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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§§. 190-194. Gesetzlich ausgezeichnete Fälle.
bestimmter äußerer Kennzeichen für die Feststellung der Kompetenzver-
hältnisse aufmerksam machten, und das Unbestimmte in den Bezeich-
nungen des Gesetzentwurfs hervorhoben. n) -- In dem vereinigten
ständischen Ausschuß trug die vorberathende Abtheilung darauf an, daß
die für die Rheinprovinz bestimmte Vorschrift in das Gesetzbuch aufge-
nommen, und nur statt der Frist von mehr als zwanzig Tagen eine
von dreißig Tagen beliebt werden möge. Dieser Antrag wurde im
Ausschuß beinahe einstimmig angenommen. o)

Später ist man, gestützt auf die in den Rheinischen Gerichten
gemachten Erfahrungen, zu der Frist von mehr als zwanzig Tagen zurück-
gekehrt; dagegen ist der im Code penal (s. Note l) gebrauchte Ausdruck
"Unfähigkeit zur persönlichen Arbeit" (travail personnel) vermieden
worden. Es kann darunter allgemein die körperliche Arbeit verstanden
werden, aber auch die Berufsarbeit des Verletzten. p) Schon der ver-
einigte ständische Ausschuß vermied hierüber eine Entscheidung, indem er
nur "die Arbeitsunfähigkeit" als ein Kriterium der schweren Körper-
verletzung anerkannte, nachdem im Allgemeinen geäußert war, daß eine
Ausgleichung, eine Verständigung darüber, ob es sich nur von der
Fähigkeit, körperliche Arbeit zu verrichten, oder von der Berufsarbeit
handeln solle, wahrscheinlich würde herbeigeführt werden können. Auch
das Gesetzbuch hat die Frage nicht unmittelbar entschieden; da aber die
Bezeichnung der "persönlichen" Arbeit weggelassen worden, so ist wohl
anzunehmen, daß es bei der Arbeitsunfähigkeit nur auf die Berufsarbeit
ankommen soll. In Frankreich legen die Gegner dieser Ansicht das
meiste Gewicht gerade auf den Zusatz "persönlich," wodurch sie die
"körperliche" Arbeit bezeichnet glauben. -- Daß unter Krankheit der
ärztlich zu bestimmende Zustand des Krankseins, und nicht das Vor-
handensein einzelner Spuren der Krankheit, namentlich der Narben, zu
verstehen ist, wird wohl nicht leicht bezweifelt werden. q)

II. Der Verletzte ist verstümmelt worden. Darauf nimmt schon
das Allg. Landrecht a. a. O. §. 799. Rücksicht, indem es aber voraus-
setzt, daß die Absicht des Thäters auf diesen Erfolg gerichtet gewesen.
Dieß ist nach der gegenwärtigen Fassung des Gesetzbuchs nicht erfor-
derlich. Wo übrigens eine Verstümmelung oder eine andere Folge der

n) Fernere Verhandlungen der Staatsraths-Kommission von 1847.
S. 13. 43. -- Ebendas. Vierte Beilage. S. 7. 36. 37.
o) Verhandlungen. IV. S. 43-49.
p) Die letztere Auffassung findet sich in dem Vorschlage der Rheinischen Juristen
a. a. O., doch scheinen für die entgegenstehende Ansicht überwiegende Gründe zu
sprechen. Vgl. Chauveau et Helie Faustin, Theorie. chap. XLVIII.
III. p. 127-29.
q) Chauveau l. c. p. 129.

§§. 190-194. Geſetzlich ausgezeichnete Fälle.
beſtimmter äußerer Kennzeichen für die Feſtſtellung der Kompetenzver-
hältniſſe aufmerkſam machten, und das Unbeſtimmte in den Bezeich-
nungen des Geſetzentwurfs hervorhoben. n) — In dem vereinigten
ſtändiſchen Ausſchuß trug die vorberathende Abtheilung darauf an, daß
die für die Rheinprovinz beſtimmte Vorſchrift in das Geſetzbuch aufge-
nommen, und nur ſtatt der Friſt von mehr als zwanzig Tagen eine
von dreißig Tagen beliebt werden möge. Dieſer Antrag wurde im
Ausſchuß beinahe einſtimmig angenommen. o)

Später iſt man, geſtützt auf die in den Rheiniſchen Gerichten
gemachten Erfahrungen, zu der Friſt von mehr als zwanzig Tagen zurück-
gekehrt; dagegen iſt der im Code pénal (ſ. Note l) gebrauchte Ausdruck
„Unfähigkeit zur perſönlichen Arbeit“ (travail personnel) vermieden
worden. Es kann darunter allgemein die körperliche Arbeit verſtanden
werden, aber auch die Berufsarbeit des Verletzten. p) Schon der ver-
einigte ſtändiſche Ausſchuß vermied hierüber eine Entſcheidung, indem er
nur „die Arbeitsunfähigkeit“ als ein Kriterium der ſchweren Körper-
verletzung anerkannte, nachdem im Allgemeinen geäußert war, daß eine
Ausgleichung, eine Verſtändigung darüber, ob es ſich nur von der
Fähigkeit, körperliche Arbeit zu verrichten, oder von der Berufsarbeit
handeln ſolle, wahrſcheinlich würde herbeigeführt werden können. Auch
das Geſetzbuch hat die Frage nicht unmittelbar entſchieden; da aber die
Bezeichnung der „perſönlichen“ Arbeit weggelaſſen worden, ſo iſt wohl
anzunehmen, daß es bei der Arbeitsunfähigkeit nur auf die Berufsarbeit
ankommen ſoll. In Frankreich legen die Gegner dieſer Anſicht das
meiſte Gewicht gerade auf den Zuſatz „perſönlich,“ wodurch ſie die
„körperliche“ Arbeit bezeichnet glauben. — Daß unter Krankheit der
ärztlich zu beſtimmende Zuſtand des Krankſeins, und nicht das Vor-
handenſein einzelner Spuren der Krankheit, namentlich der Narben, zu
verſtehen iſt, wird wohl nicht leicht bezweifelt werden. q)

