Gift
ohne Ueberlegung für möglich, h) — und die Möglichkeit läßt ſich doch
wohl nicht in Abrede ſtellen, — ſo kommt alſo entweder die Strafe
des Mordes oder die des Todtſchlags zur Anwendung.

II. Die Beibringung von Gift, ohne Rückſicht auf den Erfolg,
wird mit Zuchthaus von zwei bis zu fünf Jahren beſtraft. Die Hand-
lung muß vorſätzlich geſchehen ſein, und zwar in dem allgemeinen Sinn
des ſtrafrechtlichen Dolus. Eine auf die Erreichung eines beſtimmten
rechtswidrigen Erfolgs gerichtete Abſicht wird freilich nicht verlangt;

f) Reviſion von 1845. II. S. 123-25.
g) Verhandlungen. IV. S. 54.
h) In Frankreich hat der Kaſſationshof freilich erkannt, daß die Annahme einer
Vergiftung unter Ausſchließung der Prämeditation einen logiſchen Widerſpruch ent-
halte, ſ. Chauveau et Hélie Faustin, Théorie. chap. XLIII. III. p. 104.,
aber ein a. a. O. nach Roſſi angeführtes Beiſpiel zeigt die Möglichkeit der Ver-
giftung im Affekt. Ein Bedienter, welcher ſeinem Herrn einen Trank bereitet, wird
von dieſem ſchwer beleidigt, und ſchüttet das Gift, welches er zufällig unter Händen
hat, in die Taſſe.
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[380/0390] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVI. Körperverletzung. jenigen Fälle zu treffen, die man bei Aufſtellung des §. 307. eigentlich im Auge gehabt habe. f) Aus dieſen Gründen wurde der Giftmord als ein ſelbſtändiges Verbrechen ganz aufgegeben, und nur die Giftmiſcherei, die Vergiftung ohne die Abſicht zu tödten unter Strafe geſtellt, und zwar nach der Vorſchrift des Entwurfs von 1843. in folgender Weiſe: §. 327. „Wer vorſätzlich, jedoch ohne die Abſicht zu tödten, einem Anderen Gift beigebracht hat, ſoll, wenn demſelben hierdurch ein Scha- den an ſeiner Geſundheit, zu deren Heilung keine Wahrſcheinlichkeit iſt, zugefügt worden, mit zehn- bis lebenswieriger, ſonſt aber mit fünf- bis zehnjähriger Zuchthausſtrafe belegt werden.“ Der Entwurf von 1847. hatte nach dem Vorſchlage des Miniſte- riums für die Geſetz-Reviſion dieſe Beſtimmung alſo gefaßt: §. 242. „Wer in der Abſicht zu ſchaden, jedoch ohne die Abſicht zu tödten, einem Anderen Gift beibringt, ſoll mit Zuchthaus bis zu zwanzig Jahren beſtraft werden.“ In dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß fand dieß keinen Wider- ſpruch, nur ſchlug die vorberathende Abtheilung, unter Zuſtimmung der Staatsregierung, vor, hinter Gift die Worte „oder andere der Geſund- heit ſchädliche Subſtanzen“ einzuſchalten, und nach den Worten „Gift beibringt“ hinzuzufügen: „und dadurch der Geſundheit deſſelben Schaden zufügt.“ g) Aus dieſen Verhandlungen iſt der §. 197. in ſeiner gegenwärtigen Faſſung hervorgegangen. I. Die Beſtimmungen ſollen den Fall nicht berühren, wo der Thäter die Abſicht zu tödten hatte. Hält man eine Tödtung durch Gift ohne Ueberlegung für möglich, h) — und die Möglichkeit läßt ſich doch wohl nicht in Abrede ſtellen, — ſo kommt alſo entweder die Strafe des Mordes oder die des Todtſchlags zur Anwendung. II. Die Beibringung von Gift, ohne Rückſicht auf den Erfolg, wird mit Zuchthaus von zwei bis zu fünf Jahren beſtraft. Die Hand- lung muß vorſätzlich geſchehen ſein, und zwar in dem allgemeinen Sinn des ſtrafrechtlichen Dolus. Eine auf die Erreichung eines beſtimmten rechtswidrigen Erfolgs gerichtete Abſicht wird freilich nicht verlangt; f) Reviſion von 1845. II. S. 123-25. g) Verhandlungen. IV. S. 54. h) In Frankreich hat der Kaſſationshof freilich erkannt, daß die Annahme einer Vergiftung unter Ausſchließung der Prämeditation einen logiſchen Widerſpruch ent- halte, ſ. Chauveau et Hélie Faustin, Théorie. chap. XLIII. III. p. 104., aber ein a. a. O. nach Roſſi angeführtes Beiſpiel zeigt die Möglichkeit der Ver- giftung im Affekt. Ein Bedienter, welcher ſeinem Herrn einen Trank bereitet, wird von dieſem ſchwer beleidigt, und ſchüttet das Gift, welches er zufällig unter Händen hat, in die Taſſe.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/390>, abgerufen am 03.05.2024.