Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite
§§. 190-194. Gesetzlich ausgezeichnete Fälle.

V. Die Vorschrift, welche noch der Entwurf von 1847. §. 244.
hatte, daß Thätlichkeiten, welche in Ausübung eines vorhandenen Rechts
der Zucht vorgenommen worden, straflos sein sollen, wurde schon in
dem vereinigten ständischen Ausschuß beinahe einstimmig verworfen. f)
Es liegt hier ein ähnlicher Fall vor, wie bei der widerrechtlichen Frei-
heitsberaubung (s. unten §. 211.); wo ein Recht der Zucht wirklich
besteht, darf es auch ausgeübt werden, ohne daß es einer allgemeinen
gesetzlichen Anerkennung bedarf, die leicht mißbraucht werden kann.

§. 190.

Die vorsätzliche Mißhandlung oder Körperverletzung, welche mit Ueberlegung
verübt wird, ist mit Gefängniß bis zu drei Jahren zu bestrafen.

§. 191.

Vorsätzliche, gegen leibliche Eltern oder Großeltern verübte Mißhand-
lung oder Körperverletzung soll Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten
nach sich ziehen.

§. 192.

Wer gegen ein Mitglied der Kammern, einer anderen politischen Körper-
schaft oder einer öffentlichen Behörde, einen öffentlichen Beamten, einen Reli-
gionsdiener, ein Mitglied der bewaffneten Macht, einen Geschworenen, einen
Zeugen oder Sachverständigen, während sie in der Ausübung ihres Berufs
begriffen sind, oder in Beziehung auf ihren Beruf einer vorsätzlichen Mißhand-
lung oder Körperverletzung sich schuldig macht, wird mit Gefängniß von vier
Wochen bis zu drei Jahren bestraft.

§. 193.

Hat eine vorsätzliche Mißhandlung oder Körperverletzung eine Krankheit oder
Arbeitsunfähigkeit von einer längeren als zwanzigtägigen Dauer zur Folge
gehabt, oder ist der Verletzte verstümmelt, oder der Sprache, des Gesichts, des
Gehörs oder der Zeugungsfähigkeit beraubt, oder in eine Geisteskrankheit ver-
setzt worden, so tritt Zuchthaus bis zu funfzehn Jahren ein.

§. 194.

Hat die vorsätzliche Mißhandlung oder Körperverletzung den Tod des
Verletzten zur Folge gehabt, so ist die Strafe Zuchthaus von zehn bis zu
zwanzig Jahren.



Die allgemeine Verwandtschaft, welche zwischen dem Verbrechen der
Tödtung und der Körperverletzung besteht, zeigt sich nicht bloß in Be-
ziehung auf den Gegenstand der Handlungen, welche gegen den mensch-

f) Verhandlungen. IV. S. 57-59.
§§. 190-194. Geſetzlich ausgezeichnete Fälle.

V. Die Vorſchrift, welche noch der Entwurf von 1847. §. 244.
hatte, daß Thätlichkeiten, welche in Ausübung eines vorhandenen Rechts
der Zucht vorgenommen worden, ſtraflos ſein ſollen, wurde ſchon in
dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß beinahe einſtimmig verworfen. f)
Es liegt hier ein ähnlicher Fall vor, wie bei der widerrechtlichen Frei-
heitsberaubung (ſ. unten §. 211.); wo ein Recht der Zucht wirklich
beſteht, darf es auch ausgeübt werden, ohne daß es einer allgemeinen
geſetzlichen Anerkennung bedarf, die leicht mißbraucht werden kann.

§. 190.

Die vorſätzliche Mißhandlung oder Körperverletzung, welche mit Ueberlegung
verübt wird, iſt mit Gefängniß bis zu drei Jahren zu beſtrafen.

§. 191.

Vorſätzliche, gegen leibliche Eltern oder Großeltern verübte Mißhand-
lung oder Körperverletzung ſoll Gefängnißſtrafe nicht unter drei Monaten
nach ſich ziehen.

§. 192.