II. Der Verletzte iſt verſtümmelt worden. Darauf nimmt ſchon
das Allg. Landrecht a. a. O. §. 799. Rückſicht, indem es aber voraus-
ſetzt, daß die Abſicht des Thäters auf dieſen Erfolg gerichtet geweſen.
Dieß iſt nach der gegenwärtigen Faſſung des Geſetzbuchs nicht erfor-
derlich. Wo übrigens eine Verſtümmelung oder eine andere Folge der

n) Fernere Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1847.
S. 13. 43. — Ebendaſ. Vierte Beilage. S. 7. 36. 37.
o) Verhandlungen. IV. S. 43-49.
p) Die letztere Auffaſſung findet ſich in dem Vorſchlage der Rheiniſchen Juriſten
a. a. O., doch ſcheinen für die entgegenſtehende Anſicht überwiegende Gründe zu
ſprechen. Vgl. Chauveau et Hélie Faustin, Théorie. chap. XLVIII.
III. p. 127-29.
q) Chauveau l. c. p. 129.
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[373/0383] §§. 190-194. Geſetzlich ausgezeichnete Fälle. beſtimmter äußerer Kennzeichen für die Feſtſtellung der Kompetenzver- hältniſſe aufmerkſam machten, und das Unbeſtimmte in den Bezeich- nungen des Geſetzentwurfs hervorhoben. n) — In dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß trug die vorberathende Abtheilung darauf an, daß die für die Rheinprovinz beſtimmte Vorſchrift in das Geſetzbuch aufge- nommen, und nur ſtatt der Friſt von mehr als zwanzig Tagen eine von dreißig Tagen beliebt werden möge. Dieſer Antrag wurde im Ausſchuß beinahe einſtimmig angenommen. o) Später iſt man, geſtützt auf die in den Rheiniſchen Gerichten gemachten Erfahrungen, zu der Friſt von mehr als zwanzig Tagen zurück- gekehrt; dagegen iſt der im Code pénal (ſ. Note l) gebrauchte Ausdruck „Unfähigkeit zur perſönlichen Arbeit“ (travail personnel) vermieden worden. Es kann darunter allgemein die körperliche Arbeit verſtanden werden, aber auch die Berufsarbeit des Verletzten. p) Schon der ver- einigte ſtändiſche Ausſchuß vermied hierüber eine Entſcheidung, indem er nur „die Arbeitsunfähigkeit“ als ein Kriterium der ſchweren Körper- verletzung anerkannte, nachdem im Allgemeinen geäußert war, daß eine Ausgleichung, eine Verſtändigung darüber, ob es ſich nur von der Fähigkeit, körperliche Arbeit zu verrichten, oder von der Berufsarbeit handeln ſolle, wahrſcheinlich würde herbeigeführt werden können. Auch das Geſetzbuch hat die Frage nicht unmittelbar entſchieden; da aber die Bezeichnung der „perſönlichen“ Arbeit weggelaſſen worden, ſo iſt wohl anzunehmen, daß es bei der Arbeitsunfähigkeit nur auf die Berufsarbeit ankommen ſoll. In Frankreich legen die Gegner dieſer Anſicht das meiſte Gewicht gerade auf den Zuſatz „perſönlich,“ wodurch ſie die „körperliche“ Arbeit bezeichnet glauben. — Daß unter Krankheit der ärztlich zu beſtimmende Zuſtand des Krankſeins, und nicht das Vor- handenſein einzelner Spuren der Krankheit, namentlich der Narben, zu verſtehen iſt, wird wohl nicht leicht bezweifelt werden. q) II. Der Verletzte iſt verſtümmelt worden. Darauf nimmt ſchon das Allg. Landrecht a. a. O. §. 799. Rückſicht, indem es aber voraus- ſetzt, daß die Abſicht des Thäters auf dieſen Erfolg gerichtet geweſen. Dieß iſt nach der gegenwärtigen Faſſung des Geſetzbuchs nicht erfor- derlich. Wo übrigens eine Verſtümmelung oder eine andere Folge der n) Fernere Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1847. S. 13. 43. — Ebendaſ. Vierte Beilage. S. 7. 36. 37. o) Verhandlungen. IV. S. 43-49. p) Die letztere Auffaſſung findet ſich in dem Vorſchlage der Rheiniſchen Juriſten a. a. O., doch ſcheinen für die entgegenſtehende Anſicht überwiegende Gründe zu ſprechen. Vgl. Chauveau et Hélie Faustin, Théorie. chap. XLVIII. III. p. 127-29. q) Chauveau l. c. p. 129.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/383>, abgerufen am 25.11.2024.