Wer gegen ein Mitglied der Kammern, einer anderen politiſchen Körper-
ſchaft oder einer öffentlichen Behörde, einen öffentlichen Beamten, einen Reli-
gionsdiener, ein Mitglied der bewaffneten Macht, einen Geſchworenen, einen
Zeugen oder Sachverſtändigen, während ſie in der Ausübung ihres Berufs
begriffen ſind, oder in Beziehung auf ihren Beruf einer vorſätzlichen Mißhand-
lung oder Körperverletzung ſich ſchuldig macht, wird mit Gefängniß von vier
Wochen bis zu drei Jahren beſtraft.

§. 193.

Hat eine vorſätzliche Mißhandlung oder Körperverletzung eine Krankheit oder
Arbeitsunfähigkeit von einer längeren als zwanzigtägigen Dauer zur Folge
gehabt, oder iſt der Verletzte verſtümmelt, oder der Sprache, des Geſichts, des
Gehörs oder der Zeugungsfähigkeit beraubt, oder in eine Geiſteskrankheit ver-
ſetzt worden, ſo tritt Zuchthaus bis zu funfzehn Jahren ein.

§. 194.

Hat die vorſätzliche Mißhandlung oder Körperverletzung den Tod des
Verletzten zur Folge gehabt, ſo iſt die Strafe Zuchthaus von zehn bis zu
zwanzig Jahren.



Die allgemeine Verwandtſchaft, welche zwiſchen dem Verbrechen der
Tödtung und der Körperverletzung beſteht, zeigt ſich nicht bloß in Be-
ziehung auf den Gegenſtand der Handlungen, welche gegen den menſch-

f) Verhandlungen. IV. S. 57-59.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <pb facs="#f0379" n="369"/>
                <fw place="top" type="header">§§. 190-194. Ge&#x017F;etzlich ausgezeichnete Fälle.</fw><lb/>
                <p>V. Die Vor&#x017F;chrift, welche noch der Entwurf von 1847. §. 244.<lb/>
hatte, daß          Thätlichkeiten, welche in Ausübung eines vorhandenen Rechts<lb/>
der Zucht vorgenommen          worden, &#x017F;traflos &#x017F;ein &#x017F;ollen, wurde &#x017F;chon          in<lb/>
dem vereinigten &#x017F;tändi&#x017F;chen Aus&#x017F;chuß beinahe          ein&#x017F;timmig verworfen. <note place="foot" n="f)"><hi rendition="#g">Verhandlungen</hi>. IV. S. 57-59.</note><lb/>
Es liegt hier ein ähnlicher Fall vor, wie bei der widerrechtlichen          Frei-<lb/>
heitsberaubung (&#x017F;. unten §. 211.); wo ein <hi rendition="#g">Recht</hi> der Zucht wirklich<lb/>
be&#x017F;teht, darf es auch ausgeübt werden, ohne          daß es einer allgemeinen<lb/>
ge&#x017F;etzlichen Anerkennung bedarf, die leicht          mißbraucht werden kann.</p>
              </div>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 190.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head/>
              <p>Die vor&#x017F;ätzliche Mißhandlung oder Körperverletzung, welche mit         Ueberlegung<lb/>
verübt wird, i&#x017F;t mit Gefängniß bis zu drei Jahren zu         be&#x017F;trafen.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 191.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head/>
              <p>Vor&#x017F;ätzliche, gegen leibliche Eltern oder Großeltern verübte Mißhand-<lb/>
lung         oder Körperverletzung &#x017F;oll Gefängniß&#x017F;trafe nicht unter drei         Monaten<lb/>
nach &#x017F;ich ziehen.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 192.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head/>
              <p>Wer gegen ein Mitglied der Kammern, einer anderen politi&#x017F;chen         Körper-<lb/>
&#x017F;chaft oder einer öffentlichen Behörde, einen öffentlichen Beamten,         einen Reli-<lb/>
gionsdiener, ein Mitglied der bewaffneten Macht, einen         Ge&#x017F;chworenen, einen<lb/>
Zeugen oder Sachver&#x017F;tändigen, während         &#x017F;ie in der Ausübung ihres Berufs<lb/>
begriffen &#x017F;ind, oder in Beziehung         auf ihren Beruf einer vor&#x017F;ätzlichen Mißhand-<lb/>
lung oder Körperverletzung         &#x017F;ich &#x017F;chuldig macht, wird mit Gefängniß von vier<lb/>
Wochen bis zu         drei Jahren be&#x017F;traft.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 193.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head/>
              <p>Hat eine vor&#x017F;ätzliche Mißhandlung oder Körperverletzung eine Krankheit         oder<lb/>
Arbeitsunfähigkeit von einer längeren als zwanzigtägigen Dauer zur         Folge<lb/>
gehabt, oder i&#x017F;t der Verletzte ver&#x017F;tümmelt, oder der         Sprache, des Ge&#x017F;ichts, des<lb/>
Gehörs oder der Zeugungsfähigkeit beraubt, oder in         eine Gei&#x017F;teskrankheit ver-<lb/>
&#x017F;etzt worden, &#x017F;o tritt         Zuchthaus bis zu funfzehn Jahren ein.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 194.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head/>
              <p>Hat die vor&#x017F;ätzliche Mißhandlung oder Körperverletzung den Tod         des<lb/>
Verletzten zur Folge gehabt, &#x017F;o i&#x017F;t die Strafe Zuchthaus von         zehn bis zu<lb/>
zwanzig Jahren.</p>
            </div><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="4">
              <head/>
              <p>Die allgemeine Verwandt&#x017F;chaft, welche zwi&#x017F;chen dem Verbrechen         der<lb/>
Tödtung und der Körperverletzung be&#x017F;teht, zeigt &#x017F;ich nicht         bloß in Be-<lb/>
ziehung auf den Gegen&#x017F;tand der Handlungen, welche gegen den          men&#x017F;ch-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[369/0379] §§. 190-194. Geſetzlich ausgezeichnete Fälle. V. Die Vorſchrift, welche noch der Entwurf von 1847. §. 244. hatte, daß Thätlichkeiten, welche in Ausübung eines vorhandenen Rechts der Zucht vorgenommen worden, ſtraflos ſein ſollen, wurde ſchon in dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß beinahe einſtimmig verworfen. f) Es liegt hier ein ähnlicher Fall vor, wie bei der widerrechtlichen Frei- heitsberaubung (ſ. unten §. 211.); wo ein Recht der Zucht wirklich beſteht, darf es auch ausgeübt werden, ohne daß es einer allgemeinen geſetzlichen Anerkennung bedarf, die leicht mißbraucht werden kann. §. 190. Die vorſätzliche Mißhandlung oder Körperverletzung, welche mit Ueberlegung verübt wird, iſt mit Gefängniß bis zu drei Jahren zu beſtrafen. §. 191. Vorſätzliche, gegen leibliche Eltern oder Großeltern verübte Mißhand- lung oder Körperverletzung ſoll Gefängnißſtrafe nicht unter drei Monaten nach ſich ziehen. §. 192. Wer gegen ein Mitglied der Kammern, einer anderen politiſchen Körper- ſchaft oder einer öffentlichen Behörde, einen öffentlichen Beamten, einen Reli- gionsdiener, ein Mitglied der bewaffneten Macht, einen Geſchworenen, einen Zeugen oder Sachverſtändigen, während ſie in der Ausübung ihres Berufs begriffen ſind, oder in Beziehung auf ihren Beruf einer vorſätzlichen Mißhand- lung oder Körperverletzung ſich ſchuldig macht, wird mit Gefängniß von vier Wochen bis zu drei Jahren beſtraft. §. 193. Hat eine vorſätzliche Mißhandlung oder Körperverletzung eine Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit von einer längeren als zwanzigtägigen Dauer zur Folge gehabt, oder iſt der Verletzte verſtümmelt, oder der Sprache, des Geſichts, des Gehörs oder der Zeugungsfähigkeit beraubt, oder in eine Geiſteskrankheit ver- ſetzt worden, ſo tritt Zuchthaus bis zu funfzehn Jahren ein. §. 194. Hat die vorſätzliche Mißhandlung oder Körperverletzung den Tod des Verletzten zur Folge gehabt, ſo iſt die Strafe Zuchthaus von zehn bis zu zwanzig Jahren. Die allgemeine Verwandtſchaft, welche zwiſchen dem Verbrechen der Tödtung und der Körperverletzung beſteht, zeigt ſich nicht bloß in Be- ziehung auf den Gegenſtand der Handlungen, welche gegen den menſch- f) Verhandlungen. IV. S. 57-59.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/379
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/379>, abgerufen am 25.11.2024.